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Gästebuch

Michael Koser: Schmetterling mit Hakenkreuzen (BR 1981)

Melville Abendsen: Tschuang - Tse träumt, er sei ein Schmetterling, er fliegt dahin, flattert mit den Flügeln und freut sich. Plötzlich wacht er auf und erkennt, er sei Tschuang Tse. Ist er nun Tschuang Tse, der träumte, er sei ein Schmetterling, oder ist er ein Schmetterling, der träumt er sei Tschuang Tse. Ahaha, wer kann das sagen. Ich bin Melville Abendsen, geboren 1918, als der erste Weltkrieg zu Ende ging, im zweiten Soldat, Guadalcanal, Medwe, Guam, bei Iwojima verwundet, Besatzer auf Okinawa bis 1946, ich bin Schriftsteller, ich schreibe Science Fiction, ich, äh habe eine Idee im Kopf, eine Geschichte, die nicht in der Zukunft spielt, die gegenwärtig ist, zeitgenössisch und doch nicht von dieser unserer Zeit, ich will gewissermaßen zeitlich seitwärts gehen, fragen, was wäre wenn, wenn die anderen den zweiten Weltkrieg gewonnen hätten, Unmögliches erzählen, um die Schrecken des möglichen zu beschwören, zuerst also der Traum des Tschuang Tse, und dann, am besten ein Sprung, mitten hinein ins unmögliche, etwa so:
Steward: Meine Damen und Herren, im Namen der deutschen Lufthansa begrüße ich die in New York zugestiegenen Passagiere an Bord unseres Messerschmitt- Großraumflugzeugs Dürer auf seinem Linienflug Berlin - San Francisco, unsere Flugzeit wird nunmehr noch 2 Stunden betragen und wir werden in einer Höhe von 20km fliegen, sie können nun wieder rauchen wenn sie wollen, wir bitten sie aber weiterhin angeschnallt zu bleiben, danke.
Melville: Datum, warum nicht heute, also 24. April 1962, 9 Uhr vormittags.
Brecker: Zigarette?
Sundmann: Ich rauche nicht, danke.
Brecker: Fabelhaft, in zwei Stunden über einen Kontinent, in fünf Monaten zum Mars, deutsche Wertarbeit, darauf kann man stolz sein, Landsmann?
Sundmann: Schwede.
Brecker: Immerhin nordisch, sozusagen Rassenbruder.
Sundmann: Wenn Sie es so ausdrücken wollen.
Brecker: Fliegen Sie zum ersten Mal in die Pazifikzone?
Sundmann: Nein.
Brecker: Ich schon, geschäftlich unterwegs?
Sundmann: Ja.
Brecker: Welche Branche, wenn ich fragen darf.
Sundmann: Plastprodukte.
Brecker: Ach was, ich dachte wir haben das Monopol für Plaste, IG Farben.
Sundmann: Verkauft ab und zu Lizenzen, ans neutrale Schweden.
Brecker: So, ich bin Künstler, Bildhauer, ich habe gerade eine große Ausstellung in New York eröffnet, und jetzt habe ich eine in San Francisco, Kulturaustausch, Förderung von Freundschaft und Verständnis zwischen den Großmächten und so weiter, das Propagandaministerium bezahlt, Brecker, Axel Brecker.
Sundmann: Sundmann.
Brecker: Vielleicht kennen Sie meine Sachen, Monumentalplastiken, der Meldegänger oder der Geist des 9. November, in der Halle der Reichskanzlei, nein.
Sundmann: Moderne Kunst interessiert mich nicht, ich bin konservativ, Kubismus, Expressionismus.
Brecker: Lieber Herr Sundmann, ist entarted, chaotisch, plutokratisch, und vorbei, ein für allemal vorbei, gottseidank, denn was Herr Sundmann, soll die Kunst darstellen, das Ideal, nicht wahr, die ewigen Werte, Blut, Volk, Rasse.
Sundmann: Wenn Sie gestatten, Herr Brecker, ich möchte lesen.
Melville: Herr Brecker ist in jeder zeit immer nur Herr Brecker, aber Herr Sundmann sollte nicht nur Herr Sundmann sein.
Tagomi: Wer ist Herr Sundmann? Bedeutende Persönlichkeit, zweifelos, empfohlen von hoher Stelle, Tokyo, von zu hoher Stelle...

(...)

Tagomi: ...Was immer geschieht, ist böse, dennoch hoffen und versuchen, warten, sehen, und warten, sehen, warten, sehen, warten, sehen.
Melville: Die Kulissen der Umwelt werden plötzlich weggezogen und Tagomi nimmt wahr, was dahinter ist, die Realität, Tagomi sieht, hört, riecht, fühlt eine unvorstellbar häßliche Silhouette kahler Wolkenkratzer, Autos über Autos, Menschen über Menschen, Schweiß, Gift, Aggression, Brutalität, entsetzliche Einsamkeit.
Tagomi: Wo bin ich, ist was, innere Wahrheit.
Melville: Tagomi hat seinen letzten Herzanfall, 25.April 1962, 7 Uhr 15, Cheyenne, mein alter ego, der alternative Abendsen tritt auf, nicht als deus exmachina, er weiß auch nicht wies weitergehen wird, aber er hat eine wirkliche Alternative beschrieben in seinem Buch, immerhin, mein Buch ist nicht viel, aber besser als nichts.
Julia Frink: Ihr Haus ist ein ganz normales Haus, Mr Abendsen, keine Festung.
Melville: Festung, ach der Klappentext und der arme Gag vom Verlag.
Frink: Haben Sie keine Angst, der SD will sie umbringen, ein Mörder war schon unterwegs zu Ihnen.
Melville: War? Was ist passiert?
Frink: Ich habe ihm die Kehle durchgeschnitten, glauben Sie mir nicht?
Melville: Doch, doch, ich glaube ihnen, Sherry?
Frink: Die andere Welt in Ihrem Buch, woher wissen Sie das alles, durch das Orakel.
Melville: Interessante Brosche, ein Talisman? Ja, durch das Orakel, Mrs. Frink, bei jeder Idee, jeder Figur, jeder Szene, bei allen Einzelheiten, habe ich das Iging gefragt, es hat Jahre gedauert.
Frink: Also hat das Orakel Ihr Buch geschrieben.
Melville: Das könnte man sagen, wissen sie, was das letzte Hexagram war, als das Manuskript fertig da lag, 61.
Frink: Jung fu, innere Wahrheit, das bedeutet, Ihr Buch ist wahr, Deutschland und Japan haben den Krieg verloren.
Melville: Vielleicht.
Frink: Sie müssen daran glauben, wenn es überhaupt so etwas wie Wahrheit gibt, dann ist sie im Buch.
Melville: Vielleicht, wollen sie daß Ihr Exemplar signiere?
Frink: Ich muß gehen.
Melville: Ich bring sie ans Tor.
Frink: Beim Schein der untergehenden Sonne schlagen die Menschen entweder auf den Topf und singen oder sie seufzen laut über das nahende alte.
Melville: Sie wissen, wer auf den Topf geschlagen und gesungen hat.
Frink: Nein.
Melville: Juan Tse, der chinesische Philosoph Juan Tse.
Frink: Der mit dem Schmetterling.
Melville: Sie kennen die Geschichte, wissen sie auch, daß sie kein Ende hat. Ist er Tsuang Tse, der träumte, er sei ein Schmetterling oder ist er ein Schmetterling, der träumt, er sei Tuan Tse, der träumt er sei ein Schmetterling, der träumt er sei Tsuang Tse.
Frink: Und so weiter.
Melville: Alles ist dunkel, Julia, nichts ist wahr, was wir auch wählen, mit Sicherheit wissen wir nur eines, es ist die falsche Alternative, wohin gehen Sie?
Frink: Ich weiß nicht, vielleicht zu meinem Mann, ich habe vorhin versucht, ihn anzurufen, aber ich konnte ihn nicht erreichen.
Melville: Bitte, ich hab nicht…
Frink: Ich konnte ihn nicht erreichen.

Tagomi, Chef der japanischen Handelskommission Aljoscha Sebald
Julia Frink Katharina Lopinski
Frank Frink Rüdiger Bahr
Joe Cinderella Horst Sachtleben
Sundmann alias Oberst Hansen Harald Leipnitz
Melville Abéndsen, Schriftsteller Gert Günther Hoffmann
Mr. Childan Siemen Rühaak (Antiquitätenhändler?)
Graf Felix von Eckhart Hans-Günter Martens
Bridageführer Blobel Gerd Eichen
Yatabe alias Tedeki Gerhard Becker
Axel Brecker, Bildhauer Eric P. Caspar
Radiosprecher Axel Wostry
Radiosprecher Jürgen Jung
Miss Melikyan, Tagomis Sekretärin Christine Merthan
Reinhard Heydrich Wolf Goldan
Stewart Gerhard Mohr
Lkw-Fahrer Bernd Herberger
Charly Kurt Goldstein
Matson, Boss der Eisengießerei Christoph Lindert
Sekretär Hans Peder Hermansen
Polizist Michael Hoffmann
Telefonistin Ute Mora

Hörspielfan

29. Juni 2025

Michael Koser: Das Geheimnis von Craven-Hall (RIAS 1978)

Versetzen Sie sich nun im Geiste zurück, um ein gutes dreiviertel Jahrhundert, in die Zeit der Gasbeleuchtung und der Pferdedroschken und folgen sie mir in das Gerichtsgebäude einer kleinen englischen Stadt, wo gerade eine Totenschau abgehalten wird, ein Mord hat stattgefunden.

Richter: Und dann sahen Sie die Leiche.
Butler Hales: Jawohl euer Ehren, ich erblickte den dahingeschiedenen in seinem Blute liegen, inmitten dieser chaotischen Umgebung, es war abscheulich, wenn ich mir diesen starken Ausdruck gestatten darf.
Richter: So. Und was taten Sie dann?
Butler: Ich sagte oh!
Richter: Oh?
Butler: Jawohl euer Ehren, oh, ich erinnere mich genau.
Richter: Und dann?
Butler: Äh, dann dachte ich nach.
Richter: In der Tat. Und?
Butler: Ich äh ich dachte also nach, etwa 2 Minuten, würde ich sagen, dann kam ich zu der Überzeugung, dies sei ein Fall für die Polizei, daher beschloß ich mich nach Grenfell zu begeben und Wachtmeister Williams zu benachrichtigen.

Wachtmeister: Bei dem Toten handelt es sich um einen gewissen Alexander Henderson, allgemein bekannt als Old Sandy, 62 Jahre alt, Gärtner bei Mr. Craven auf Craven Hall, in dieser Eigenschaft bewohnte er eine Hütte im Park des besagten Mr. Craven, nicht weit vom Herrenhaus entfernt. Dort.
Richter: Dort fand ihn Mr. Cravens Butler, in leblosem Zustand, worüber er Sie informierte, das ist uns bereits bekannt, Wachtmeister, wir wollen von Ihnen wissen, ob Ihnen etwas besonders auffiel, als Sie die Leiche in Augenschein nahmen.
Wachtmeister: Gewiß euer Ehren, in dem Zimmer herrschte ein unglaubliches Durcheinander, ganz abgesehen von der Leiche, ein Tohuwabohu, gar nicht zu beschreiben.
Richter: Machen Sie uns die Freunde und versuchen Sie es trotzdem.
Wachtmeister: Ja euer Ehren, äh, das Bett war umgestürzt, desgleichen der Tisch und ein Stuhl, der zweite Stuhl stand auf dem Kleiderschrank, Laken und Bettdecke waren zusammengerollt und in den Kamin gestopft worden, Vasen und anderes Geschirr lagen in Scherben auf dem Fußboden, als ob eine Horde Affen gehaust hätte.

Dr. Johnson: Sofortiger Exitus war natürlich die Folge.
Richter: Natürlich, würde es Ihnen etwas ausmachen, Doktor Johnson, Ihre Aussage kurz zu wiederholen, wenn möglich so, daß sie auch für einen medizinischen Laien verständlich wird.
Dr.: Wie Sie wünschen, euer Ehren, ich möchte aber darauf hinweisen, daß laienhafte Formulierungen nicht gerade zur wissenschaftlichen Präzision beitragen.
Richter: Wir werden uns damit abfinden, Doktor, die Todesursache war also.
Dr.: Schlicht gesagt, ein Schlag auf den Schädel ausgeführt mit einem stumpfen Gegenstand und großer Körperkraft, die Lage des Toten auf dem Fußboden des Zimmers, direkt unter dem offenen Fenster, deutet darauf hin, daß er den Schlag erhielt, während er den Kopf aus dem Fenster steckte.
Richter: Interessant, und wann.
Dr.: Der Tod trat etwa 12 Stunden vor meiner Untersuchung ein, also zwischen 5 und 6 Uhr am frühen Morgen des 8. September 1901, darauf läßt auch die Tatsache schließen, daß der Tote lediglich mit einem Nachthemd aus himmelblauem Flanell bekleidet war.

Craven: Familienfaktotum könnte man sagen, treuer Diener, seit ich in Oxford war, als Student, wissen Sie, alte neue und vergleichende Philologie, damals fing ich an mit meinen Forschungen über die Ursprache der Menschheit, ich weiß nicht ob sie sich vorstellen können.
Richter: Gewiß Mr. Craven, äh hatte der Tote Ihres Wissens Feinde?
Craven: Feinde, wer?
Richter: Handerson natürlich.
Craven: Sandy, meinen Sie, Feinde, ganz bestimmt nicht, eine Seele von Mensch, allgemein beliebt.
Richter: Demnach glauben Sie nicht, daß der Täter in seinem Wirkungskreise zu suchen wäre.
Craven: Unsinn, völlig unmöglich, ein Landstreicher vielleicht oder ein Irrer.

Richter: Gestatten Sie mir zum Schluß dieser Totenschau einige notwendige Betrachtungen, der Fall liegt noch in den bewährten Händen der hiesigen Kriminalpolizei und ich bin sicher, daß Inspector Griffin, der die bisherigen Untersuchungen mit großer Umsicht geleitet hat, bald den Urheber dieser schändlichen Tat ermitteln und der gerechten Strafe zuführen wird, aber wie ich soeben erfahren habe, gedenkt der Polizeipräsident unserer Grafschaft einen Londoner Spezialisten hinzuziehen, angesichts gewisser angeblich merkwürdiger Umstände des Falles und angesichts der Tatsache, daß eine angesehene Familie wenn auch nur indirekt betroffen sei, wir halten dies, wir sagen es in aller Offenheit, für eine durchaus unnötige Maßnahme, ja noch mehr, für eine Verschwendung von Steuergeldern, denn kann wohl ein Zweifel daran bestehen, daß es sich beim Täter um einen Wahnsinnigen handelt, der durch eine Überprüfung der einschlägigen Anstalten in der Umgebung leicht zu ermitteln sein dürfte, für uns ergibt sich daraus wieder einmal die traurige Veranlassung, auf den gefährlichen Geist dieser unserer modernen Zeit, warnend hinzuweisen, auf die beklagenswerte Hektik des kaum begonnenen Jahrhunderts, die sich ausdrückt in Automobilen, Telefonen und weiß der Himmel noch was für entsetzlichen Erfindungen, auf die verfehlte Sucht nach neuem, die das bewährte alte verachten zu müssen glaubt, all dieses kann wie wir leider schon des öfteren festzustellen hatten, ungefestigte Charaktere in kriminellen Irrsinn stürzen, bedenken Sie dies meine Herren vom der Jury, wenn sie sich nunmehr zurückziehen um ihren Spruch zu beraten.

Inspektor Griffin: Mord durch eine oder mehrere unbekannte Personen, na das war zu erwarten, dann machen Sie mir mal eine Liste aller Sanatorien in der Grafschaft, damit wir sie in den nächsten Tagen abklappern können.
Wachtmeister: Schon dabei, Inspektor, was meinen sie, vielleicht haben wir den Burschen schon, bevor dieser Spezialist aus dem Zug steigt.
Inspektor: Ihr Wort in Gottes Ohr, Williams und in das des Herrn Polizeipräsidenten.
Gordon: Eine Dame möchte sie sprechen, Inspektor.
Inspektor: Eine Dame, Sie können gehen Williams, und Sie auch Gordon.

Miss Brooke: Inspektor Griffin?
Inspektor: Zu Ihren Diensten, Mam.
Brooke: Mein Name ist Brooke, Miss Loveday Brooke.
Inspektor: Erfreut, möchten Sie nicht Platz nehmen und vielleicht eine Tasse Tee?
Brooke: Danke aber zu einem Plauderstündchen bin ich eigentlich nicht gekommen, haben Sie mein Telegramm nicht erhalten?
Inspektor: Telegramm, was für ein Telegramm?
Brooke: Ich soll hier einen Fall lösen, mit dem Sie allein nicht fertig werden, den Mord an Alexander Henderson.
Inspektor: Moment mal, Brook. Brook ah, dann sind Sie ja der Spezialist aus London.
Brooke: Ich bin wie sie sehen die Spezialistin aus London, Sie dürfen den Mund wieder zumachen, Inspektor, haben Sie übrigens etwas dagegen wenn ich rauche.
Inspektor: Ja, ich meine natürlich nein, bitte entschuldigen Sie meine Verwirrung, ich habe natürlich keine Dame erwartet.
Brooke: Natürlich nicht, ein weiblicher Detektiv, der auch noch raucht, das ist ja wohl der Gipfel, die muß ein Mannweib sein, ein Blaustrumpf, eine Suffragette, wenn nicht noch schlimmeres, so nachdem ich Ihnen das Wort aus dem Munde genommen und das obligatorische Vorgeplänkel.
Inspektor: Aber ich bitte sie ganz und gar nicht.
Brooke: Sollten wir vielleicht mit der Arbeit anfangen, was bei der Totenschau ausgesagt wurde, können Sie voraussetzen, ich war da, klein und bescheiden, in der letzten Reihe, Sie haben mich sicher nicht gesehen.
Inspektor: Ich muß gestehen.
Brooke: Macht nichts, macht nichts, meinen Sie übrigens auch wie der in Ehren vergreiste Richter, daß der Täter ein Geisterkranker ist?
Inspektor: Ich weiß nicht so recht.
Brooke: Sehr schön, sehr schön, immer offen bleiben, das ist mein Motto, ein guter Detektiv geht ohne Vorurteil und vorgefaßte Meinung an seine Fälle, und Sie sind doch ein guter Detektiv.
Inspektor: Ich hoffe es.
Brooke: Ich auch, das würde unsere Zusammenarbeit nämlich sehr erleichtern, gut ans Werk Inspektor, äh zunächst will ich von Ihnen nichts weiter als ein paar Informationen, also erzählen Sie mir was von den Cravens auf Craven Hall.
Inspektor: Ja, aber, aber Sie glauben doch nicht.
Brooke: Ich glaube gar nichts, Inspektor, bitte.
Inspektor: Ja, die Cravens, immer noch eine der angesehensten Familien in der Grafschaft, heutzutage allerdings wie soll ich sagen, ein bißchen heruntergekommen, Craven Hall soll stark verschuldet sein, Mr. Craven senior haben Sie ja wohl bei der Totenschau erlebt, ein Gelehrter, zerstreut, weltfremd, schreibt seit Jahrzehnten an einem großen Werk über die Urlaute der Menschheit oder so ähnlich und interessiert sich für nichts anderes, Witwer, hat 2 Kinder, Cilia 18 und Walter 20.
Brooke: Warum sind die beiden nicht bei der Totenschau vernommen worden?
Inspektor: Ganz einfach, Cilia ist in Liverpool bei Bekannten.
Brooke: So, wann abgereist?
Inspektor: Am 7. September, einen Tag vor dem Mord, abends, in einem gemieteten Automobil, wir haben nachgefragt, routinemäßig, und der Chauffeur hat es bestätigt.
Brooke: Damit hätte Miss Craven ein Alibi.
Inspektor: Nicht, daß sie es brauchte, Cilia hätte nie die Kraft gehabt, Sandy den Schädel einzuschlagen, sie ist ein nettes Mädchen, hat so gar nichts von diesen modernen jungen Frauen die auf Tennisplätzen herumflirten und die Straßen mit dem Velociped unsicher machen.
Brooke: Danke sehr.
Inspektor: Ai, das war natürlich nicht persönlich gemeint.
Brooke: Geschenkt. Inspektor, geschenkt, weiter, Walter Craven.
Inspektor: Krank, Gelbsucht, er liegt isoliert von der Außenwelt in einem Seitenflügel von Craven Hall.
Brooke: Seit wann?
Inspektor: Warten Sie mal, ja, seit dem 7. September.
Brooke: Die Tochter verreist, der Sohn wird krank, genau zur gleichen Zeit, merkwürdig, finden Sie nicht.
Inspektor: Merkwürdig, reiner Zufall.
Brooke: Glauben Sie wirklich, woher wollen Sie wissen, daß Walter den kranken nicht nur spielt.
Inspektor: Auch wenn wir hier nicht bei Scotland Yard sind, so leicht lassen wir uns nicht an der Nase herumführen, Mr. Craven Junior hat ein ordnungsgemäßes ärztliches Attest vorgelegt, als er zur Totenschau bestellt wurde.
Brooke: Wer hat das Attest unterschrieben, der Hausarzt?
Inspektor: Ja, das nehm ich doch an.
Brooke: Aber sie wissen es nicht genau.
Inspektor: Nein.
Brooke: Dann prüfen sie es bitte nach.
Inspektor: Wenn sie unbedingt wollen.
Brooke: Ja, die Sache ist wichtig, es geht immerhin um Walter Craven Alibi.
Inspektor: Ach das Alibi, das steht sowieso fest. Jonny Hales, der Butler, ist bereit zu beschwören, daß in der fraglichen Nacht weder Walter noch sonst jemand Craven Hall verlassen hat.
Brooke: So, und woher weiß er das so genau?
Inspektor: Hales hat sein Zimmer direkt neben der Tür, die Scharniere quietschen entsetzlich, dazu kommt, daß der alte Hales wie so oft wegen seines Rheumas die ganze Nacht wachblieb, also niemand konnte in der Mordnacht aus dem Haus gehen ohne daß der Butler es hörte.
Brooke: Nicht schlecht soweit, aber eines haben Sie vergessen, oder einen, Hales selbst.
Inspektor: Kaum, würde er dann wohl allen anderem im Haus ein Alibi geben?
Brooke: Da könnten Sie recht haben, gut, legen wir Mr. Hales und das Problem der Alibis erst mal aufs Eis, fragen wir nach den Motiven, wer hätte einen Grund haben können, Sandy Henderson umzubringen? Hales?
Inspektor: Tja, soviel ich weiß kamen die beiden nicht gerade gut miteinander aus, nach Hales lag Sandy den ganzen Tag faul auf seinem Bett herum, ließ den Park verwildern und bekam dafür von Mr. Craven einen höheren Lohn als der Butler.
Brooke: Interessant wenns stimmt, aber kaum ein Mordmotiv, die übrige Dienerschaft
Inspektor: Nur noch Köchin und Zimmermädchen, und die kommen nicht in Frage, nicht kräftig genug.
Brooke: Akzeptiert, und was ist mit Craven senior?
Inspektor: Nix. Im Gegenteil. Mr. Craven hing sehr an Sandy, obwohl der unter uns gesagt ein alter Streithammel war, auch wenn er an allen Ecken und Enden gespart werden mußte, für Sandy Lohn war immer genug da.
Brooke: Und wenn man Hales glauben kann, war Sandys Lohn nicht gerade winzig, dann fehlt uns also nur noch ein Motiv für Walter Craven, den so plötzlich erkranken.
Inspektor: Der hat seine eigenen Probleme, die mit Sandy nichts zu tun haben. Walter ist sozusagen der begehrteste junge Mann in Grenfell und Umgebung, alle unseren würdigen Geldverleiher sind hinter ihm her, wie der Teufel hinter der armen Seele, er hat so viel Schulden, daß ich nicht weiß wie er da jemals wieder rauskommen will, das Familiensilber hat er schon versetzt.
Brooke: Und zurzeit liegt er krank danieder, unerreichbar für seine Gläubiger, äußerst praktisch, wie gehts jetzt weiter, ihr Polizeipräsident sagte etwas von einer Stelle bei Craven, von einer Möglichkeit ins Haus zu kommen.
Inspektor: Richtig, Craven sucht für seine wissenschaftlichen Arbeiten einen Sekretär, eine Guinee pro Monat bei freier Station.
Brooke: Sehr verlockend.
Inspektor: Vielleicht kann ich ihn von den Qualitäten einer Sekretärin überzeugen.
Brooke: Tun sie das Inspektor, ich logiere im Ochsenkopf, wenn mit Craven alles klar geht, treffen wir uns morgen vormittag sagen wir um 10 und sie begleiten mich dann nach Craven Hall, einverstanden.

Inspektor: Ein gewöhnlicher Räuber wars mit Sicherheit nicht, Sandys Sparbuch und 200 Pfund in Bar lagen unberührt in seinem Schrank, also vielleicht doch ein irrer, dieses verwüstete Zimmer, das kann doch kein normaler Mensch gewesen sein.
Brooke: Aber Inspektor, immer schon offen bleiben, denken sie dran, es gibt mindestens noch 2 andere Möglichkeiten.
Inspektor: Und die wären?
Brooke: 1. der Mörder will uns täuschen, will uns glauben machen, Sandy sei von einem Wahnsinnigen erschlagen worden, 2. der Mörder hat etwas bestimmtes gesucht und wollte alle Spuren seiner Suche beseitigen.
Inspektor: Und das, verehrte Kollegin, ist Craven Hall.
Brooke: Aha, von weitem ganz hübsch, frühes 17 Jahrhundert nehm ich an.
Inspektor: Kann sein ich versteh nicht davon, die franzosischen Fenster rechts von der Tür, das ist das Arbeitszimmer von Mr. Craven.
Brooke: Und Walters Krankenlager?
Inspektor: Irgendwo im linken Seitenflügel im 2. Stock glaub ich.
Brooke: Da wir gerade von Walter reden, haben Sie sich um sein Attest gekümmert.
Inspektor: Hätte ich fast vergessen, das Attest ist von Dr. Waters in Grenfell ausgestellt worden.
Brooke: Und?
Inspektor: Dr. Waters ist zwar etwas kurzsichtig, und nicht mehr der jüngste, aber er würde nie ein Gefälligkeitsattest unterschreiben, auch nicht für die Cravens.
Brooke: Das rote Dach da über den Büschen, das gehört wohl zu Sandy Hütte.
Inspektor: Richtig, wir sind da.
Brooke: Dann liefern sie mal die neue Sekretärin ab, wir sehen uns wie besprochen um 5 in ihrem Büro.

Hales: Inspektor.
Inspektor: Tag Hales, ich bringe ihnen Mr. Cravens neue Sekretärin, Miss Brooke, er weiß Bescheid.
Hales: Miss äh bitte folgen sie mir.
Brooke: Einen Moment noch, ein Wort im Vertrauen, Inspektor.
Inspektor: Ja?
Brooke: Fragen sie ihn, ob er in der Mordnacht, als er nicht schlafen konnte, irgend ein ungewöhnliches Geräusch gehört hat, leben sie wohl Inspektor, und vielen Dank für ihre Mühe.
Inspektor: Nicht der Rede wert, Miss, ach Hales?
Hales: Sir?
Inspektor: In der Nacht, in der Sandy umgebracht wurde.
Hales: Ja Sir.
Inspektor: Haben sie da irgendetwas Ungewöhnliches gehört?
Hales: Ungewöhnlich Sir?
Inspektor: Ja ein auffälliges Geräusch, ein Geräusch das man normalerweise sonst nicht hört.
Hales: Ah ich verstehe, Sir, ich glaube nicht, Sir, falls man nicht die Tatsache, daß Kapitän geheut hat, für ungewöhnlich halten wollte.
Inspektor: Käptain?
Hales: Mr. Cravens irischer Setter, Sir.
Inspektor: Ah ja, wann war das?
Hales: Wenn ich mich recht erinnere, Sir, gegen 5 Uhr morgens, das war übrigens wenn ich das hinzufügen darf, das letzte mal, das Cäptain sich vernehmen ließ, seit dem ist er verschwunden.
Inspektor: Was sie nicht sagen.
Brooke: Der kuriosen Zwischenfall mit dem Hund in der Nacht, elementar mein lieber Inspektor.
Inspektor: Wie meinen.
Brooke: Oh nichts von Bedeutung, walten Sie ihres Amtes, Hales.
Hales: Sehr wohl, Miss, wie ich bereits bemerkte, folgen Sie mir.
Brooke: Eine schlimme Sache, der Mord an Ihrem Gärtner, Hales.
Hales: So ist es, Miss, Ihr Zimmer, Miss, ein Dichterzimmer von Miss Celia, die sich zur Zeit in Liverpool aufhält, oh, oh ich muß um Entschuldigung bitten, Miss, wie ich bemerke ist noch nicht aufgeräumt, ich werde ihnen sogleich das Mädchen schicken.
Brooke: Lassen Sie nur, Hales, das mache ich schon selbst.
Hales: Wie es Ihnen beliebt Miss, Abendessen um 7 Uhr, pünktlich, Mr. Craven wünscht Ihre Anwesenheit, bis dahin muß ich sie sich selbst überlasen.

Inspektor: Zucker, Miss Brooke?
Brooke: Danke Inspektor.
Inspektor: Nein. Keine Sahne, danke.
Brooke: Ist Celia Craven blond?
Inspektor: Was, ja ich glaub schon, warum?
Brooke: Weil ich das hier auf dem Fußboden ihres Zimmers gefunden habe.
Inspektor: Aha. Eine Haarsträhne, blond, na und?
Brooke: Diese Strähne, lieber Inspektor ist gut 40 cm lang, so was schneidet sich ein Mädchen nicht aus Spaß ab oder durch Zufall.
Inspektor: Aber ich versteh nicht. Was schließen sie daraus?
Brooke: Vorläufig noch gar nichts, dazu müßte ich erst mehr über Walter Cravens Krankheit wissen.
Inspektor: Aber was hat denn das damit zu tun, und was wollen sie dauernd mit Walter, sie sind auf der falschen Fährte, Miss Brooke, glauben sie mir, was sie tun sollten.
Brooke: Was ich tun sollte, überlassen sie bitte ganz und gar mir, Inspektor, übrigens habe ich nicht nur diese Haarsträhne gefunden.
Inspektor: So, was denn noch?
Brooke: Einen toten Hund, genauer gesagt einen irischen Setter, dem jemand den Schädel eingeschlagen hat mit einem stumpfen Gegenstand.
Inspektor: Mr. Cravens Kaptain.
Brooke: Ohne Zweifel, er lag oberflächlich vergraben unter einem Gebüsch im Park, knapp 5 Meter von Sandys Hütte entfernt, wenn ich meiner Nase trauen kann, war er schon etwa 1 Woche tot, das heißt.
Inspektor: Das heißt, daß er wahrscheinlich in der Nacht vom 7 auf 8 September totgeschlagen wurde.
Brooke: Gegen 5 Uhr als Hales sein Todesheulen hörte und da nach Dr. Johnson Aussage Henderson in eben dieser Nacht auf eben diese Weise umgebracht wurde und zwar zwischen 5 und 6.
Inspektor: Läßt sich zwischen beiden Ereignissen ein Zusammenhang vermuten.
Brooke: Sehr gut Inspektor, die Frage ist nur, was für ein Zusammenhang.
Inspektor: Ja, ja, äh das ist wie sie so richtig sagen die Frage, vielleicht hat der Hund den Mörder gestellt?
Brooke: Könnte sein, nur war Captain leider uralt, zahnlos, halb blind und so gut wie taub, ich habe mich informiert, Fakten, Inspektor, Fakten, darauf kommt es an, Regel 2 des guten Detektivs, eine Tatsache ist mehr wert als 1000 Vermutungen, und deshalb sollten wir heute mit dem spekulieren aufhören.
Inspektor: Wüßte nicht, was ich lieber täte.
Brooke: Freuen sie sich nicht zu früh, Inspektor, Fortsetzung folgt bald, allerdings wohl besser nicht hier, man könnte sich fragen, was ich ständig in Grenfell und speziell ihrem Büro zu suchen habe.
Inspektor: Daran habe ich auch schon gedacht und mir was überlegt, was halten sie davon, um die Mittagszeit kommt der Briefträger mit der Post nach Craven Hall, ein zuverlässiger Mensch, tut der Polizei gern mal einen Gefallen, wenn sie mir was mitteilen wollen, schreiben sie es auf und geben sie es ihm mit, heimlich, ich mach es genauso, noch eine Tasse Tee?
Brooke: Ja gern.

Butler: Wünschen Sie noch Gemüse, Miss?
Brooke: Danke Hales.
Craven: Essen sie nur, Miss äh.
Brooke: Brooke, Loveday Brooke.
Craven: Essen sie doch, Miss Brooke, essen sie tüchtig das stärkt die kleinen grauen Zellen, und die brauchen wir, die brauchen wir bald, wenn wir anfangen gemeinsam an meinem großen Werk zu arbeiten, sie wissen doch worum es geht, oder, habe ich sie schon gefragt, welche Sprachen sie beherrschen, das ist wichtig, Miss äh Brooke, äußerst wichtig. Je mehr desto besser, desto besser, nicht wahr.
Brooke: Ich spreche außer englisch natürlich.
Craven: Natürlich. Natürlich.
Brooke: Französisch, italienisch, deutsch, verstehe spanisch, latein, altgriechisch, ach ja und ein bißchen hebräisch.
Craven: Und, und? Das ist alles? Miss Brooke, kein Sanskrit, Miss äh, die erhabene Sprache der alten Inder, wirklich nicht, chinesisch, gotisch, isländisch, kein bißchen, kein ganz kleines bißchen.
Brooke: Leider nein, Mr. Craven.
Craven: Ein Jammer, ja was machen wir denn da, sie können abräumen, Hales.
Butler: Sehr wohl, Sir.
Craven: Das gewaltige Werk Miss äh.
Brooke: Brooke.
Craven: Ms Brooke danke, das gewaltige Werk, die Krönung meines wissenschaft-lichen Strebens und Lebens verlangt nun einmal die Kenntnis aller wichtigen Idiome der Menschheit, die Urlaute, Miss Brook, die Ursprache, ist ihnen eigentlich klar, welch gigantischer Aufgabe ich mir gestellt habe, wissen sie in welcher Sprache Adam und Eva im Paradies miteinander konversierten, sie wissen es nicht, niemand weiß es, nur ich, ich weiß es oder ich werde es sehr bald wissen, denn die Urlaute, glauben sies mir, sind nicht verschwunden, sie stecken in jeder Sprache überall, man muß sie nur finden und erkennen, und wenn ich sie gefunden und erkannt habe, dann werden sie es alle bereuen, daß sie mich ausgelacht haben, alle, die eingebildeten Professoren und Doktoren, sie werden meinen Namen mit Ehrfurcht nennen, sie werden mein Werk bewundern, und es wird Jahrhunderte überdauern.
Butler: Sir?
Craven: Jawohl die Jahrhunderte.
Butler: Sir.
Craven: Was? Was, was gibts Hales?
Butler: Vielleicht möchten sie einen Blick in die Zeitung werfen Sir, die Liverpool News von heute.
Craven: Gut gut, geben sie doch her, Hales.
Butler: Bitte Sir ich erlaube mir ihre besondere Aufmerksamkeit auf diesen Artikel hier zu lenken.
Craven: Wieso, was, achso, in den Morgenstunden des gestrigen Tages haben sich eine große Menschenmenge am Pier A, um der Abfahrt der Edinburg Castle beizuwohnen, unter den Passagieren der Jungfernfahrt nach New York.
Butler: Sir?
Craven: Ja, ja verstehe, Hales, wer ist die junge Dame hier am Tisch, sie kommt mir irgendwie bekannt vor.
Butler: Miss Brooke Sir, Ihre neue Sekretärin.
Craven: Ach, wirklich, ja richtig, ich erinnere mich. Miss Brooke.
Brooke: Ja, Mr. Craven?
Craven: Heute brauche ich sie nicht mehr, bin nicht in der rechten Stimmung zur Arbeit, aber morgen abend nach dem essen da stellen sie sich bitte in meinem Arbeitszimmer ein, bereiten sie sich geistig darauf vor, daß ich ihnen das Vorwort meines großen Werkes diktieren werde, Sie dürfen sich zurückziehen, Miss äh.
Brooke: Brooke, Mister Craven.

Brooke: Dies, lieber Inspektor, ließ mir wie sie sich denken können, hinreichend Zeit, meinen eigentlichen Pflichten in Craven Hall nachzugehen, und wenn ich auch bislang noch nicht in die Geheimnise der Urlaute eindringen konnte, so ist es mir doch gelungen, eines der Geheimnisse von Craven Hall aufzudecken, wovon ich ihnen durch den getreuen Postboten hiermit sogleich Mitteilung mache, ich meine die mysteriöse Krankheit des jungen Mr. Walter, der ich wie Sie sich erinnern werden, von Anfang an mit gewissen zweifeln gegenüberstand, es wird sie interessieren zu hören, daß meine Zweifel sich als durchaus begründet erwiesen haben, heute vormittag war ich nämlich in einem unbewachten Augenblick so glücklich das sog. Krankenzimmer im Seitenflügel in Augenschein zu nehmen obwohl ich lediglich einen kurzen Blick auf das darin aufgestellte Bett werfen konnte, die Köchin hatte ihren Posten an der Tür nur für wenige Sekunden verlassen, blieb meiner geschulten Beobachtungsgabe keine wichtige Einzelheit verborgen, im Bett lag kein junger Mann sondern ein etwa 18 jähriges Mädchen mit gelbgeschminkten Gesicht und kurzgeschnittenen blonden Haaren, die Schlußfolgerungen, welche daraus zu ziehen sind, kann ich wohl getrost ihnen überlassen, in diesem Zusammenhang noch ein Hinweis, beschaffen sie sich die Passagierliste der Edinburg Castle, die vorgestern von Liverpool nach New York abgesegelt ist, es sollte mich nicht im mindesten wundern, wenn sie darin einen bekannten Namen fänden, doch nun zu wichtigerem, ich weiß, wer Hendersen erschlagen hat, nur eine Person kommt in Frage, alle übrigen sind aus einer Vielzahl von Gründen, die auch ihnen inzwischen klar sein müßten, eliminiert, letzte Gewißheit vor allem was das Motiv betrifft, hoffe mir ich noch am heutigen Tage zu verschaffen, dabei könnte ihre Hilfe unter Umständen von einigem nutzen für mich sein, stellen sie sich daher bei Anbruch der Dunkelheit hier ein, am besten mit einer kleinen polizeilichen Heeresmacht und verbergen sie sich im Park, behalten sie vor allem die französischen Fenster des Arbeitszimmers im Auge, sobald sie dort direkt hinter den Scheiben eine grüne Lampe aufleuchten sehen ist es angezeigt, daß sie mit gewisser Dringlichkeit das Zimmer betreten, ich verlasse mich auf Sie, wenn ich auch hoffe, daß der Fall durch die Kraft des Geistes allein und ohne rohe Gewalt gelöst werden kann, Ihre ergebene Loveday Brooke.

Craven: Was machen Sie denn da?
Brooke: Oh oh, Sie haben mich erschreckt, Mr. Craven, ich bereite unsere Arbeit vor, hier, sehen sie.
Craven: Was haben Sie in meinen Privatpapieren zu suchen, Miss äh.
Brooke: Brooke.
Craven: Ich mag das nicht, man könnte fast glauben, sie seien an meinen kleinen Geheimnissen interessiert, Leute, die meine kleinen Geheimnisse kennen, mag ich nicht, lassen Sie sich das gesagt sein.
Brooke: Ja, Mr. Craven, verzeihen Sie.
Craven: Wo waren wir stehengeblieben.
Brooke: Sofort, für das Problem der Reduzierung menschlicher Sprache auf die sechs Urlaute ist die Frage nach den emotionalen Grundsituationen von entscheidender Bedeutung, daß Schmerz, Leid, Lust, Freude, Mangel und Befriedigung ihren jeweiligen sprachlichen oder doch stimmlichen Ausdruck besitzen, davon darf ausgegangen werden, wenn auch experimentelle Bestätigung, soweit hatten sie diktiert, Mr. Craven.
Craven: Experimentelle Bestätigung, experimentelle Bestätigung, das ist es, das a und o, der letzte Beweis, auch die vergleichende Philologie ist eine exakte Wissenschaft und bedarf des Experiments, aber wie vorgehen, ja wie vorgehen?
Brooke: Tierversuche, haben sie schon daran gedacht, Mr. Craven, das wäre doch meiner bescheidenen Meinung nach ein guter Anfang, die Urlaute zu bestimmen.
Craven: Was, was war das Miss, Tierversuche, äußerst interessant, Sie sagen da etwas, woran ich selbst schon oft gedacht habe, wenn wie der selige Mr. Darwin uns glaubwürdig versichert, wir Menschen von Tieren abstammen, dann läßt sich erwarten, daß die Urlaute im Tierreich gewissermaßen vorgebildet sind. Angenommen, man fügt einem Tier Schmerzen zu, einem Affen oder einem.
Brooke: Oder man töten, da man einen Affen doch wohl nur selten zur Hand hat, zum Beispiel einen Hund.
Craven: Aha, Hund, glauben sie ja nicht Miss äh.
Brooke: Brooke.
Craven: Glauben Sie ja nicht, daß Sie als erste auf diese geniale Idee gekommen sind, nein, nein, Miss Brooke, ganz und gar nicht, ich Miss Brooke, jawohl ich habe.
Brooke: Sie wollen doch damit nicht andeuten, daß sie ein solches Experiment bereits durchgeführt haben, Respekt, Mr. Craven.
Craven: Ja, ja.
Brooke: Der arme Kapitän.
Craven: Gewiß, gewiß, aber die Wissenschaft verlangt Opfer.
Brooke: Der Mond schien hell, nicht wahr Mr. Craven, und Sie waren da draußen im Park, allein mit Captain, allein mit in ihrem großen Experiment, womit haben sie ihn erschlagen, Mr. Craven, mit einem Stück Holz?
Craven: Ich bitte Sie, das wäre eine höchst unwissenschaftliche Methode gewesen Miss Brooke, nein, nein, sehr sauber, sehr ordentlich, mit meinem Hammer, meinem Geologenhammer, hier, Miss äh, keine Angst, ich hab ihn danach sorgfältig abgewaschen.
Brooke: Und wie hat Captain reagiert, waren sie zufrieden?
Craven: Ja, wie mans nimmt, wie mans nimmt, bevor er starb hat er sehr schön geheult, sehr laut, sehr urtümlich, aber ich weiß immer noch nicht, wie ich diesen Laut in Buchstaben fassen soll, die Umsetzung, Miss äh, die Umsetzungen des stimmlichen ins schriftliche, ein großes Problem.
Brooke: Der Mond schien noch immer, und sie standen an der Gärtnerhütte, den Hammer in der Hand, und da ging ganz plötzlich das Fenster auf.
Craven: Pst, niemand darf davon wissen, das ist ein Geheimnis, so, jetzt kann uns keiner belauschen.
Brooke: Lassen sie doch die Vorhänge, Mr. Craven, wer soll uns schon vom Park aus beobachten?
Craven: Wer? Aber das wissen sie doch, er natürlich, nachts schleicht er draußen herum, und er grinst, und flüstert, ich weiß bescheid, Herr, ich kenne ihr Geheimnis.
Brooke: Und damals in der Nacht stand er plötzlich am Fenster.
Craven: Ja, ja, das tat er, er beugte sich vor und sah mich an, und ich dachte, blitzschnell dachte ich daran, daß er mein Geheimnis kannte, seit vielen, vielen Jahren, und daß ich ihn dafür bezahlen mußte, immer wieder und immer mehr, und dann dachte ich auf einmal an etwas ganz anderes, an mein Experiment, und daß ist meine Forschungen weit, sehr weit voranbringen könnte, wenn ich den Todeslaut eines Menschen, kein Hund, kein Tier, ein richtiger Mensch, und dann und dann.
Brooke: Dann haben Sie zugeschlagen.
Craven: Ja, ich hab zugeschlagen und Sandy fiel um, zurück in sein Zimmer, stumm, stumm, stellen sie sich vor, kein Wort, kein Laut, gar nichts, er fiel einfach um, das war alles, ich war maßlos enttäuscht, und traurig, ja traurig, als ich im Zimmer nach meinem Geheimnis suchte und alles durcheinander brachte, damit sie am nächsten Tag etwas zu raten hatten, da mußte ich immer daran denken, daß es eigentlich umsonst gewesen war, ganz umsonst, ja aber dann fiel mir etwas ein, ich konnte das Experiment ja jederzeit wiederholen, bei günstiger Gelegenheit natürlich, verstehen sie Miss äh.
Brooke: Brooke.
Craven: Meinen sie nicht auch, daß der Todesschrei einer Frau sehr viel elementarer sein müßte, als der eines Mannes, vom Hunde ganz zu schweigen.
Brooke: Mr. Craven.
Craven: Bleiben Sie stehen, was wollen Sie mit der Lampe am Fenster, Sie sind doch Wissenschaftlerin, Miss äh.
Brooke: Brooke.
Craven: Warum sträuben Sie sich so, denken sie an mein großes Werk.
Inspektor: Hände hoch, legen Sie den Revolver weg, Mr. Craven, Williams, die Handschellen, gehen sie zur Seite, Miss, alles in Ordnung, Miss Brooke.
Brooke: Keine Sorge Inspektor, Achtung.
Wachtmeister: Wir haben ihn Sir, für sein Alter ziemlich kräftig.
Craven: Hier wäre wohl ein Urlaut tiefsten Schmerzes angebracht, wenn ich nur wüßte wie.

Inspektor: Dieses Experiment mit den Urlauten, das ist ja wohl das merkwürdigste Mordmotiv, das mir jemals untergekommen ist.
Brooke: Ziemlich kurios, sogar für eine Spezialistin aus London, Cravens zweites Motiv, oder sein erstes, wie sie wollen, ist dafür um so gewöhnlicher, schlichte Erpressung, darauf hätten Sie übrigens schon längst kommen können, Inspektor, der übertrieben hohe Lohn, den Craven Sandy zahlte, ist ein deutlicher Hinweis, dem hätten Sie nachgehen sollen.
Inspektor: So, hätte ich, aber wer konnte wir denn bei einem Mann wie Mr. Craven darauf kommen, daß er was zu verbergen hatte, da wir gerade dabei sind, was hatte er zu verbergen?
Brooke: Hier, das hab ich vor der großen Auseinandersetzung in seinem Schreibtisch gefunden, unten den Privatpapieren, Cravens Geheimnis, hier bitte sehr, sie brauchen es wahrscheinlich für die Verhandlung.
Inspektor: Eine amerikanische Heiratsurkunde: Archibal Craven, Irma Labell, New York 1866, das war's also, Bigamie.
Brooke: Ein überseeisches Abenteuer in seiner Jugendmaienblüte von dem niemand wußte nur der treue Diener Sandy Henderson, dann kam Craven zurück, wurde solide, heiratete, zeugte Kinder, lebte in ständigen Ängsten vor einem Skandal.
Inspektor: Und zahlte und zahlte, bis er sich mit einem Schlag von seinem Quälgeist befreite, die Urkunde, das war es doch sicher, was Craven in Sandys Zimmer gesucht hatte.
Brooke: Natürlich, und dabei hat er das Chaos angerichtet, das sie verwirren und auf eine falsche Fährte locken sollte.
Inspektor: Aber eigentlich haben wir doch von Anfang an recht gehabt, es war tatsächlich ein Irrer.
Brooke: Sicher Craven ist geisteskrank, kein Zweifel, aber daß sie ihn ohne meine Hilfe überführt oder auch nur verdächtig hätten, wage ich zu bestreiten.
Inspektor: Ja, wie auch immer, und jetzt muß ich ihnen noch eine dumme Frage stellen, ich hätte es gern gelassen, aber dazu bin ich ehrlich gesagt zu neugierig, wie sind sie überhaupt auf Mr. Craven gekommen und dann die Sache mit Walter.
Brooke: Langsam, langsam Inspektor, eins nach dem anderen, zunächst einmal, es gab durchaus Hinweise auf Craven, Sandys hoher Lohn zum Beispiel oder auch der Tod des Hundes, der mich auf das andere Motiv brachte, aber das entscheidende war, daß ich alle übrigen Personen die für die Tat in frage kamen, eliminiert konnte.
Inspektor: Das hatten sie mir schon vor der Festnahme geschrieben, aber ich verstehe immer noch nicht.
Brooke: Fangen wir mit Walter Craven an, der ohne es zu wollen alles getan hat, um unsere Arbeit zu erschweren und das nur weil er sich gerade am 7. September gedrängt fühlte, Craven Hall, England und vor allem seine Gläubiger für immer zu verlassen, damit letztere Herrschaften dabei nicht störend eingriffen, führte die Familie unterstützt von der Dienerschaft eine kleine Komödie auf, in Frauenkleidern und verschleiert, reiste der verlorene Sohn nach Liverpool, während seine Schwester sich die Haare abschnitt, das Gesicht gelb anmalte und den halbblinden Dr. Walters zu sich bestellte, der dann auch nichts ahnend, dem angeblichen Walter Cravan eine Gelbsucht bescheinigte, ich vermute, daß sie sich sehr ähnlich sehen.
Inspektor: Celia und Walter, aber ja, fast wie Zwillinge.
Brooke: Nach der glücklichen Ankunft Walters in Amerika hätte Celia vermutlich ihre Rolle aufgegeben.
Inspektor: Woher wußten Sie übrigens, daß Walter auf der Edinburg Castle zu finden war?
Brooke: Um ehrlich zu sein, das war eher ein Zufall, ein paar Bemerkungen, zwischen Craven Senior und Hales, die nicht für mich bestimmt waren, damit hatte Walter ein Alibi, als Sandy umgebracht wurde, war er in Liverpool, gut 50 Meilen von Craven Hall im Hotel, das haben Sie doch überprüft.
Inspektor: Ja das Alibi steht, Walter war also aus dem Rennen und Celia.
Brooke: Celia auch, aus dem einfachen Grunde, daß sie für den tödlichen Hieb zu schwach war, dasselbe trifft auf Köchin und Zimmermädchen zu.
Inspektor: Blieb nur noch Mr. Craven Senior und Hales.
Brooke: Hales kam von Anfang an nicht in Frage, ein korrekter Butler wie er, der seinen Beruf ernst nimmt, wäre absolut außerstande gewesen Sandys Zimmer in einer derartigen Unordnung zu hinterlassen, ist eine psychologische Unmöglichkeit.
Inspektor: So Fakten, Miss Brooke, Fakten, ein guter Detektiv.
Brooke: Geht mit der Zeit, irgendwann einmal wird es sich hoffentlich bis zur Polizei von Grenfell herumsprechen, daß es sich bei der Psychologie um eine durchaus ernstzunehmende Wissenschaft handelt, schon mal was von Lombroso gehört, Inspektor?
Inspektor: Apropos Hales, er hat doch ausgesagt, daß niemand, also auch nicht Mr. Craven, in der bewußten Nacht Craven Hall verlassen haben kann.
Brooke: Durch die Tür, Inspektor, wohlgemerkt, durch die Tür, und das trifft auch zu, aber es gibt auch noch eine andere Möglichkeit, die großen französischen Fenster im Arbeitszimmer, die bis auf den Fußboden gehen, leicht zu öffnen, leicht zu schließen, wenn man nicht wie es sie es vorzieht, direkt durch die Scheiben zu spazieren.
Schaffner: Grenfell, der Schottland Express von Glasgow über...
Inspektor: Soll ich ihnen nicht Ihre Taschen.
Brooke: Danke, danke Inspektor das kann ich selbst, alles klar Inspektor, oder haben Sie noch Fragen?
Inspektor: Keine Fragen mehr, aber gratulieren sollte ich ihnen wohl noch zu ihrem Erfolg.
Brooke: Aber Inspektor, ich bin gerührt.
Inspektor: Der allerdings fast ein bißchen zu schlagend ausgefallen wäre, wenn wir gestern abend nur 5 Sekunden später gekommen wären, gäbe es heute keine Spezialistin aus London mehr, zu meinem Leidwesen, muß ich sagen.
Schaffner: Einsteigen, Türen schließen, Abfahrt.
Brooke: Wenn sie 5 Sekunden später gekommen wären, Inspektor hätte ich Gelegenheit gehabt, ihnen etwas vorzuführen, was sie vermutlich noch nicht kennen, einen fernöstlichen Verteidigungsport namens Jiu-Jitsu, aber trotzdem vielen Dank.
Inspektor: Jiu was, gute Fahrt Kollegin.
Brooke: Danke und wenn sie wieder mal einen Fall haben, der ihnen Schwierigkeiten macht, schicken Sie mir einfach ein Telegramm: Loveday Brooke, London, Scotland Yard, das genügt.

Uta Hallant: (Miss) Loveday Brooke
Peter Schiff: Inspektor Griffin
Friedrich W. Bauschulte: Richter
Henning Schlüter: Craven Sr.
Erich Fiedler: Sein Butler John Hales
Herbert von Boxberger
u.a.

Hörspielfan

29. Juni 2025

Michael Koser: Ping Pong zur Ming-Zeit (RIAS 1977) (Erotische Erzählung aus dem alten China)

Kennen Sie Kung Fu? Kennen Sie Mao Tse Tung? Aber kennen Sie auch Ming Ping Pong?
Ming Ping Pong ist kurz gesagt nichts anderes als eine Abkürzung bzw. Kurzfassung des Titels dieser unserer Sendung, welcher in voller Länge lautet wie folgt:
Ping-Pong zur Ming-Zeit - Erotische Erzählungen aus dem alten China
Das Manuskript schrieb Michael Koser

Aber was, werden Sie nun fragen ist Ping Pong zur Mingzeit. Eigentlich um ganz ehrlich zu sein, nur der etwas reißerische Titel für eine Sendung über einen wichtigen Abschnitt der chinesischen Literaturgeschichte, mit Körperkultur oder gar Leistungssport hat unser Thema höchstens im übertragenen Sinne zu tun... Steht und fällt mit dem Text, dem Wort.

Fönis war die Tochter des Tsam Jü, aus Dung Ping in der Provinz Schanto, als sie noch ein Kind war, mischten ihre Eltern immer wohlriechende Substanzen in ihre Speisen und Getränke, so daß spätel, als sie herangewachsen war, ihr ganzer Leib duftete, und man ihr den Beinamen Palfüm gab.

Nun ja, und so weiter, die beste und interessanteste Lösung für eine Sendung über erotische Erzählungen aus dem alten China ist immer noch, da werden Sie uns zustimmen, das schlichte erzählen, daran wollen wir uns halten, aber bevor wir beginnen Ihnen die erste Geschichte zu erzählen, können wir nicht umhin in aller gebotenen Kürze etwas über China, die Ming-Zeit und chinesische Geschichten im allgemeinen zu sagen.

Die Ming Zeit, das heißt die Epoche in der die kaiserliche Ming Dynastie das Reich der Mitte beherrschte, dauerte nach unserer Zeitrechnung von 1368 bis 1644, sie war nach der unruhigen Ära der Mongolenherrschaft eine verhältnismäßig friedliche Epoche der chinesischen Geschichte.

Friede und Freude in China und in der Welt, unser Reich wird ewig sein wie die Sonne.

In der chinesischen Literaturgeschichte ist die Mingzeit die Periode des Realismus, in ihr entstanden die ersten großen Romane, beide Gattungen, Geschichte und Roman galten wenig in der literarischen Wertskala ihrer Zeit, wurden zum niederen Schrifttum gezählt, im Gegensatz zu Lyrik und Essay, daher schmückten sich die Erzählungen häufig mit eingestreuten Betrachtungen und vor allem mit Gedichten.

Der Rauch des Beckens löst sich schon auf, tief liegen die Schatten der Lampe, der Wandschirm hinter dem Bett bewegt sich, und auch der beschwerte Vorhang. Liebeslust ist vergleichbar mit Fischen, die sich im Wasser tummeln, nach Westen sich wendend kaum daß sie nach Osten geschwommen.

Im alten China gab es zwei Arten von Erzählungen, Novellen in der Schriftsprache, die nur wenige gebildete beherrschten, und Geschichten in der Umgangsprache des Volkes, sprachlich formal unterscheiden sie sich stark voneinander, wie etwa die lateinische Hochliteratur des späten Mittelalters von den Literaturen in den jeweiligen Volkssprachen, was den Inhalt betrifft sind sie gleich, sie erzählen von Mandarinen, von Räubern und Geistern, von Mönchen und da auch im alten China die Liebe als wichtiger Bestandteil des Lebens galt, von edlen und weniger edlen liebenden.

Das sei uns Stichwort für unsere erste Geschichte, sie stammt aus der Sammlung San Yan, das heißt drei Gespräche des Autors Feng Menglong, und wurde übersetzt von Kartar Fung, bei dieser Gelegenheit machen wir eine dankbare Verbeugung auch vor den anderen Übersetzern, ohne deren Mühe die Sendung nicht zustande gekommen wäre, Johanna Herzfeld, Wolfgang Bauer und Herbert Frank, und jetzt fangen wir an zu erzählen.

Brave Männer und ihre Gattinnen tun alles für die Nachkommenschaft, vergnügt und hilfsbereit meditieren Mönche in verschlossenen Zellen, wir wissen alle, daß geben seliger macht den nehmen, wo aber steht geschrieben daß nicht auch nehmen zum Glück beitragen kann, danach handeln wohl viele Mönche dieser Welt, vielleicht sogar die meisten, ein Kloster allerdings, der Tempel zum edlen Lotus, schien darin eine Ausnahme zu sein, deshalb hatte das Kloster großen Zuspruch und wohl auch deshalb, weil sich in ihm eine Halle befand, die man die Kindersegenhalle nannte, Guanyin, die Göttin der Barmherzigkeit, hatte dort ihre Residenz und zu ihr kamen aus den fernsten Provinzen die Frauen, denen Kindersegen versagt geblieben war, Guanyin war eine wahrhaft barmherzige Göttin, denn keine der Frauen ging ungetröstet nach Hause, haha, neun Monate nach dem Gebet hatte ihr Segen das Wunder vollbracht und kräftige Kinder krähten in den Wiegen, hehe, wie schnell machen doch solche Geschichten die Runde im Lande, eines Tages hörte auch der Statthalter Wan Dan von den Wundern Guanyins, und da er ein äußerst besonnener, mithin aber auch skeptischer Mann war, wollte er alles recht genau wissen.

Am besten ist's wenn ich selbst einmal den Tempel besuche.

Gedacht getan, der Statthalter, vom Vater Abt mit allen gebührenden Ehren empfangen, inspizierte das Kloster aufs sorgfältigste, ohne jedoch etwas Ungewöhnliches oder gar Ungehöriges zu entdecken, so kehrte er zurück und dachte nach.

Kann denn eigentlich eine hölzerne Gottheit derartige Dinge vollbringen,

frage er sich und es bedurfte nicht allzulangen Nachdenkens, um sich darüber klarzuwerden, daß hier irgendeine Teufelei mit im Spiel zu sein schien, er gab den Auftrag, zwei der schönsten Blumenmädchen herbei zurufen.

Geht ins Kloster zum edlen Lotus, sobald die Zeit gekommen ist, da ihr in der Zelle schlafen sollt, wird jede von euch ein Gefäß mit Tinte unter dem Gewand verbergen, die eine wird rote, die andere schwarze Tinte mit sich führen, sobald sich euch eine Gottheit oder etwas dergleichen nähern sollte, beschmiert ihr unbemerkt den Kopf mit der Farbe.

Die Mädchen taten wie ihnen befohlen war, als eines der beiden, namens Yuan Mei des Nachts in der ihr zugewiesenen festverschlossenen Zelle lag, geschah folgendes: Plötzlich bewegte sich eine Platte des Fußbodens und wurde langsam weggeschoben, Yuan Meis Augen weiteten sich, als sie den kahlgeschoren Kopf eines Mönchs sah, der sich Stück um Stück nach oben schob.

Da schau, das ist also das große Tempelgeheimnis.

Bald darauf drängte sich ein nackter Männerleib an den ihren, auch fühlte sie eine erfahrene Hand an ihren Brüsten.

Ich bin ein Jünger Buddhas und von Guanyin zu euch gesandt,

sprach der Mönch und machte sich emsig ans Werk, trotz aller Wonne versäumt es Yuan Mai jedoch nicht, aus ihrer Tintenschale Farbe zu nehmen, mit der ihre liebkosenden Hände den kahlen Schädel fleißig einrieben, der Wonnespender war so tief beschäftigt, daß er nichts gewahr wurde, als er zum Ende gekommen war, machte er einem zweiten Mönch Platz, welcher die fromme Arbeit mit frischen Kräften fortsetze, zur gleichen Zeit erging es Lin Wan, dem zweiten Blumenmädchen ganz ähnlich, auch ihr erschienen zwei Wonnemönche, um Guanyins Segen weiter zu geben und um mit Tinte gezeichnet zu werden, zärtlich nahm der zweite Abschied.

Mache ich euch glücklich, ihr seht daß ich nicht so heftig bin wie der andere, ich bin ganz auf euer Empfinden eingestellt.

Am frühen Morgen erschien überraschend der Statthalter mit hundert bewaffneten Bütteln im Kloster und befahl dem Abt: Bringt mir die Namensliste euer Brüder, ehrwürdiger Meister.

Dann ließ er nach der Liste alle Mönche vor sich rufen und als sie erschienen waren, gebot er ihnen die Kappen abzunehmen, niemand wagte sich der Aufforderung zu widersetzen und so entblößten sich alle Häupter, da konnte man plötzlich zwei feuerrote Schädel in der Sonne leuchten sehen und nicht weniger deutlich hoben sich zwei weitere ab, die pechschwarz gefärbt waren.

Faßt die vier und legt sie in Ketten, sagt mir Halunken, warum ihr so farbige Schädel habt, wer hat sie euch bemalt.

Als er keine Antwort erhielt, ließ der Statthalter die Blumenmädchen vortreten, sie berichteten und die vier entdeckten Farbköpfe machten unermüdlich Kotau und erflehten die Gnade des Statthalters, der aber geriet in unbändigen Zorn, nannte sie vor Geilheit stinkende Hunde und räudige Wasserbüffel, dann sprach er zum Abt:

Ihr seid ein sehr kluger Mann, aber doch nicht so klug, daß ihr euch nicht hättet erwischen lassen, aus eurem Kloster habt ihr ein Freudenhaus gemacht und ehrbare Frauen habt ihr in den Schmutz gezogen.

Was nun folgte, kann man sich leicht ausmalen, der Abt mußte im Gefängnis schmachten, ihm wurde der Prozeß gemacht und er bereute bitter seine Leichtfertigkeit, schon lange bevor er dem Henker übergeben wurde, nur zwei kindliche Novizen, deren Unschuld allein schon durch ihre Jugend erwiesen war, blieben ungeschoren, verschont blieb auch der uralte zahnlose Weihrauchdiener, dem zu seinem Glück keine Frau mehr etwas anhaben konnte.

Das war unsere erste chinesische Geschichte, die so dürfen wir wohl annehmen, Ihnen weniger exotisch als vielmehr trotz der Göttin Guanyin merkwürdig vertraut erschien, von lüsternen Mönchen wimmelt es schließlich auch in der Novellenliteratur des Abendlandes, bei Boccaccio und seinen Nachahmern, bei der Königin Margarete von Navarra, bei Balzac, und da wir gerade bei diesem Thema sind, auch sonst bieten die Erzählungen aus dem alten China eine Fülle auch hier bekannter Typen und Gestalten, wovon Sie sich im weitern durch Stichproben überzeugen wollen, da ist etwa der edle Räuber:

Der Mandarin von Wuhim hat haufenweise Gold und Juwelen in seinem Amtssitz aufgestapelt, und all diesen Reichtum hat er auf unredliche Weise zusammen gebracht, erleichtere ihn doch mal um einen Teil seiner Besitztümer und verteile den unter die Armen.

Die lustige Witwe:

Das Schicksal hat uns zusammengeführt, er war Liebe auf den ersten Blick, du weißt ich bin Witwe, ich bin wieder frei, willst du dein Leben fürderhin mit mir teilen, dann geh zur Heiratsvermittlerin, wegen deiner Armut brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Geld habe ich selbst genug.

Die jungen unerfahren Liebenden:

Erst küßten sie sich zaghaft, doch wurden sie immer kühner, als sie merkten wie leicht es ist und gleichzeitig wie wunderbar die Zungen zu tauschen, aber so groß beider Sehnsucht auch war, sie wußten anfangs nicht, was nun weiter geschehen sollte, doch auch bei völliger Unberührtheit bricht die Liebe sich Bahn und so kam es wie es kommen mußte, beide fanden ohne fremde Hilfe zu einander.

Außerdem gibt es natürlich auch erfahrene Liebhaber, edle Helden, schöne Mädchen, finstere Bösewichte, im fernen Osten wie im nahen Westen, also sind, werden Sie fragen, die Chinesen gar nicht so ungeheuer anders wie es die Volksmeinung wahrhaben will, zumindest soweit es ihre Novellen betrifft, gewiß, einerseits, andererseits aber enthalten auch die erotischen Geschichten aus der Mingzeit hinreichend unbekanntes, verblüffendes, kurioses, eben typisch chinesisches.

Bei der umfassenden Darstellung der chinesischen Gesellschaft in den Novellen war die Erotik nur ein, allerdings, wichtiges Moment, Autoren und Leser waren nicht prüde, pornografisch interessiert waren sie allerdings auch nicht.

Was erscheint nun in den Geschichten der Mingzeit dem fremden Teufel, wie man im alten China den Barbaren aus dem Westen nannte, als eigentümlich chinesisch, da ist wohl an erster Stelle die große Bedeutung die literarisch geistiger Bildung zugemessen wird, Helden und Heldinnen der Novellen sind zwar auch schön und edel, vor allem aber klug und gebildet.

Ich habe das Studium der Konfuzianer zu meiner Beschäftigung erkoren und mich der Literatur verschrieben, alle vier Klassen des Schrifttums, kanonische Bücher Geschichtswerke, Philosophen und die schöne Literatur, habe ich von vorn bis hinten durchgeackert.

Eisvogel war die Tochter eines Bürgers aus Juanan, namens Liu, sie war schon früh von großer Klugheit und konnte das klassische Buch der Lieder und das Buch der Urkunden auswendig.

Sehr chinesisch ist auch die formalistische Höflichkeit, von der sich nicht einmal Grabräuber freimachen können.

Bevor er den Sarg öffnete, klopfte er daran und sprach:

Mein liebes Fräulein, entschuldigt bitte, was ich jetzt tun werde, ich nehme mir all eure Haare, denn ich kann sie bestimmt besser gebrauchen als ihr, macht mir also bitte keine Schwierigkeiten.

Fremd ist uns auch die reizvolle, leider kaum zu imitierende Lösung des alten Problems vom Mann zwischen zwei Frauen:

Beide Mädchen sagten: zwar sind wir nur geringe Personen, aber es tat uns dennoch immer wieder weh, daß wir die Zeit, ob Herbstmond oder Frühlingsblüte, nutzlos vergeudet haben und daß wir nicht dazu kamen die liebende Neigung zu befestigen, wir möchten mit euch das eheliche Lager teilen und auf ewig euch zu treuen Diensten sein, wenn ihr unserer Bitte folgt, werden wir beide euch heiraten.

Und sie lebten fortan, wie wir doch hoffen wollen, zu dritt glückselig beisammen, noch unvertrauter als offizielle problemlose Vielweiberei ist eine besondere Art chinesischer Geister die es gewaltig nach irdischer Liebe verlangt, darum geht es in der zweiten Geschichte, die wir in größerer Ausführlichkeit erzählen wollen, sie heißt Sjä-dau, die schöne Kurtisane.

Während der Regierungszeit des Mingkaisers Hongwu lebte in der Stadt Kanton ein junger Mann namens Jen, der Meni gerufen wurde, sein Vater Jenbeilu wurde als Inspektor des Schulwesens in die Stadt Fengdu versetzt und nahm seine Familie mit, Meni war ein schlanker junger Mann, immer guter Laune und seinen Altersgenossen in allen Dingen überlegen, er verstand ebenso schön zu schreiben wie zu malen, und spielte Gitarre und Schach gleich ausgezeichnet, bei all diesen Vorzügen war es nicht verwunderlich, daß der reiche Herr Tschang, der auf dem Lande lebte, ihn als Hauslehrer einstellte. Eines Tages wollte Meni seine Eltern besuchen, auf seiner Wanderung zur Stadt gelangte er zu einem Hain von Pfirsichbäumen die in voller Blüte standen, als er hielt um den Anblick zu genießen wurde er gewahr, daß sich zwischen den Zweigen eine schöne junge Dame zu verbergen trachtete, am nächsten Tag ging Meni absichtlich den gleichen Weg und diesmal ließ die Dame ihn in ihr Haus bitten.

Verbringt den Abend bei mir junger Herr.

Erlaubt mir nach eurem geehrten Familienamen zu fragen.

Der Name meiner unbedeutenden Familie ist Ping, mein Gatte, Herr Ping, ist leider kurze Zeit nach unserer Hochzeit gestorben und ich habe mich als Witwe in dieses Landhaus zurück gezogen, durch diese Heirat bin ich übrigens verwandt mit eurem hochgeschätzten Gönner Tschang.

Es entwickelte sich eine geistreiche Unterhaltung und, ohne daß sie es gewahr geworden, war die zehnte Abendstunde herangekommen, die schöne Dame geleitete Meni in ihr Schlafzimmer und sagte:

Schon seit langer Zeit lebe ich in diesem Haus in völliger Einsamkeit, nun hab ich heute Abend eure Höflichkeit und Liebenswürdigkeit kennengelernt, und ich kann mir nicht versagen, euch ein wenig meine Liebe zu zeigen, darum schlage ich euch vor, mir heute Nacht Gesellschaft zu leisten.

Das ist mein sehnlichster Wunsch, aber ich hätte niemals gewagt euch darum anzugehen.

Darauf entkleideten sie sich und gingen gemeinsam zu Bett, sie waren glücklich wie zwei im Wasser spielende Fische und vergaßen über ihrer Liebe die Welt um sich herum. Am nächsten Morgen beschenkte die schöne Dame Meni mit einem kostbaren Briefbeschwerer aus Jade, geleitete ihn zur Tür und sagte:

Wenn ihr nichts Besseres vorhabt, so kommt heute abend wieder. nehmt euch kein Beispiel an herzlosen und unzuverlässigen Menschen.

Einer solchen Ermahnung bedarf es bei mir nicht.

Sechs Monate vergingen ohne daß die Liebenden merkten wie die Zeit dahinfloß, sie betrachteten die Blumen und schauten zum Mond auf, sie sangen und schlürften Wein und versagten sich keinerlei menschliche Freude, aber das Unglück will es, daß das gute niemals von Dauer ist, so mußte auch für diese beiden liebenden das Ende ihres Glücks heran kommen, sein Vater und Herr Tschang entdecken zufällig, daß Meni seine Nächte weder im Elternhaus auf noch auf Tschangs Gut verbrachte, sie nahmen ihn streng ins Gebet, Meni sah ein daß es keinen Ausweg für ihn gab und berichtet von seiner Bekanntschaft mit der schönen Dame aus der Familie Ping, die eine Verwandte des Herrn Tschang sei, dieser sagte erstaunt:

Aber ich habe in dieser Gegend überhaupt keine Verwandten, und kein Zweig meiner Familie führt den Namen Ping, hinter deinem Erlebnis steckt sicher ein Spuk, ich rate dir dringend, vorsichtig zu sein und unter keinen Umständen noch einmal dieses Landhaus aufzusuchen.

Meni glaubte ihm nicht und besuchte am Abend, wie er es gewohnt war, seine schöne Geliebte, sie leerten einige Schälchen Wein miteinander und in der Nacht gaben sie sich ihrer Liebe hin, aber als der Morgen heraufdämmerte begann sie bitterlich zu weinen und sagte:

Wir werden auf immer getrennt werden.

Unter heißen Tränen nahmen sie voneinander Abschied, als Mengis Vater feststellte, daß sein Sohn wieder in jenem Haus übernachtet hatte, wurde er zornig und sagte zu Herrn Tschang:

Ich will mich von meinem zuchtlosen Sohn geführt selbst an jenen Ort bemühen und nachforschen.

Sie gingen zu dritt aus der Stadt und schlugen den Weg zum Pfirsichhain ein, als sie dort anlangten, reckten sie alle überrascht den Hals, rundum sahen sie nur glitzerndes Wasser und bewaldete Hügel, nichts weiter, vor ihnen ragte ein Dickicht mit Pfirsichbäumen auf, im Untergehölz schimmerte ein einfaches Grabdenkmal, das Haus war verschwunden, Herr Tschang schüttelte nachdenklich den Kopf.

Es wird erzählt, daß sich an dieser Stelle das Grab einer Kurtisane aus der Tang-Epoche befindet, Sedau war ihr Name, in einer späteren Generation erinnerten sich die Menschen der Worte des Dichters Jinku, zarte Pfirsichblüten bedecken Jaus Grab, und sie pflanzten an dieser Stelle mehrere hundert Pfirsichbäume an, damit sie zur Blütezeit darunter Lustwandeln konnte, die schöne Dame, der euer geschätzter Sohn begegnet ist, ist zweifellos Sedau gewesen, sie ist schon Jahrhunderte lang tot, aber ihr Geist ist anscheinend der gleiche geblieben, es ist ratsam, dieser Sache nicht weiter nachzugehen.

Meni studierte weiter und bestand auch die höchste Prüfung, mit der er den Grad eines Tshinshi, eines Doktor erwarb, er wurde nicht müde sein abenteuerliches Erlebnis zu erzählen, aber wie oft er auch an die schöne Geliebte dachte, er hat sie nicht wiedergesehen.

Die Geschichte, erotisch, aber eher elegisch als heiter, ist vorbei und auch mit unserer Sendung geht es dem Ende zu. Und am Himmel schwebt die Krähe, huscht der Hase dahin, auf Erden erscheinen die Menschen von heute, verschwinden die von gestern, wo einstmal Freude herrschte, ragt jetzt ein öder Hügel, in einem Augenblick wird Recht zu Unrecht, Sieg zur Niederlage, lerne jenseits von Lärm und Hast der Welt Ruhe zu finden.

Und jetzt wissen Sie, was Ping-Pong zur Ming-Zeit ist. Das wars. Ping Pong zur Ming-Zeit. Erotische Erzählungen aus dem alten China. Das Manuskript schrieb Michael Koser. Es sprachen: Almut Eggert, Rolf Marnitz, Klaus Nägelen, Henning Schlüter und Peer Schmidt. Aufnahmeleitung: Ingeborg Karn. Schnitt: Manfred Rabbel. Ton: Klaus Krüger. Regie: Dietrich Auerbach. RIAS Berlin 1977.

Hörspielfan

29. Juni 2025

Michael Koser: Dies Blutbild ist bezaubernd schön (RIAS 1973) (Ein Vampir-Hörspiel)

Broker: Amsterdam, 17. Mai, 6 Uhr 15, in einer halben Stunde wird Prof. Vandenburg bei mir erscheinen, der international angesehene Experte auf dem Gebiet der okkulten Wissenschaften, er hat versprochen, mir meinen ersten Vampir vorzuführen, ich bin gespannt.
Prof.V: Wir sind da, Vorsicht, das ist der Sarkophag, fassen Sie mit an, der Deckel ist schwer, Sie haben doch das Kruzifix bei sich und den Knoblauch.
Broker: Natürlich. Im Sarg liegt ein älterer Mann, er wirkt entspannt, ruhig, als ob er schläft, ich habe das Gefühl, daß er mich durch die Wimpern hindurch beobachtet, seine Gesichtsfarbe ist ich würde sagen ausgesprochen gesund, die Lippen nein das ist geronnenes Blut in den Mundwinkeln, und dann zwei dunkle Linien bis zum Kinn.
Prof.V: Man muß nur daran glauben, wenn Sie den Pfahl festhalten würden, ginge es leichter, festhalten, er bäumt sich auf.
Broker: Blut spritzt auf, und jetzt, er zerfällt, er verwest vor meinen Augen, das Fleisch wird grün, löst sich von den Knochen, verschwindet, wird zu Stein.
Prof.V: So das wäre geschafft, Sie sind bleich, Mister Broker.
Broker: Das ist der Mond, ziemlich theatralisch das ganze, finden Sie nicht.

Varney: Das ist alles?
Carter: Ja, Mr. Varney, wenn Brokers Angaben stimmen, ist das Tonband vor einem guten Monat in Amsterdam aufgenommen worden.
Varney: Wann haben Sie es nach London bekommen?
Carter: Gestern von der Direktion des Hotels in dem Broker gewohnt hat, anscheinend hat er es in seinem Zimmer vergessen, als er abreiste.
Varney: Wann?
Carter: Am 18. Mai.
Varney: Wohin?
Carter: Unbekannt, wir haben seitdem nichts von ihm gehört, das ist ungewöhnlich, bei früheren Gelegenheiten hat uns Broker alle paar Tage informiert, ich mache mir Sorgen, Broker ist mein Autor.
Varney: Sie wollen ihn suchen?
Carter: Ja, wenn es Ihnen recht ist, werde ich nach Amsterdam fliegen, dieser Professor Vandenburg sollte aufzutreiben sein und kann mir vielleicht weiterhelfen.

Stewardeß: Madame, wir heißen sie an Bord herzlich willkommen... Amsterdam... Coffee or tea...
Prof.V: Das von den meisten Autoritäten empfohlene Mittel gegen Vampire ist natürlich der Essen-Pfahl, und ich habe nie etwas anderes benutzt.
Carter: Gewiß, um auf Broker zurückzukommen, Professor.
Prof.V: Oh ja natürlich, verzeihen Sie, Mr. Carter, wenn ich über meine Arbeit spreche vergesse ich alles anderes, Sie sind kein Adept.
Carter: Nein, wie ich schon sagte, ich bin ein Lektor, der seinen Autor sucht.
Prof.V: Ja, was Mr. Broker betrifft, ich hatte eigentlich erwartet, daß er nach unseren Erlebnissen in der Gruft seine Nachforschungen aufgeben würde, aber er war bei weitem nicht so beeindruckt wie wir, ich vermutet hatte, er wollte unbedingt am Ball bleiben, so sagen sie ja wohl.
Carter: Sie wissen, daß er einen Tag später abgereist ist.
Prof.V: Aber natürlich, mein Freund.
Carter: Wohin?
Prof.V: Daß Sie hartnäckig sind, wie unser Freund Broker, habe ich schon gehört.
Carter: Von wem?
Prof.V: Ist nicht von Bedeutung.
Carter: Sie wollen meine Fragen nicht beantworten.
Prof.V: Mr. Carter, ich weiß nicht, ob ich ihnen antworten darf, immerhin geht es hier um Geheimnisse, die nur für wenige bestimmt sind, die man nicht an den Straßenecken ausrufen kann, ich mache Ihnen einen Vorschlag, gehen Sie in Ihr Hotel zurück, warten Sie, es wird sich jemand mit Ihnen in Verbindung setzen, Sie werden neue Informationen erhalten, und können dann entscheiden, ob Sie Ihre Suche fortsetzen wollen, aber wenn Sie mir erlauben, Ihnen einen guten Rat zu geben, fliegen Sie nach London zurück, wir haben hier ein Sprichwort das sagt, wer sich in Gefahr begibt kommt darin um, übrigens, Sie haben doch ein Tonbandgerät in Ihrem Gepäck.

Frau: Dieses Tonband ist für Sie abgegeben worden von einer jungen Dame.
Carter: Hat sie ihren Namen hinterlassen?
Frau: Nein.
Carter: Danke.
Broker: Paris, 19. Mai, 23 Uhr, die zweite Etappe meiner Nachforschungen beginnt, ich werde an der Feier der geheimnisvollen schwarzen Messe teilnehmen und den berüchtigten AB Karl Melk kennenlernen, den Prof. Vandenburg für das Oberhaupt der Vampire in Frankreich hält, ich stehe vor dem alten Haus in der Avenue Huysmans, in dem Satanisten und Vampire ihre finsteren Rituale zelebrieren.
Mann: Losungswort?
Broker: Die Stunde der bleichen Eitergewässer ist gekommen.
Guru: Meister aller Untoten, der du austeilst die Wohltaten des Verbrechens, Verwalter der Sünden und Laster, Satan, wir beten dich an und erflehen für uns Ruhm, Reichtum und Macht.
Frau: Satan.
Broker: Der Raum, in dem ich mich befinde, ist voller Menschen, etwa 50 Personen, schätze ich, meist ältere Frauen, gut genährt, gut gekleidet, sie starren in Verzückung auf den schwarzen Altar, auf die Statue des Teufels mit den blutigen Reißzähnen, auf den häßlichen alten Mann, in blutroter Robe, der mit obszönen Gesten seine Litanei herunterbetet.
Guru: Meister Satan Dracula, großer Drache, deine treuen Diener flehen dich auf den Knien an, hilf uns bei Missetaten, auf daß menschliche Vernunft sie nicht ergründe.
Frau: Meister.
Broker: Qualmende Räuchergefäße auf dem Altar, trotzdem riecht es hier vor allem nach sehr menschlichem Schweiß, meine Augen tränen, der Gestank ist kaum zum aushalten.
Guru: Verbrennt Raute, Blätter von Bilsenkraut und Stechapfel, trocknet Myrrhe, das sind Gerüche angenehm Satan unserem Herrn und nun vermischt euch zur Ehre unseres Meisters.
Frau: Ah.
Broker: Jetzt scheinen die Gläubigen in eine Art Trance zu geraten, sie bewegen sich rhythmisch, sie fangen an, sich die Kleider vom Leib zu reißen, sie fallen übereinander her, komisch, Gruppensex, eine gutbürgerliche Massenorgie, ich hatte mir eigentlich etwas anders vorgestellt, etwas gefährlicheres, größeres als nur Ersatzbefriedigung zu kurzgekommener Muttchen, das war mir ein bißchen zu tief unten, hoffentlich bringt die nächste Spur mehr ein, Carmelia hat ein äußerst interessantes Treffen für mich arrangiert.

Stewardeß: International Airlines bitten alle Passagiere für Flug Nr. 333 nach Paris zum Ausgang B, ihre Maschine ist startbereit, Madame und Monsieur... O Champs Elysees. Kaffee, Tee?
Carter: Ich war in Paris, ich saß in meinem Hotelzimmer und dachte darüber nach, wie ich das alte Haus in der Avenue Huysmans finden könnte, allerdings gab ich mir keine große Mühe, einen Plan auszuarbeiten, wahrscheinlich rechnete ich damit, daß ich wie in Amsterdam ohne mein zutun einen neuen Hinweis bekommen würde, außerdem hatte ich noch ein zusätzliches Problem, wer war Carmelia?
Carter: Hallo?
Carmelia: Gehen Sie zum Hauptpostamt zur Abteilung für postlagernde Sendungen, Sie werden ein Päckchen finden, das auf Ihren Namen aufgeben wurde.
Carter: Mit einem Tonband?
Carmelia: Ja, wenn Sie es abgehört haben werden Sie wissen was Sie zu tun haben.
Carter: Wer sind Sie?
Carmelia: Ich heiße Carmelia.
Carter: Können wir uns treffen?

Broker: Paris 20. Mai 3 Uhr 45 morgens, im heißen Samowar, einem Lokal, das als Treffpunkt osteuropäischer Emigranten gilt, warte ich auf meine nächste Kontaktperson, es ist niemand anders als Graf Dracul aus dem berühmten Geschlecht der transsylvanischen Draculas.
Graf: Hört, in 15. Jahrhundert lebt der Dracul, töten tat er tausend Türken, 1000 Ungarn und Rumänen, Herr war er der Walachei, schön?
Broker: Sehr schön.
Kellner: Was darf ich bringen?
Graf: Sie haben, wie sagt man, Spesen, Mr. Broker?
Broker: Nur zu, bestellen Sie, was sie wollen.
Graf: Gut, ich will haben eine Bloody Mary, rot und warm.
Broker: Pink Gin.
Graf: Aha, sie kommen auf Geschmack, bißchen rosa ja, hören sie, Lieblingsstrophe von Heldenlied, seine langen spitzen Zähne schlug er in den Hals der Mädchen, schlürfte Blut aus ihren Adern, bis sie bleich darniedersanken, Furcht ergriff das ganze Land, ah, waren schöne Zeiten damals in Transsylvanien, Land meiner Väter.
Broker: Sicher, und heute?
Graf: Sakrada, heute Volksrepublik Transsylvanien hat weggenommen alle Länder, Schloß und Güter, leibeigene Bauern, ich bin vertrieben von Scholle, heimatlos in Fremde, sehr traurig, Mister Broker.
Broker: Aber ihre nächtlichen Aktivitäten, ich meine, sie sind hier und heute noch als Vampir tätig, wie damals?
Graf: Ach Mr. Broker, kein Geld, keine Leibeigenen, die stillhalten, keine Zähne, zu alt, alles vorbei, alles anders, kein Blut mehr, Mr. Broker, nur noch Bloody Mary.
Broker: Darf ich Ihnen noch etwas bestellen?
Graf: Ich danke, nein ich muß zu Hause sein wenn Sirene von Renoir ertönt.
Broker: Sie müssen in Ihren Sarg zurück?
Graf: Sie sind Romantiker, Mister Broker, nein, nein, früher einmal, jetzt geh ich in mein Bett, Fernsehen, hat mich gefreut, übrigens wenn Sie wollen Informationen über moderne Vampire, Sie sollten fahren nach Amerika, zu meinem reichen Vetter in New Transsylvania, Kalifornien.

Carter: New Transsylvania Californien, USA.
Mann: Rezeption?
Carter, Zimmer 99, buchen Sie für mich einen Flug nach San Francisco.
Stewardeß: International Airlines bitten alle Passagiere für Flug 666 nach San Francisco zum Ausgang C, ihre Maschine ist startbereit, ladies and gentlemen, we welcome you on bord. If you're going to San Francisco. Coffee or Tea?
Mann: Willkommen in Newmans, der erfolgreichsten kleinen Stadt in den ganzen großen United States, ehe Sie etwas anderes unternehmen, sollten Sie sich ein Vergnügen gönnen, besuchen Sie Vampireland, die größte Attraktion in den ganzen großen United States, yes sir, lehrreich, spannend, amüsant, sollten sie nicht versäumen, in einer halben Stunden fahrt die nächste Kutsche.
Carter: Vampireland, Vampirland, das klang vielversprechend, alles was Broker erlebt und was ich auf den Tonbändern gehört hatte, konnte eigentlich nur Kulisse sein, eine uralte Geschichte, die dadurch nicht wirklicher wurde, daß irgendjemand sie aus verstaubten Büchern herausgesucht und neu aufbereitet hatte, worum es wirklich ging, konnte ich möglicherweise im Vampirland erfahren, was immer das sein möchte.
Carmelia: Ich darf sie auf unserer Rundreise durch Vampireland begrüßen, ich bin ihre Führerin und heiße Carmilla.
Carter: Carmelia, haben Sie mich in Paris angerufen?
Carmelia: Später, Mr. Carter, bevor unsere Fahrt zu Ende ist, werden Sie mehr wissen, jetzt lassen Sie mich meine Arbeit tun, bitte. Vampireland, meine Herrschaften wurde erst vor wenigen Jahren errichtet von der International Vampires Company, als originalgetreue stilechte Imitation der transsylvanischen Karpatenlandschaft mit ihren Wäldern und Bergen, mit ihren geheuren und weniger geheuren Bewohnern, die Anlage kostete 50 Mio. Dollar.
Frau: Wonderful!
Carmelia: Wir verlassen jetzt den Highway und fahren durch ein echt mittelalterliches Tor in Vampireland ein, Blende 8, 1 fünfzigstel, es wird dunkel, blutrot versinkt die Sonne hinter dem Kosovoberg, auf dem Sie vorn rechts Draculas Schloß sehen, die Wölfe, Kinder der Nacht, regen sich in ihren Schlupfwinkeln, sie wittern den geheimnisvollen Unbekannten, der Macht über sie hat, Fledermäuse sirren durch die schwüle Luft, das ist die Stunde, in der Dracula erwacht. Ah! Kein Grund zur Beunruhigung, es handelt sich nur um optische und akustische Spezialeffekte, für Sie programmiert und arrangiert von International Vampires Company.
Frau: Wonderful.
Carmelia: Meine Damen und Herren, wir haben nun unser Nachtquartier, den alten transsylvanischen Gasthof zur goldenen Krone erreicht, International Vampires Company wünscht Ihnen einen erholsamen Aufenthalt, angenehmes Gruseln und eine gute Nacht.
Frau: Wonderful.
Carmelia: Mr. Carter, Sie werden in Ihrem Zimmer außer Ihrem obligatorischen Knoblauchkranz ein Tonband finden.
Carter: Mit schönen Grüßen von Dracula?
Carmelia: Vielleicht.
Carter: Wonderful.

Broker: New Transsylvania 23. Mai, 18 Uhr 30, heute nacht werde ich Vampireland erkunden, auf eigene Faust, und wenn mehr dahintersteckt, als nur eine Touristenattraktion, werde ich es herausbekommen. Vor mir liegt Draculas Schloß, ein Horrorgedicht in bester amerikanischer Neugotik, wahrscheinlich aus Gips und Plastik, aber doch irgendwie beeindruckend.
Mann: Seien Sie willkommen, Sie werden erwartet.
Broker: Wieso, niemand weiß, daß ich hier bin.
Mann: Folgen Sie mir.
Broker: Ich bin in einem Zimmer, das offenbar für einen späten Gast hergerichtet wurde, für mich? Die Atmosphäre ist, wie soll ich sagen, nicht geheuer, ich bin kein Feigling, aber ich habe das Fenster verriegelt und die Tür abgeschlossen, Carmelia, Carmelia!
Carmelia: Meine Augen brennen in dich hinein und deine Kraft wird zu Wasser, ich liebe in deinem warmen leben und du sollst in meinem sterben.
Broker: Laß doch den Unsinn, deine Zähne.
Carmelia: Liebe braucht Opfer und Opfer sind blutig, ich vergehe vor Sehnsucht nach deinem warmen roten Blut.
Broker: Carmelia!
Carmelia: Mein Biß ist sehr süß und sehr bitter.
Carmelia: Mein Biß ist sehr süß und sehr bitter.
Carter: Das zieht bei mir nicht, Schluß damit.
Carmelia: Willst du dich nicht von mir beißen lassen.
Carter: Nein, vielen Dank, ich will wissen, was hier gespielt wird.
Carmelia: Sie reagieren genau wie Broker, das war vorauszusehen, wir wollten es wenigstens versuchen, Sie sind schwer zu beeindrucken, Mister Carter, nicht gerade ein Kompliment für meine vampirischen Fähigkeiten.
Carter: Tut mir leid, was jetzt?
Carmelia: Kommen Sie mit.
Carter: Wohin?
Carmelia: Zur Direktion von International Vampires, Sie wollten doch wissen, was los ist, wir gehen in den Keller und fahren durch einen Gang unseres unteririschen Kommunikationssystems in einer Druckluftkapsel, einer Art Rohrpost, in ein paar Minuten sind wir im Hochhaus.

Carter: Mr Varney.
Varney: Mr Carter.
Carter: Sie sind doch in London.
Varney: Was bedeutet ein Ort, was bedeutet ein Name, ich bin einer und ich bin viele, hier bin ich Mr Dracula, Chef der International Vampire Company, Generaldirektor und Besitzer der Aktienmajorität, einer der reichsten Männer im reichsten Land der Erde, sagen Sie nichts, Carmelia das Tonband, hören Sie, was ich Mister Broker zu sagen hatte, ich liebe es nicht mich zu wiederholen.
Broker: Das steckt also hinter der ganzen Horrorshow, Kapital, eine Firma.
Varney: Die Firma, Mister Broker, Geld ist Leben und Leben ist Blut, 3. Buch Moses Kapitel 17 der Zeit angepaßt, Voltaire, Sie kennen Voltaire?
Broker: Flüchtig.
Varney: Voltaire sagt: Die wahren Blutsauger wohnen nicht auf den Friedhöfen, sondern in wesentlich angenehmeren Palästen, ein wahres Wort, wir haben Paläste und Fabriken in allen Ländern, die Öffentlichkeit kennt uns nicht, wir schätzen es nicht, wenn jemand von außen uns zu nahe kommt, wie Sie, Sie haben sich von den für Sie arrangierten Aufführungen unserer Filialen nicht irreführen lassen, das spricht für Sie.
Broker: Danke.
Varney: Reißzähne, Sarkophage, transsylvanische Grafen und schwarze Messen, darüber ist die Zeit hinweggegangen, Feierabendhorror, weiter nichts, es gibt schlimmeres, Gasöfen, qualmende Schornsteine, tote Fische in den Flüssen, verhungernde Kinder, lebende Fließbandautomaten, das ist unser Horror, der neue Horror, Mr. Broker, daran verdienen wir.
Broker: Und sicher nicht schlecht.
Varney: Ganz recht, natürlich pflegen wir auch die Tradition, Vampireland und seine Ableger in Amsterdam und Paris sind Launen von mir, allerdings Launen, die Geld bringen, Sie sind alert und zielbewußt, Mr. Broker, wir können Sie gebrauchen, kommen zu International Vampires, verdienen Sie mit, werden Sie einer von uns, werden Sie Vampir.
Carter: Wie hat Broker sich entschieden?
Varney: Positiv natürlich, er ist jetzt einer meiner Stellvertreter, sehr tüchtig, ein Gewinn für die Firma, wollen sie ihn sprechen?
Carmelia: Verzeihung Mr. Dracula, ich fürchte Mr. Broker hat keinen Termin frei, die Arbeit an unserem neuen Projekt.
Varney: Ah ja, bedauerlich, was sie betrifft Mr. Carter, ich mache Ihnen das gleiche Angebot, entscheiden Sie sich schnell, Zeit ist Geld, Geld ist Leben usw.
Carter: Nein ich lehne ab, mit Dank, wenn sie wollen, aber unwiderruflich, ihre Firma gefällt mir nicht.
Varney: Schade, Sie sind ein Idealist, Mister Carter, ich respektiere ihre Entscheidung, leben sie wohl.
Carter: Sie lassen mich gehen?
Varney: Natürlich, wofür halten Sie uns, gehen Sie.
Carmelia: Gute Reise.

Carter: Im Wartesaal des Flughafens dachte ich nach über die fantastische Geschichte, in die ich geraten war und darüber, was ich jetzt tun sollte, zu Varna Dracula, zum Verlag konnte und wollte ich nicht mehr zurück, ich hatte mir einiges zurückgelegt, vielleicht sollte ich mich für ein halbes Jahr zurückziehen und das Buch schreiben, das Broker nicht mehr schreiben würde, es erschien mir wichtig, anderen mitzuteilen, was ich erfahren hatte, möglicherweise würde man mir sogar glauben, ich zweifelte allerdings daran, daß es etwas nützen würde, was hilft schon gegen Vampire, ein Buch, ich weiß nicht.
Stewardeß: International Airlines bitten alle Passagiere für Flug Nr. 999 nach London zum Ausgang B, ihre Maschine ist startbereit, ladies and gentlemen we welcome you on board.

Carmelia: Auf dem Flug von San Francisco nach London ist gestern gegen 19 Uhr Ortszeit eine mit 6 Besatzungsmitgliedern und 52 Passagieren besetzte Maschine der International Airlines über dem Nordatlantik abgestürzt, es muß damit gerechnet werden, daß keiner der Insassen den Absturz überlebte.
Varney: Gut gemacht, Carmelia.
Carmelia: Armer Mister Carter.
Varney: Er wußte zu viel, und jetzt wieder an die Arbeit.

Stan Broker: Martin Hirthe
Michael Carter: Michael Degen
Varni: Siegmar Schneider
Prof. Vandenburg: Gerd Martienzen
Graf Dracul: Georg Braun
Pförtner: Paul Hubschmid
Ordog: Dietrich Frauboes
Carmelia: Christine Merthan
Stewardeß: Iris Hahnemann
Immer wieder angespielter Song im Hörspiel: Aphrodites Child - The Four Horsemen

Hörspielfan

29. Juni 2025

Michael Koser: Tote singen nicht (RIAS/SWF 1971) (Kriminalparodie)

Phil Marlin: Das Haus war der gemeinsame Alptraum eines größenwahnsinnigen Architekten und eines Bauherrn, der zuviel Geld hatte, eine unwahrscheinliche Kreuzung aus gotischem Palazzo, maurischer Kathedrale und griechischem Eiscreme. Aber ich war ja nicht hier, um den Geschmack der oberen Zehntausend zu beurteilen. Mister Waterson ließ mich warten. Er konnte sich das leisten, er hatte eine Empfangshalle so groß wie das Landedeck eines Flugzeugträgers, einen fast echten englischen Butler, den er wahrscheinlich auf einer Antiquitätenmesse ersteigert hatte, und mehr Dollars als die übrige Stadt zusammen, und ich war bloß ein kleiner Fisch. Mein Auto war drei Jahre alt, mein Anzug war auch, und mein letzter Kontoauszug war das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt stand.

Waterson: Sie sind mir empfohlen worden, Mister Marlin, und ich habe Sie aus Los Angeles kommen lassen, weil es in unserer sauberen kleinen Stadt keine Privatdetektive gibt.
Marlin: Bourbon on the rocks.
Waterson: Bitte?
Marlin: Sie haben vergessen, mir was anzubieten, oder gibt es in Ihrer sauberen kleinen Stadt auch keinen Alkohol?
Waterson: Ich glaube nicht, daß mir Ihr Ton gefällt.
Marlin: Den kriegen Sie gratis, ich koste 100 Dollar pro Tag plus Spesen, dafür bekommen Sie einen verhältnismäßig unbestechlichen Detektiv, der regelmäßig zum Friseur geht und sich dreimal am Tag die Hände wäscht, wenn Sie einen Heiligen brauchen, hätten Sie dem Papst schreiben sollen, haben Sie einen Auftrag für mich oder nicht?
Waterson: Ja, ich werde mich bemühen, Ihr Benehmen zu ignorieren.
Marlin: Wenn Ihnen dabei wohler ist, also, ich höre.
Waterson: Es geht um meinen Schwager, den Bruder meiner Frau, William Chain, 28 Jahre, er ist seit 4 Tagen verschwunden und Sie sollen ihn auftreiben, hier ist ein Foto.
Marlin: Warum gehen Sie damit nicht zur Polizei?
Waterson: Bill war, ist in letzter Zeit, wie soll ich sagen, etwas merkwürdig, seit er drüben verwundet und nach Hause abgeschoben wurde.
Marlin: Nicht ganz richtig im Kopf.
Waterson: Wenn Sie es unbedingt so ausdrücken wollen, ja, wir fürchten, das heißt meine Frau fürchtet, daß er etwas anstellen könnte, etwas Kriminelles.
Marlin: Wo soll ich ansetzen, ich, ich brauche Informationen.
Waterson: Natürlich, ich habe Ihnen ein Hotelzimmer reservieren lassen, Sie halten sich dort auf, bis sich meine Frau mit Ihnen in Verbindung setzt, sie kennt Bill besser als ich und wird Sie informieren.

Empfangschef: Ihr Schlüssel, Sir, Zimmer 207.
Marlin: Danke.
Empfangschef: Sind Sie das erste Mal in San Pedro? Eine saubere, kleine Stadt, Sir, wir sind stolz darauf...
Marlin: Ja ja, das kenn ich schon, heben Sie sich das für den nächsten auf und schicken Sie mir in zehn Minuten eine Flasche Bourbon aufs Zimmer.

Marlin: Die Atmosphäre des Zimmers schlug mir entgegen, wie das zahnlose Grinsen einer uralten Frau, es stank nach Chlor und verborgenen Sünden, ich machte das Fenster auf und vertrieb mir die Zeit mit meiner Flasche. Ja?

Waterson: Lassen Sie die Finger vom Fall Chain. Wenn Sie wissen, was gut für Sie ist, verschwinden Sie aus der Stadt.
Marlin: Hören Sie mal gut zu...
Violet: Mister Marlin? Hier ist Violet Waterson!
Marlin: Ach so, wer weiß, außer Ihnen und Ihrem Mann, noch davon, daß ich hier in der Stadt bin?
Violet: Niemand, warum fragen Sie?
Marlin: Es ist nicht wichtig, was wollten Sie mir sagen, Mrs. Waterson?
Violet: Nicht jetzt, treffen Sie mich heute abend im Tijuana-Klub, gegen neun.
Marlin: Muß das sein?
Violet: Sie sind nicht sehr höflich, Mister Marlin.
Marlin: Ich habe einen Job.
Violet: Deshalb will ich mich ja mit Ihnen treffen, seien Sie pünktlich.

Kellner: Bitte Sir, Mrs. Waterson.
Marlin: Danke, bringen Sie mir einen Martini.
Kellner: Trocken, Sir?
Marlin: Wie die Sahara.
Kellner: Sehr wohl.

Marlin: Sind Sie nicht ein bißchen zu jung für Ihren Mann?
Violet: Danke, sehen Sie nicht ein bißchen zu gut aus für einen Privatdetektiv?
Marlin: Och, durch jahrelanges Bodybuilding entwickelte ich mich vom Schwächling zum kraftvollen Wunschtraum der Frauen, wo ist ihr Bruder?
Violet: Ich weiß nicht, bitte, Mister Marlin, Sie müssen ihn finden, bevor er noch mehr Unheil anrichtet.
Marlin: Unheil, was für Unheil, Mrs. Waterson?
Violet: Nennen Sie mich Violet.
Marlin: Was für Unheil, Mrs. Waterson?
Violet: Ich mach mir Sorgen um Bill, wissen Sie, ich hab mich immer für ihn verantwortlich gefühlt, obwohl er älter ist als ich.
Marlin: Warum haben Sie mich hierher bestellt?
Violet: Bill ist mit einem Mädchen befreundet, das bis vor kurzem im Klub gearbeitet hat, eine Tänzerin, Kokola Bern, so nannte sie sich jedenfalls, ein unmögliches Wesen, vulgär, ich hab nie verstanden, was Bill an ihr fand, geben Sie sich Mühe, meinetwegen, und wenn Sie was herausbekommen haben, rufen Sie mich an, ich bin immer für Sie zu sprechen, wenn Sie Bill gefunden haben, dürfen Sie mich zu Champagner einladen.

Marlin: Violet, ich mag Blonde, besonders wenn sie eine Figur wie Marilyn Monroe haben, als meine Knie nicht mehr zitterten, ging ich an die Bar, in einer viertel Stunde hatte ich die Adresse von Kokola Vern alias Maggie Pulaski.

Maggie Pulaski: Sie wandeln nicht auf dem Pfade des Lichts.
Marlin: Wie war das?
Maggie Pulaski: Ihre Aura ist unrein, Ihre Seele wälzt sich im Schlamm wie ein Tier, Sie sind der Versucher, der Dämon, der den Kindern des Lichts Fallstricke legt.
Marlin: Wo ist Bill Chain, Ihr Freund Chain, verstehen Sie mich?
Maggie Pulaski: Führe uns nicht in Versuchung, gehen Sie, verdunkeln Sie nicht durch Ihre Gegenwart das Licht, das nur den Reinen scheint, gehen Sie...

Marlin: Eine geladene und entsicherte 38er kann auch in einer zitternden Hand sehr überzeugend wirken, ich zuckte die Achseln und ging.

Marlin: Sie wandeln nicht auf dem Pfade des Lichts.
Empfangschef: Verzeihung, Sir?
Marlin: Sie sind der Dämon, der den Kindern des Lichts Fallstricke legt, sagt Ihnen das was?
Empfangschef: Ich wüßte nicht. – Oh, besten Dank, Sir.
Marlin: Kommt jetzt die Erleuchtung, wandeln Sie nun auf dem Pfade des Lichts?
Empfangschef: Könnte sein, die Vereinigung der Freunde des Lichts, eine Sekte, irgendwie östlich, glaube ich, indisch oder so, der Chef nennt sich Guru, wirkt sehr auf Frauen, ich habe gehört, daß er ganz gut davon leben kann.
Marlin: Ja, was es nicht alles gibt in Ihrer sauberen, kleinen Stadt.

Marlin: In dieser Nacht träumte ich von Violet Waterson, es war ein wunderschöner Traum, in Breitwand und Technicolor.

Marlin: Ja?
Piet: Hä-hä-hä-hä-hä-hä-Hände hoch!
Toni: Halts Maul, Piet, ich würde an Ihrer Stelle die Hände hochnehmen, Mister Marlin, wir haben zwei Kanonen und können damit umgehen, wie man so sagt, sieh dir mal seine Brieftasche an, Piet, sieh mal an, ein Privatdetektiv, ein mieser Schnüffler, wie man so sagt, das hätte ich nicht von Ihnen gedacht, Mister Marlin, ich glaube, wir müssen Ihnen eine kleine Lektion erteilen, Mister Marlin, Sie schnüffeln hinter Bill Chain her, der Boss schätzt das nicht, Sie werden von hier verschwinden und wir werden Ihnen Beine machen, wie man so sagt, brat ihm eine über, Piet.
Piet: Au!
Toni: Halts Maul, Piet, Mister Marlin, Sie haben meinem Kumpel den Unterkiefer gebrochen, das gehört sich aber gar nicht.
Marlin: Hören Sie, mein Freundchen, ich bestimme jetzt, was sich gehört, ich habe eure Kanonen und ich kann auch damit umgehen, raus hier, los raus.
Toni: Mister Marlin, wir sehen uns noch.
Marlin: Ja, das werden wir ja sehen.

Marlin: Ich konnte mir denken, wer die beiden Figuren auf mich losgelassen hatte, und die silberne Kette aus Indien, die an Piets ungewaschenem Hals ebenso fehl am Platz war wie eine Jungfrau im Bordell, machte mich noch sicherer, es wurde Zeit, daß ich mir diesen Guru mal ansah, schlägt dich einer auf die rechte Wange, so tritt ihm dafür kräftig in den Bauch, wie man so sagt.

Guru: Wie war der Name?
Marlin: Chain, William Chain.
Guru: Und Sie glauben, daß er ein Erleuchteter ist, ein Jünger des Karma?
Marlin: Ich glaube, daß er zu Ihrem Verein gehört, wenn Sie das meinen, und daß Sie mir sagen können, wo er steckt.
Guru: Wer auf dem Pfade des Lichts wandelt, hat die unreinen Tiefen des Irdischen hinter sich gelassen.
Marlin: Das zieht bei mir nicht.
Guru: Drohen Sie mir, Mister Marlin?
Marlin: Sie haben mir doch diese beiden Witzbolde mit Kanonen auf den Hals gehetzt, das ist meiner Aura nicht gerade gut bekommen.
Guru: Sie versündigen sich an den Geheimnissen des Karma.
Marlin: Ach hören Sie doch auf, Sie sind hier nicht in Ihrem Tempel oder wie Sie das nennen, reden Sie Klartext, an Ihrer religiösen Masche bin ich nicht interessiert.
Guru: Ich habe Sie unterschätzt, Mister Marlin, wie Sie mit meinen, nun ja, Abgesandten fertig geworden sind, Kompliment.
Marlin: Ach, nicht der Rede wert, so was mach ich jeden Morgen vor dem Frühstück, außer Sonntags.
Guru: Ich könnte Sie gebrauchen, wenn wir die Sache zusammen deichseln, kann nichts mehr schief gehen, ich beteilige Sie, ein Millionengeschäft, Mister Marlin.
Marlin: Wo ist Chain?
Guru: Chain, Chain, Chain ist unwichtig, das wissen Sie doch, ich weiß, wer Sie bezahlt und warum Waterson so scharf darauf ist, seinen Schwager wieder in die Hand zu bekommen, überlegen Sie sich die Sache!

Marlin: Ich verstand überhaupt nichts mehr, aber ich hatte ein merkwürdiges Gefühl, Phil Marlins berühmte Vorahnung, deshalb fuhr ich den Wagen nur um die Ecke und wartete, nach einer halben Stunde erschien eine alte Bekannte, Miss Magie Pulaski, die da auf dem Pfade des Lichts wandelte, sie verschwand im Haus des Guru und kam nach kurzer Zeit mit einem Mann zurück, ich brauchte nicht auf das Foto zu sehen, um ihn zu identifizieren, mein Gefühl hatte recht gehabt, ich fuhr hinterher, wir hielten in einer ruhigen Straße am Stadtrand, Magie Pulaski ging mit Chain in einen Bungalow, ich wartete, die Minuten schichteten sich aufeinander wie zerschundene Autos auf einem Schrottplatz, schließlich kam Magie allein zurück, setzte sich in ihren Wagen und fuhr ab, ich suchte einen drugstore in der Nähe, um meinen Auftraggeber anzurufen, es begann zu regnen.

Violet: Phil. Wie sieht er aus?
Waterson: Gute Arbeit, Marlin, wo steckt er?
Marlin: Das habe ich Ihrer Frau schon gesagt.
Waterson: Gut, warten Sie da, ich bin in einer halben Stunde bei Ihnen, übrigens, was für einen Wagen fahren Sie?
Marlin: Buick, grün, bißchen angerostet, warum?

Radio: ...der befleckt noch furchtsam ist, der Detektiv in Geschichten dieser Art muß solch ein Mann sein, er ist der Held, er ist alles, er muß ein vollkommener Mann sein und ein gewöhnlicher Mann, und er muß doch ein...

Polizist Mac: Das ist er, Chef, grüner Buick.
Marlin: Wenn Sie sich meinen Wagen lange genug angesehen haben, können Sie mir vielleicht sagen, was Sie von mir wollen?
Polizist: Sie stehen im Parkverbot, Mister!
Marlin: Ich brech gleich in Tränen aus, wo ist denn das Schild?
Polizist: Wenn die Polizei sagt, daß Sie im Parkverbot stehen, dann stehen Sie im Parkverbot. Aussteigen!
Marlin: Moment mal, nehmen Sie Ihre verdammten Pfoten von meinem Wagen!

Marlin: Der Griff einer Polizeipistole an meinem Hinterkopf war das letzte, was ich spürte. Ich war Tarzan und hüpfte im Urwald von Ast zu Ast, ich rief den Kampfschrei der großen Menschenaffen und zertrat alle Bullen der Welt unter meinen großen Füßen, ich war der größte, und Violet Waterson sah bewundernd zu mir auf, wenn mir nur der Kopf nicht so weh getan hätte...

Polizeichef: Wird aussagen, was wir ihm beibringen. Ja, Marlin ist dran, bei dem Beweismaterial schickt ihn jede Jury in die Gaskammer. Der Guru? Marlin muß eben gestehen, daß er Chain in seinem Auftrag umgelegt hat, dann sind wir die ganze Bande los, wenn er nicht will, laß ich ihn auf der Flucht erschießen, sowieso sicherer, natürlich, gefälschte Aussage, kein Problem, die Papiere bring ich Ihnen, sobald ich Zeit habe, ok, danke.

Polizist: Chef, er wird wach.
Polizeichef: Dann werden wir uns doch mal um Mister Marlin kümmern.

Marlin: Ich lag in einem Zimmer auf einem weichen Berberteppich, meine Luger hatte ich in der Hand, ich brauchte nicht am Lauf zu riechen, um zu wissen, daß sie vor kurzem abgefeuert worden war, neben mir lag Bill Chain, tot, mit einem häßlichen Loch im Kopf, die Bullen waren auch da, allmählich wurde mir die Sache klar, ich hätte mich selbst zusammenschlagen können, wenn das nicht schon jemand anders für mich erledigt hätte.

Polizeichef: Nehmen Sie ihm die Pistole weg, Mac.
Marlin: Kann ich, kann ich eine Zigarette haben?
Polizeichef: Erst wenn Sie Ihre Aussage gemacht haben.
Marlin: Sie haben mich niedergeschlagen.
Polizeichef: Natürlich, schließlich haben wir Sie bei einem Mord erwischt, warum haben Sie Chain erschossen, der Guru hat Sie dafür bezahlt, stimmt’s?
Marlin: Erzählen Sie doch weiter, Sie, Sie wissen ja mehr als ich, haben sich doch schon alles zurechtgelegt.
Polizist: Da hat er recht, Chef.
Polizeichef: Wir haben sogar schon ein schriftliches Geständnis.
Marlin: Gute Arbeit.
Polizeichef: Sie waren heute morgen beim Guru und haben von ihm den Auftrag bekommen, Chain umzulegen, und das haben Sie dann auch gleich getan, mit Ihrer eigenen Kanone, Sie brauchen nur noch zu unterschreiben.
Marlin: Ach, machen Sie es selber, ich... auf eine kleine Urkundenfälschung kommt es doch sicher nicht mehr an...
Polizist: Ein Witzbold, Chef.
Polizeichef: Wie Sie wollen, Marlin, Plan Nummer zwei, Mac, nehmen Sie sich zwei Leute und fahren Sie Mister Marlin zum Präsidium, Sie sind persönlich für ihn verantwortlich, bei einem Fluchtversuch wird sofort scharf geschossen.
Polizist: OK, Chef, kleiner Umweg über den Wald, sicherheitshalber?
Polizeichef: Sie haben es erfaßt.

Marlin: Kann ich... kann ich jetzt eine Zigarette haben?
Polizist: OK, hier, halt mal an, steigen Sie aus, Marlin.
Marlin: Endstation Sehnsucht.
Polizist: Raus, wir haben nicht viel Zeit, los los, noch ein paar Schritte, wir wollen es uns doch nicht zu leicht machen.

Piet: Ha-ha-ha-hallo?
Toni: Halts Maul Piet, seien Sie beruhigt Mister Marlin, das war fünf Minuten vor zwölf wie man so sagt, kommen Sie, unser Wagen steht gleich hier auf dem Waldweg.
Marlin: Erinnern Sie mich daran, daß ich Sie in meinem Testament bedenke, auch wenn Sie an Mundgeruch leiden... wohin?
Toni: Zum Boss natürlich, seine Heiligkeit, der Guru, will mit Ihnen die Karre aus dem Dreck ziehen, wie man so sagt, hahahaha...

Marlin: Haben Sie mal eine Zigarette für mich? Danke.
Guru: Spielen Sie Schach, Mister Marlin?
Marlin: Ja.
Guru: Ich hab mich manchmal gefragt, Mister Marlin, was sich wohl ein Bauer denkt, der auf dem Feld hin und hergeschoben wird, wenn er denken könnte, natürlich, sagen Sie es mir.
Marlin: Was hatte Chain gegen Waterson in der Hand?
Guru: Sieh da, Sie haben nachgedacht, Mister Marlin, es nützt Ihnen zwar nichts mehr, aber Sie geben sich Mühe, lobenswert.
Marlin: Danke. Darf ich mich eins rauf setzen?
Guru: Waterson ist der heimliche Boss unserer kleinen sauberen Stadt, Mister Marlin, mit dem Polizeichef zusammen kontrolliert er alles was Geld bringt, Bars, Spielhöllen, das Rauschgiftgeschäft, was Sie wollen, Chain hatte keine Ahnung davon, aber als er vom Militär entlassen wurde, und bei Waterson wohnte, stieß er zufällig auf Unterlagen, interne Abrechnungen, Geschäftspapiere, er war entsetzt, moralisch entrüstet, glaubte immer noch an Sauberkeit, verstehen Sie, an den amerikanischen Traum, deshalb nahm er die Papiere an sich, um Waterson hochgehen zu lassen, zur Polizei konnte er damit natürlich nicht gehen, aber er hatte jemand, dem er sich anvertrauen konnte, einen geistigen Ratgeber, der ihn auf dem Pfade des Lichts zur Vollkommenheit führte.
Marlin: Und Sie sahen Ihre große Chance, Sie nahmen Chain bei sich auf, versteckten ihn und benutzten seine Papiere, um Waterson zu erpressen, die fromme Hochstapelei genügte Ihnen nicht mehr, Sie wollten in das ganz große Geschäft einsteigen.
Guru: Sehr gut, Mister Marlin.
Marlin: Aber Waterson war gerissener als Sie, er kriegte heraus, wo Chain steckte, und ließ ihn von der Polizei umlegen.
Toni: Tote singen nicht, wie man so sagt.
Marlin: Außerdem ließ er Beweismaterial fälschen, um Sie in den Mord an Chain zu verwickeln, Sie haben Ihr Spiel verloren.
Guru: Noch nicht, Mister Marlin, Toni, Piet, seht mal nach, wer da ist, will jetzt nicht gestört werden.
Toni: OK, Boss.
Guru: Noch nicht, Mister Marlin, ich habe Sie, und Sie wissen, wer Chain erschossen hat und warum, ich biete Waterson ein Geschäft an, wenn er mich beteiligt, liefere ich Sie der Polizei aus, als Leiche natürlich.

Polizeichef: Hände hoch!
Waterson: Was habe ich Ihnen gesagt, Chef, da sind Sie beide.
Polizeichef: Umlegen, Mister Waterson?
Waterson: Mit Mister Marlin würde ich mich gern noch ein bißchen unterhalten, aber den Guru brauchen wir nicht mehr, würden sie freundlicherweise...
Guru: Nein, nicht!
Waterson: Danke, damit sind Sie selbst auch überflüssig geworden, Chef, Sie wissen zu viel.
Polizeichef: Mister Waterson!
Marlin: Gratuliere, Mister Waterson, damit haben Sie alle Zeugen ausgeschaltet.
Waterson: Bis auf einen, Marlin, Sie wissen, daß mir gar nichts anderes übrig bleibt, als Sie auch noch zu erschießen.

Marlin: Im Moment konnte ich nichts anderes tun, als Waterson freundlich anzugrinsen, und unter dem Tisch mit dem Fuß nach dem schweren 45er-Colt des Polizeichefs zu angeln, mein Leben hing an meinem großen Zeh, wie schon so oft.

Waterson: Ich muß mich bei Ihnen bedanken, Mister Marlin, ohne Sie wäre mein Plan schiefgegangen.
Marlin: Es freut mich immer, wenn ein Auftraggeber mit mir zufrieden ist, empfehlen Sie mich bitte weiter.
Waterson: Sie waren mir äußerst nützlich, nicht weil Sie Bill Chain gefunden haben, das hätte notfalls auch die Polizei erledigen können, Sie sind der Sündenbock, der Mann, dem man alles anhängen kann, und diese Rolle haben Sie perfekt gespielt, Sie haben Chain aufgestöbert und mich informiert, damit ich mich um ihn und Sie kümmern konnte, und wenn der Guru nicht dazwischen gekommen wäre, lägen Sie jetzt als überführter Mörder im Leichenschauhaus, aber nicht wahr, aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Marlin: Sie waren aber auch nicht schlecht, Ihre Rolle als biederer Kleinstadtmillionär, der sich widerwillig mit einem Privatdetektiv abgeben muß, großartig.
Waterson: Angewandte Psychologie, mein bester, bevor ich Sie kommen ließ, habe ich mich über Ihre Methoden und Ihren Charakter genau informiert, Sie lassen sich von Ihren Auftraggebern nichts gefallen, außerdem sind Sie stur, wenn Sie einen Fall bearbeiten, führen Sie ihn zu Ende, Widerstand macht Sie nur noch verbissener, deshalb habe ich für Widerstand gesorgt, dieser Anruf gestern in Ihrem Hotel.
Marlin: „Lassen Sie die Finger vom Fall Chain“, hmh, das waren Sie.
Waterson: Ja, ich wußte, wie das auf sie wirken würde, und ich hatte recht, ich habe meistens recht, Marlin.
Marlin: Damit haben Sie es ja auch zum großen Kleinstadtgangster gebracht.
Waterson: Ganz recht, seien Sie mir nicht böse, wenn ich unsere interessante Unterhaltung jetzt beende, es ist noch so viel zu tun, ein neuer Polizeichef und... Violet!

Marlin: Sie stand in der Tür wie der Racheengel der Apokalypse, und ihr Schwert war ein Smith & Wesson Detective Special, ich langte nach dem Colt, aber das war nicht mehr nötig, sie wurde mit der Situation allein fertig, das ewig weibliche, wie man so sagt, aber Toni, der mir das Leben gerettet hatte, war tot, und Piet, und drei Bullen, und der Guru, und der Polizeichef, alle tot, und jetzt war Waterson fällig.

Violet: Er hat mich belogen, er hat versprochen, daß Bill nichts geschieht.
Marlin: Geben Sie mir Ihren Revolver.
Violet: Ich konnte doch nicht ahnen, daß er Bill umbringen wollte, und ich hab ihm noch dabei geholfen!
Marlin: Trösten Sie sich, ich auch, dann haben Sie mich also im Auftrag Ihres Mannes auf Magie Pulaski angesetzt.
Violet: Ja, ich sollte auf Sie aufpassen, damit Sie Bill auch bestimmt finden, er sagte, er wolle nur die Papiere zurück, er hat versprochen, daß Bill nichts geschieht.
Marlin: Bill, Violet, das war doch nur Theater, Sie wollten sicher gehen, ich sollte mit feuchten Dackelaugen hinter Ihnen herlaufen, damit ich nicht sehe, was rechts und links von mir geschieht, ja, gut ausgedacht, so war’s doch, ach, so war’s doch.

Marlin: Der Fall war erledigt, das Aufräumen konnten andere übernehmen, ich rief die Polizei in Los Angeles an und bestellte zwei Wagenladungen Staatsgewalt nach San Pedro, dann machte ich Bilanz, mein Honorar für zwei Tage und die Spesen waren in den Wind gehustet, und die versprochene Champagnerorgie mit Violet konnte ich im Frauengefängnis feiern, wenn Waterson mir wenigstens einen Vorschuß gegeben hätte.

Empfangschef: Sie wollen uns schon wieder verlassen, Sir, hoffentlich hat es Ihnen in unserer sauberen kleinen Stadt gefallen.
Marlin: Ja, ich brauch mich wochenlang nicht mehr zu waschen.
Empfangschef: Ich habe gehört, daß sich demnächst hier einiges ändern wird, glauben Sie das?
Marlin: Hm, vielleicht.
Empfangschef: Ach, wissen Sie, das ist uns schon ein paar Mal so gegangen, wenn ein Boss abtritt, steht der nächste schon von der Tür, verzeihen Sie, Sir, gute Reise.

Marlin: Phil Marlin war mal wieder der große Katalysator gewesen, der Mann, der seine Fälle auf einem Berg von Leichen beendet, hart, unbeeindruckt, ein Held, wie er im Buche steht, wenigstens bei Chandler, ich hing mir selbst zum Hals raus. Als ich aus der Stadt fuhr, hing der schmutzig-gelbe Himmel über mir wie das Fell einer ertrunkenen Siamkatze. Ich wollte nach Hause.

Phil Marlin: Arnold Marquis
Waterson: Gerd Martienzen
Violet (Waterson): Barbara Schöne
Polizeichef: Klaus Sonnenschein
Gangster Piet: Norbert Langer
Ganaster Toni: Joachim Pukaß
Guru: Moritz Milan
Magie Pulaski: Eva Mannhard
Polizist Mac: Andreas Berg
Empfangschef: Georg Braun

Hörspielfan

29. Juni 2025

Ray Bradbury: Ein langer Weg nach Hause (NDR/SDR 1989)

Charles: Es war ein langer heißer Tag gewesen, die Rechenmaschinen im Büro hatten gesungen wie millionen metallischer Grillen, ein schrecklicher Tag, Mr Sternwall hatte mich angebrüllt, ich hätte Sternwill am liebsten umgebracht, eines Tages dachte ich auf dem Nachhauseweg, eines Tages wirst du diesen Mr Sternwill vom 10 Stock aus dem Fenster werfen, mein Herz ratterte wie eine aus dem Tritt geratene kaputte Rechenmaschine als ich endlich vor der Wohnungstür stand, was hatte doch der Doktor gesagt, ihr Herz hat ein bißchen Ruhe nötig, gönnen sie sich einen Urlaub, Urlaub, es war völlig unmöglich mit Lydia über Urlaub zu reden, jedes Mal wenn ich auf mein Herz zu sprechen kam, klappte ihr Mund zu wie eine Falle, nein, hinter der Wohnungstür hörte ich das Radio plärren wie immer und ich wußte, drinnen wartet sie, die Frau die ich einmal geliebt hatte, o mein gott, dieses ewige einerlei, rein in die Straßenbahn, raus aus der Straßenbahn, das Büro, die Arbeit, diese unendlich langweiligen Gespräche mit Lydia über halbgarem Essen, es war zum verrückt werden, manchmal dachte ich sogar daran Lydia umzubringen, die art und weise wie sie allen jüngeren Männern im Haus nachsah mit starren fibrigen Blick, als ob sie Spielzeug wären das nur darauf wartete benutzt zu werden.

Travis: Oh hi Mr Guidney, hab gerade ihr Radio in Ordnung gebracht.

Charles: Radio, ich wußte gar nicht daß.

Travis: Ist wieder alles ok, auf wiedersehen, Mr Guidney.

Charles: Ich sah Travis nach wie er den Flur hinunterging, dann trat ich in die Wohnung, Lydia saß breit hingefläzt auf dem Sofa geschmückt mit ihrer schreienden Rothaarperücke.

Lydia: Du bist aber spät dran.

Charles: Es ist doch erst fünf nach 6.

Lydia: Und morgen ist es 10 nach 6, und am abend drauf zwanzig nach, und es wird später und später und später.

Charles: Mein Herz Lydia.

Lydia: Dein Herz wieder mal dein verdammtes Herz, du bist kerngesund Charly, das einzige was dir fehlt ist ein bißchen mehr Nachtschlaf.

Charles: Der Doktor sagt aber.

Lydia: Also ich kann zu meinen großen leidwesen nicht erkennen daß du nah daran bist tot umzufallen gott hab mich selig.

Charles: Ach du du willst doch nur ablenken, mich an der Nase rumführen, der junge Radiobursche dieser Travis ist wieder mal zu besuch da gewesen.

Lydia: Mach dich nicht lächerlich Charli.

Charles: Das war zu viel, ihre kälte brachte mich auf.

Charles: Kuck mal da eine Maus.

Lydia: Hi, wo.

Charles: Guck doch mal hin.

Lydia: Wo Charli.

Charles: Ihre schreckgeweiteten Augen irrten suchend umher, ich hatte wieder zum alten Trick gegriffen.

Lydia: Dafür zieh ich dir diese woche 10 Dollar mehr von deinem Gehaltsscheck ab 10 Dollar oder du kochst du dir eine Woche lang dein Abendessen selbst wie letzten Monat.

Charles: Was sollte ich darauf antworten, die ehe hat uns gemein und kleinlich werden lassen, das hätte ich vielleicht sagen können und komm Lydia wir verschwinden aus Los Angeles laß uns ein neues leben beginnen, aber ich wußte ja es hatte kein Sinn, Lydia gehörte zu jener sorte Frauen die einem aus purer Bosheit Sahne in den Kaffee schütten wenn man ihn am liebsten schwarz mag, und das Radio auf Orkanstärke stellen, wenn einem der Schädel brummt, wie hätte ich ihr meine Sehnsucht nach Ruhe, nach Urlaub, eingestehen können sie hätte gesagt daß wir uns eine Reise um meiner Gesundheit willen gar nicht leisten können, da saß ich schon lieber da und sah mir beim sterben zu.

Lydia: Mach schon die Tür zu und häng deinen speckigen Hut auf.

Charles: Wozu das nutzt jetzt auch nichts mehr, ich hab nämlich gerade jemand umgebracht.

Lydia: So wie heißt er denn.

Charles: Du scheint mich nicht zu verstehen, ich sagte ich hab gerade jemand umgebracht, umgebracht, abgemurkst, gekillt.

Lydia: Gekillt wirklich.

Charles: Nun hatte ich die sache angefangen, jetzt mußte ich sie auch zuende bringen, ein Rückzieher war nicht mehr drin, machs gut, redete ich mir zu, machts gut, gibs ihr, mach weiter.

Charles: Ich hab ihn direkt ins Herz getroffen, ganze Arbeit, ich konnte nicht anders, ich mochte seine Visage nicht, es war einer von diesen Leuten ohne Kinn, ich hab ihm das Herz durchs Rückgrat gepustet, er hat ganz verwundert geguckt.

Lydia: Ach nein.

Charles: Es war beinahe so, als hätte ich wirklich jemand umgebracht, ich stellte mir den Knall vor, das Blut, die Erregung, mein Herz pochte, und Lydia, ihren Mr Trevis und ihr Radio und ihre niederträchtige Grausamkeit hatte sie total vergessen, sie sah mir zu wie einem Roboter dessen Schlüssel sie verloren hatte, eins war mir klar, wenn ich mich jetzt verplapperte, konnte ich himmlischen Beistand brauchen.

Charles: Peng und ab in die Hölle, das hättest du sehen sollen, er knickte über meiner Knarre ein, wie eine Marionette, gott war das aufregend.

Lydia: Charlie.

Charles: Der Einfall kam mir heute morgen im Büro, Mr Sternwall brüllte mich an, und da hab ich mir gedacht, er sollte nicht so laut brüllen, ich kann das nämlich gar nicht leiden, und dann hab ich mir gedacht wozu ist er eigentlich noch auf der Welt, der wird allmählich alt und irgendjemand muß doch mal dafür sorgen daß er aufhört so herumzubrüllen irgendjemand aber wer, auf einmal ist mir dann die Idee gekommen.

Lydia: Du.

Charles: Ja ich, Mr Charles Guidney, der kleine ordentliche feige und blaße Angestellte Charles C. Guidney, Blut überall Blut.

Charles: Lydias Gesicht war wie es in 10 Jahren nicht mehr gewesen war, alle Gemeinheit war in diesem Augenblick aus ihm gewichen, sie war erschüttert, plötzlich war Lügen die schönste Sache der Welt.

Lydia: Aber die Waffe Charly, die Pistole du hast doch gar keine.

Charles: Och nichts einfacher als das, ich hab heute früher feierabend gemacht, auf der Main street kann man sich keine Waffe kaufen ohne Waffenschein, also hab ich mir eine geklaut, ne 22er, als der Händler einen Augenblick nach hinten ging hab sie mir geschnappt, dann ging ich zurück ins Büro und folgte Mr Sternwell die Treppe runter, in einer Seitenstraße hab ich ihn dann kaltgemacht, ja und nun bin ich auf der Flucht, wir müssen aus der Stadt verschwinden, Lydia verreisen.

Lydia: Wir.

Charles: Ja wir beide natürlich oder.

Charles: Sie gab keine Antwort, wenn sie mich wirklich haßte, würde sie mich jetzt der Polizei übergeben, auf der stelle, mein gott die Peinlichkeit wenn sie wirklich die Polizei riefe, ich müßte in ihrer Gegenwart mit der Wahrheit herausrücken müssen und sie würde keifen und kochen und mich noch mehr hassen.

Lydia: Und was soll ich deiner Meinung nach tun.

Charles: Du meinst du willst mir helfen, du liebst mich noch so sehr daß du mit mir gehst.

Lydia: Was soll ich deiner Meinung nach tun.

Charles: Vielleicht durchschaute sie mich, vielleicht sah sie ganz neue Seiten an mir weil ich genug Fantasie bewiesen hatte mir eine derartige Geschichte auszudenken, vielleicht spielte sie dieses Spiel selbst gerne mit, ich mußte fast lachen.

Lydia: Also Charli was soll ich deiner Meinung nach tun.

Charles: Ich packe die Koffer, du reservierst Plätze im Nachtbus nach San Diego, wir vergessen die ganze Geschichte in Mexiko 6 Monate lang, das wird toll Lydia.

Lydia: Wie du meinst Charly.

Charles: Und spute dich, viel Zeit haben wir nicht zu verlieren.

Lydia: Natürlich Charlie ich geh ja schon.

Charles: Etwas verblüfft war ich doch, sie liebt mich, sie hilft mir tatsächlich, sie geht mit mir, singend und lachend suchte ich Kleider zusammen und stopfte sie in die Koffer, dann rasierte ich mich, in aller ruhe, die Rasiercremetube ließ ich absichtlich offen und gab mir auch gar nicht erst Mühe das Waschbecken zu säubern oder das Handtuch gerade aufzuhängen.

Lydia: Hier sind die Fahrkarten.

Charles: Du hast aber lange gebraucht.

Lydia: Tut mir leid.

Charles: Mach das nicht noch mal.

Lydia: Es waren zu viel Leute da.

Charles: Und bloß keine Ausreden.

Lydia: Wirklich ich kann von Glück sagen daß ich überhaupt Karten gekriegt habe.

Charles: Lydia.

Lydia: Der Bus fährt punkt 9.

Charles: Lydia du weißt nicht was das für mich bedeutet, daß du zu mir stehst.

Lydia: Ja Charly ja.

Charles: Hörst du mein gott sie umstellen das Haus, wo ist mein Mantel, die Koffer, schnell die Hintertreppe runter, und ab durch die Seitenstraße.

Lydia: Der Streifenwagen ist vorbeigefahren Charly.

Charles: Ah so ja dann gehen wir wohl doch besser vorne raus, was ich nehme an es sieht ziemlich eigenartig aus wenn wir durch die Seitenstraße türmen.

Charles: Es ging schneller als ich gedacht hatte, 123 und wir waren unten trotz der schweren Koffer.

Lydia: Mr Kelly.

Kelly: Ah sieh an Mr und Mrs Guidney schönen Tag auch.

Charles: Tag officier.

Lydia: Oh bitte bitte Mr Kelly, charley wollte den Mann doch gar nicht umbringen.

Charles: Was soll das, nimm dich gefälligst zusammen.

Lydia: Er wußte nicht was er tat, bitte bitte erschießen sie ihn nicht.

Kelly: Er wußte nicht was er tat, was denn.

Charles: Nichts Kelly nichts, das verstehen sie nicht.

Lydia: Charly er wird uns erschießen.

Kelly: Jetzt aber mal langsam.

Charles: Geh rein Lydia, geh rein, ist schon gut Lydia, o gott.

Kelly: Wovon reden sie eigentlich.

Lydia: Es ist Mr Sternwall, er war alt und gemein, und jemand mußte ihn mal erschießen und Charly hat es getan.

Charles: Jetzt ist es aber genug, Lydia du gehst rein und wartest bis ich komme.

Kelly: Also Mr Guidney.

Charles: Meine Frau hat es mit den Nerven, verstehen sie, sie sie sie glaubt ich hätte einen Mann erschossen, hab ich aber nicht.

Kelly: So.

Charles: Nein Sir hab ich nicht, war alles nur ein Witz.

Kelly: Nur ein Witz, aha und das hier, natürlich schaffen sie die Klamotten gerade zum trocknen in die Wäscherei rüber.

Charles: Klamotten.

Kelly: In ihren Koffern natürlich und dieses kleine grüne Papier das aus ihrer Tasche guckt, da wär also keine Busfahrkarte nach San Diego.

Charles: Offizer ich sag ihnen doch meine Frau bringt alles komplett durcheinander.

Kelly: Darf ich dann vorschlagen, daß sie mich aufklären.

Charles: Rufen sie doch auf dem Revier an, fragen sie doch mal nach, ob in den letzten 3 Stunden irgendwelchen alten Männer getötet wurden.

Kelly: Also so beknackt bin ich nun auch wieder nicht Mr Guidney vielleicht haben sie die sterblichen Überreste versteckt.

Charles: Also bitte Kelly sehe ich denn wie ein Verbrecher aus, kommen sie mal her.

Kelly: Aha.

Charles: Verstehen sie jetzt, wenn sie herauskriegt, daß alles ein ausgemachter Schwindel ist, trag ich den Kopf nie wieder oben, die zieht mir bei lebendigem Leib die Haut ab.

Kelly: Das ist natürlich eine andere Sache, aber keine Angst, ich werde ich Katze schon nicht aus dem Sack lassen.

Charles: Danke Kelly.

Kelly: Ich weiß genau wie ihnen zu mute ist, also meine Frau manchmal, naja, ich hoffe es macht ihnen nichts aus Mr Guidney wenn ich trotzdem mal anrufe.

Charles: Na klar doch klar.

Kelly: Nur ne frage, liegt was besonderes vor.

Charles: Was ist.

Kelly: Was, ein Mord natürlich, ja, was, wirklich, tatsächlich.

Charles: Na was ist denn nun Kelly.

Kelly: Ach hat er.

Charles: Es ist doch nichts oder.

Kelly: Ja wenn das so ist, mach ich.

Charles: Was denn Kelly.

Kelly: Er steht direkt neben mir, ok.

Charles: Nein Kelly nein, sehen sie mich nicht so an.

Kelly: Oh doch Mr Guidney, ich verhafte sie hiermit wegen Mordes an einem gewissen John Pastor, der vor einer halben Stunde an einer Schußwunde verblutend aufgefunden worden ist, erschossen mit einer 22 Pistole in einer Toreinfahrt, hinter ein paar Kehrrichtkübeln drüben in der Tempel street, das ist gerade mal 8 Ecken von hier, nah genug also um mich an, verdammt.

Charles: Was blieb mir anderes übrig, ich trat Mr Kelly genau in dem moment vors Schienbein als er die Handschellen hervorholte, dann gab ich ihm noch eins mit der Faust, Kelly blieb regungslos liegen, dann rannte ich zurück über die straße ins haus.

Lydia: Charly, wir können nicht entkommen, wir schaffen es nie.

Charles: Glaubst du.

Lydia: Wir waren verrückt es zu versuchen.

Charles: Jetzt ist alles ganz anders, warte auch mich Lydia, ich bin gleich zurück.

Lydia: Und die Busfahrkarten.

Charles: Die brauchen wir jetzt nicht mehr, bis nachher Lydia.

Lydia: Wo gehst du hin.

Charles: Ich weiß es nicht.

Lydia: Charly komm zurück, Charly.

Charles: Ein leben lang sture mittelmäßigkeit, und nun auf einmal bum krach peng Jack the Ripper, die kalte Hand des Schicksals, ich blickte mich um, hier war es also passiert, vor einer halben Stunde, in diesem schäbigen Einkaufsviertel, in dem Lydia und ich oft einen Bummel gemacht hatten, Schnapsläden, Waffenläden, kleine cafes, leere Parkplätze und dunkle Seitenstraßen, betrunkene Männer die ziellos umher torkelten du narr sagte ich mir, die bullen werden dir deine Geschichte jetzt auf keinen Fall mehr abkaufen, wie willst du die Busfahrkarten erklären, die gepackten Koffer, deine Flucht, die meisten Läden hatten ihre Schutzgitter schon geschlossen, nur ein paar Geschäfte hatten noch Licht.

Charles: Ich hörte hier solls ein bißchen Ärger gegeben haben.

Mann: Ja da drüben in der Seitenstraße.

Charles: Ein alter Mann, was, wer war er, wer hat ihn denn umgebracht.

Mann: Ich weiß nicht, ein oller Penner, was geht mich das an.

Charles: Haben sie irgendwas gesehen.

Mann: Ne, nichts hab bloß blaue Hemden und Sheriffsterne gesehen, und Sirenen gehört.

Charles: Ich ging weiter und dachte angestrengt nach, du suchst einen alten Mann den du nie zuvor gesehen hast und den der ihn umgebracht hat, du mußt den wahren Mörder finden, bei einer Bevölkerung von anderthalb Millionen kann das doch kein Kunststück sein, mir war danach die Leute die mir entgegen kamen anzuhalten ihnen ins Gesicht zu sehen und sie zu fragen, haben sie etwa zufällig vor einer Stunde jemand umgebracht, nein na dann besten dank auch und den nächsten, Mister sind sie ein Mörder, ich ging in jeden Laden der noch offen war, aber niemand hatte was gesehen.

Verkäufer: Der tote, Jonny, nein, hat ne menge gesoffen, hat die ganze Zeit hier in den Einfahrten rumgelungert, hat da nachts auch geschlafen aber Grund den kalt zu machen hatte keiner hatte doch kein bißchen Geld, sagen sie haben sie ihn gekannt.

Charles: Ich, ich bin sehr nah mit ihm verwandt.

Verkäufer: Achso.

Charles: Da hatte ich mir ja was schönes eingebrockt, während ich nur so auf dem Nachhauseweg mit dem Gedanken gespielt hatte, Mr Sternwill, meinen Boß umzubringen, hatte ich meinem eigenen geregelten arbeitsamen Leben eine unvorhersehbare Wendung ins Chaos gegeben, dabei hatte ich doch niemand umgebracht, ich ärgerte mich über meine Schnapps-idee, ja nun du Schlauberger, sagte ich mir, wenn du nicht der Mörder bist, wer ist es dann.

Charles: Mr hat ihnen jemand heute ne Waffe abgekauft, ne 22.

Händler: Sie machen wohl nen Witz.

Charles: Ich meine es ernst.

Händler: Gehen sie mir doch nicht mit sowas auf den Geist, die Leute kaufen sich doch nicht jeden Tag eine Waffe, außerdem man braucht einen Waffenschein.

Charles: Vielleicht hat jemand darum gebeten, ihre Waffen ansehen zu dürfen, und wenns nur einer ist.

Händler: Ein Kunde oder zwei, ich weiß nicht mehr so genau.

Charles: Vermissen sie vielleicht eine Waffe.

Händler: Nein wieso denn, überhaupt nicht.

Charles: Allmählich wurde ich müde, immer die gleiche Antwort.

Charles: Vermissen sie vielleicht eine Waffe Mr.

Händler: Warten sie mal einen Moment, glaube nicht, aber 123456, nur 8, es müssen doch 9 sein, 1234 verdammt eine fehlt, eine 22er.

Charles: Erinnern sie sich noch, wer sie sich heute angesehen hat.

Händler: Klar doch sicher, nur eine Person, konnte die Waffe nicht kaufen, hatte keine Erlaubnis, ich bin dort hinten in den kleinen Raum gegangen und als ich wieder rauskam war niemand mehr da, muß die Waffe gebraucht haben, hat sie einfach geklaut.

Charles: Können sie die Person beschreiben.

Händler: Natürlich, natürlich kann ich das.

Charles: Und der Ladenbesitzer verbreitete sich in größter Ausführlichkeit über die Besonderheiten jener Person, die für das Verschwinden der Pistole verantwortlich war, ich weiß nicht was plötzlich mit mir loswar, die Knie gaben unter mir nach, der Laden um mich herum löste sich auf, erst nach einiger Zeit gelang es mir, den Händler wieder klar ins Auge zu fassen.

Charles: Ein Mörder könnte also ihre Waffe stehlen, jemanden ein paar Ecken weiter erschießen und die Waffe zurückbringen, bevor sie merken daß sie fehlt oder.

Händler: Sicher sicher ich nehm sie fast an, aber sie ist ja nicht zurück gebracht worden, ist immer noch weg.

Charles: Auf diese Weise könnte also jemand an eine Waffe kommen und sie benutzen, die Polizei würde sie nie und nimmer aufspüren, und der Waffenhändler würde ebenfalls nie und nimmer Verdacht schöpfen, die Polizei würde nicht auf den Gedanken kommen, Waffen zu überprüfen, die sie schon jahrelang hier haben, sie würde wahrscheinlich fragen, ob eine fehlt, oder ob sie irgendeine 22er verkauft haben, aber das wäre auch alles nicht wahr.

Händler: Ja ja vielleicht möglich wäre es ja fast.

Charles: Völlig erledigt machte ich mich auf den heimweg, unterwegs fiel mir ein kleiner Laden auf, dessen Lichter noch an waren und in seinem Schaufenster befand sie etwas bestimmtes, Waffen für die man keine Lizenz benötigte, ich ging hinein, legte etwa Geld auf den Kassentisch und als ich wieder herauskam liebkoste meine Hand in der rechten Manteltasche eine Pistole.

Kelly: Ah das sind sie ja wieder.

Charles: Ich nehme an, sie kriegen ihren Mörder noch heute abend Kelly.

Kelly: Ein Glück für sie Freundchen daß sie aus eigenem Entschluß zurückgekommen sind, noch einmal entkommen sie mir nicht.

Charles: Darf ich mich zuerst noch von meiner Frau verabschieden.

Kelly: Naja meinetwegen, ich denke ich kann sie adieu sagen lassen.

Charles: Könnten sie draußen warten Kelly.

Kelly: Gut, Mr Guidney.

Lydia: Ach Charly, gut daß dir nichts passiert ist, ich hatte schon Angst, sie hätten dich erschossen.

Charles: Beinahe hätten sies und sie tuns vielleicht auch noch.

Lydia: Wir kommen bestimmt nicht davon, oh Charly warum hast du es nur getan.

Charles: Ich habs gar nicht getan.

Lydia: Was.

Charles: Ich habe gelogen, hast du denn nicht gemerkt daß ich von anfang an gelogen habe.

Lydia: Ich wieso nein nein hab ich nicht.

Charles: Und ist dir da nicht ein toller Einfall gekommen, meine teure Gattin.

Lydia: Ich verstehe nicht Charly.

Charles: Ich hab dich losgeschickt, Fahrkarten besorgen, du mußtest nur in diesem Laden vorbeischauen, der auch Waffen führt, nach einem bestimmten Artikel fragen, so daß der Besitzer für einen Augenblick den Raum verlassen mußte, die Waffe stehlen, die Tempelstreet entlanglaufen, einen von den dutzenden Säufern und Pennern aussuchen die dort in den Eingängen schlafen, den Mann erschießen, zum Busbahnhof weitergehen, die Fahrkarten kaufen und wieder heimkommen.

Lydia: Was redest du da.

Charles: Als du dann den Polizisten gesehen hast, hast du einen hysterischen Anfall vorgetäuscht, um mich ans Messer zu liefern, ein guter Plan, du hattest nur nicht bedacht, daß ich entkommen und mich bei den Waffenhändlern umtuen könnte, du hattest wahrscheinlich die Absicht, die Waffe morgen zurückzubringen, deine Aussage gegen mich wäre vernichtend gewesen, ich sei heimgekommen, hättest du gesagt und hätte dir erzählt, ich hätte jemanden umgebracht, du hast gehofft daß mich die Polizei bei der Festnahme vielleicht sogar erschießt, die Busfahrkarten, unsere gepackten Koffer, meine Vorgesetzten, die von nichts wußten, unsere Freunde, denen unsere Reisepläne nicht bekannt waren, all das wären verdammt gute Beweise gegen mich gewesen.

Lydia: Du fantasierst.

Charles: Ich auf Jahre im Gefängnis, womöglich sogar hingerichtet und du frei, frei mit deinen Busfahrkarten hinzufahren wo immer du willst, natürlich in Begleitung deines Freundes Travis, keine Langeweile mehr, was Lydia.

Lydia: Du bist verrückt, verrückt, total übergeschnappt.

Charles: Tut mir leid daß es so ausgegangen ist, wir hätten glücklich sein können, hätten noch mal von vorne anfangen können, selbst wenn dir klar war, daß ich dir das mit dem Mord nur vorgelogen hatte, du hättest mitspielen sollen, es wäre schön gewesen, aufregend, hast du mich all die Jahre so sehr gehaßt.

Lydia: Du bist ja wahnsinnig.

Charles: Dann Lydia komm her, dann sieh dir doch erstmal das hier an.

Lydia: Nein Charly.

Charles: Scharf geladen, so scharf wie deine 22er.

Lydia: Du willst.

Charles: Es ist aus Lydia.

Lydia: Charlie.

Charles: Aus, endgültig aus.

Lydia: Ja Charly, ja ich habs getan, ich habs getan, ich hab ihn umgebracht, aber nimm das Ding weg, nimm es weg bitte bitte.

Kelly: Ok Mr Guidney, lassen sie ihre Frau in ruhe, ab jetzt kümmere ich mich um sie, geben sie ihre Waffe her.

Charles: Ist nichts wert Kelly, nur eine Spielzeugpistole.

Lydia: Du Schwein, du Miststück.

Kelly: Ruhig Mrs. Guidney, ganz ruhig.

Balduin Baas: Charles
Adolphos Sowah: Travis
Evelyn Hamann: Lydia
Franz-Josef Steffens: Kelly
Douglas Welbat: Mann
Hans Irle: Verkäufer
Gerd Samariter: 1. Händler
Gerlach Fiedler: 2. Händler

Hörspielfan

29. Juni 2025

Henry Slesar: Genau die richtige Art von Haus (WDR 1965)

Sally: Dadadabadada, hu-la…

Hacker: Sally.

Sally: hu-la, lalala...

Hacker: Sally, bitte hören Sie gefälligst mit dem Geplärre auf, das macht einen ganz krank.

Sally: Ja, Mr. Hacker.

Hacker: Machen Sie mal ein Fenster auf, die Luft ist ja zum schneiden.

Sally: Das kommt von Ihrer Zigarre, Mr. Hacker.

Hacker: Reden Sie nicht, reden Sie nicht, bedienen Sie lieber das Telefon.

Sally: Ja, Mr. Hacker, hier Maklerbüro Hacker…ja…ja…bei 30 Grad im Schatten, nein, nein, Idiot.

Hacker: Sind Sie immer so höflich zu meinen Kunden?

Sally: War kein Kunde.

Hacker: Wer war’s denn?

Sally: Heizölfirma.

Hacker: Was wollte die denn?

Sally: Öl verkaufen.

Hacker: Was, Heizöl bei der Hitze, Idiot.

Sally: Hab ich doch gesagt, hida...badadada...

Hacker: Ein fremder Wagen.

Sally: Häh?

Hacker: Fährt ganz langsam, sehen Sie mal, New Yorker Nummer dem gelben Rechteck nach zu urteilen.

Sally: Sagen Sie bloß, wir kriegen Kundschaft.

Hacker: Sieht fast so aus, der, der scheint jemand zu suchen, tatsächlich, der hält vor unserm Haus.

Sally: Auch das noch.

Hacker: Na los, Sally, tun Sie so, als hätten Sie was zu tun.

Sally: Was denn Mr. Hacker, Whisky holen oder.

Hacker: Nein, was geschäftliches natürlich, spannen Sie einen Bogen in die Maschine und tippen Sie.

Sally: Was denn, richtig arbeiten.

Hacker: Und machen Sie das Radio aus, los, los.

Sally: Jajajajaja...

Hacker: Bewegen Sie sich ein bißchen.

Sally: Schön, schön spielen gut gehendes Geschäft.

Hacker: Ja, na, etwas schneller.

Sally: Was soll ich denn nur tippen, Mr. Hacker?

Hacker: Von mir aus das Alphabet vorwärts und rückwärts, Hauptsache, es hört sich nach Arbeit an.

Sally: OK.

Hacker: Na schneller, können Sie nicht ein bißchen schneller.

Sally: Ja.

Hacker: Ja.

Waterbury: Mr. Hacker?

Hacker: Ja, Sir. Hacker, Haus- und Grundstücksmakler, was kann ich für Sie tun?

Waterbury: Ich hab hier in dieser Zeitung Ihre Anzeige gefunden.

Hacker: Ja, ich setze jede Woche ein Inserat ein, hin und wieder inseriere ich sogar in der Times.

Waterbury: Soso.

Hacker: Ja, die, eine Menge Leute aus der Großstadt interessieren sich nämlich für Städte wie, wie unser kleines Ivy Corners, Mr.

Waterbury: Waterbury, darf ich mich setzen.

Hacker: Bitteschön.

Waterbury: Danke.

Hacker: Nehmen Sie Platz, Mr. Waterbury, ja, gerade diese kleinen idyllischen Städte sind jetzt sehr beliebt, hehehe, nicht wahr, stimmt’s Sally.

Sally: Sagten Sie was, Mr. Hacker?

Hacker: Ja, ich sagte was, ich sagte, daß grade Leute aus der Großstadt solche kleinen idyllischen Städtchen wie unseres sehr lieben.

Sally: O ja, Mr. Hacker, die Leute sind ganz versessen drauf.

Hacker: Ja, schon gut, Sally, schreiben Sie weiter.

Waterbury: Ich hab nicht viel Zeit, kommen wir gleich zum Geschäftlichen.

Hacker: Ist mir recht, Sir, ähm, Sally, Sally?

Sally: Ja, Mr. Hacker?

Hacker: Hören Sie endlich mit dem verdammten Geklapper auf.

Sally: Ja, Mr. Hacker.

Hacker: Also, ist es irgend ein spezielles Grundstück, für das Sie sich interessieren, Mr. W...

Waterbury: Waterbury, ja, es handelt sich um ein Haus, das am südlichen Stadtrand liegt, ganz genau gegenüber einem alten Bau.

Sally: Ach, das Kühlhaus.

Waterbury: Ja, was dieser Bau darstellt, weiß ich nicht, es steht leer.

Hacker: Südlicher Stadt, Sie meinen sicher das Kühlhaus, ja dieses, äh dieser leerstehend, leerstehende Bau ist das Kühlhaus, nicht wahr, Sally.

Sally: Ja, richtig.

Hacker: Und das andere, sagen Sie, war das ein Haus, etwa so ein altes Haus mit Säulen und.

Waterbury: Ja, es hatte Säulen.

Hacker: Und eine Veranda davor, so eine alte hölzerne Veranda und rund herum so ein verwilderten Garten, meinen Sie das Haus.

Waterbury: Die Beschreibung paßt genau, das ist das Haus, das ich meine, also, wie steht es damit, soweit ich mich erinnere, habe ich irgendwo eine Tafel „Zu verkaufen“ gesehen, aber 100prozentig weiß ich es nicht.

Hacker: Doch doch, da können Sie schon recht haben, also so ein Haus möchten Sie haben.

Sally: Wie wär’s denn mit dem Bungalow, Chef?

Hacker: Moment, gut, da könnte, da könnte ich Ihnen schon was anbieten, beispielsweise 6 Zimmer, 2 Bäder, Swimmingpool und einen sehr gepflegten Park.

Waterbury: Was faseln Sie da von Swimmingpool?

Hacker: Also kein Swimmingpool, bitte sehr, bitte, dann vielleicht äh ein Waldgrundstück, Blockhaus, 5 Zimmer, eigenes Jagd.

Waterbury: Mr. Hacker, hören Sie zu, ich habe Sie nicht nach irgendeinem Haus gefragt, sondern nach dem Haus mit den Säulen und der Veranda davor.

Hacker: Aber lieber Mr. Waterbury, das ist doch kein Haus für Sie.

Waterbury: Überlassen Sie das gefälligst mir.

Hacker: Bitte, bitte, schön, Sally, bitte die Akte Grimes, bitte bißchen schneller, ja, ich werde es Ihnen zeigen, Mr. Waterbury, aber ich garantiere Ihnen, daß Sie das Haus nicht kaufen werden.

Sally: Bitte sehr, Mr. Hacker, Grimes, hier ist die Akte.

Hacker: Na, dann wollen wir mal sehen. Aber vielleicht ist es am besten, Sie lesen es selber, Mr.

Waterbury: Ja gut, geben Sie her, aha, echter Kolonialstil, 8 Zimmer, 2 Bäder, automatische Ölheizung, geräumige Veranden, Bäume und Sträucher, Geschäfte und Schulen in der Nähe, aber was wollen Sie eigentlich, Mr. Hacker, hört sich doch alles wunderbar an.

Hacker: Ja, lesen Sie nur weiter.

Waterbury: Gepflegtes ruhiges Wohnviertel ohne Industrie, kein Gegenüber, Preis 75...75.000 Dollar, das, das, Sie sind wohl nicht recht bei Trost.

Hacker: Na, was habe ich gesagt, immer noch interessiert?

Waterbury: Steht das Haus auf einer Ölquelle oder was ist los damit.

Hacker: Ohoho, Sie meinen, weil es so teuer ist.

Waterbury: Na was wohl sonst, ja.

Hacker: Das ist es doch gerade, seit 5 Jahren habe ich das Haus an der Hand, nicht wahr, Sally.

Sally: Jaja.

Hacker: Seit 5 Jahren, ich will gern verkaufen, das ist doch mein Beruf, nur zu gern, davon leb ich doch, aber bisher hat sich noch kein Käufer gefunden, der bereit ist, ganze 75.000 Dollar für das Haus zu bieten.

Sally: Nicht einer.

Hacker: Keiner, mit einem Wort, aber Mrs. Grimes läßt einfach nicht mit sich reden.

Waterbury: So, sie läßt nicht mit sich reden, hat sie vielleicht einen besonderen Grund, wer ist diese Mrs. Grimes eigentlich.

Sally: Die Hausbesitzerin.

Hacker: Die Hausbesitzerin, ich glaube, ich glaube, es ist am besten, ich erzähle Ihnen mal alles von Anfang an.

Waterbury: Tun Sie das, Mister, wenn ich kaufen soll, muß ich alles genau wissen, ganz genau sogar.

Hacker: Mrs. Grimes, die Hausbesitzerin also, ist eine sehr nette alte Dame, vor 5 Jahren, als ihr Sohn starb, entschloß sie sich, das Haus zu verkaufen, nicht wahr, Sally, den Auftrag dazu gab sie mir, ich wollte gar nicht, wirklich nicht.

Sally: Das stimmt, das stimmt.

Hacker: Ich wollte gar nicht, nicht wahr, Sally, Mr. Waterbury, das hab ich ihr auch mitten ins Gesicht gesagt, der alte Kasten ist doch niemals 75.000 Dollar wert, Sie können es mir glauben, ich verstehe was von Häusern.

Sally: Also da können Sie ganz sicher sein, der Chef, der versteht was von Häusern.

Hacker: Ganz ganz sicher sein, keine 10.000 ist es wert.

Waterbury: So, keine 10, und sie will 75. haben.

Hacker: Ja, fragen Sie mich nicht, warum, das Haus ist nämlich wirklich alt.

Sally: Ein ziemlich alter Kasten, unter uns gesagt.

Hacker: Ja aber nicht so wie die anderen, die solide wie auf Fels gebaut sind, einfach alt ist es, nichts weiter, außerdem ist nie etwas gegen Termiten getan worden, in den nächsten paar Jahren kommt bestimmt ein Balken und dann klappt der nächste runter, zudem stehen die Kellerräume die halbe Zeit unter Wasser.

Sally: Na, da brauchen Sie keinen Swimmingpool, ne?

Hacker: Die erste Etage ist auf der einen Seite gut 20 cm abgesackt, und das Grundstück ist der reinste Urwald.

Waterbury: Ja, weshalb verlangt sie dann so viel dafür.

Hacker: Fragen Sie mich nicht, vielleicht Gefühl, für Tradition, seit dem großen Krieg ist das Haus im Besitz der Familie, kann sein, daß das der Grund ist.

Waterbury: Ja, das kann natürlich sein, ach, und dabei gefällt es mir so gut, es ist, ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, es ist genau die richtige Art von Haus für mich.

Hacker. Ich weiß, was Sie meinen, ein freundliches altes Haus, und für 10.000 Dollar wäre es auch ein guter Kauf, aber 75, hahaha.

Waterbury: Ich fahr mal hin zu der alten, werd mal mit ihr reden.

Hacker: Ich werde bei Mrs. Grimes anrufen und sie auf Ihren Besuch vielleicht vorbereiten.

Waterbury: Meinetwegen, also bis später.

Waterbury: Genau die richtige Art von Haus ist das.

Grimes: Ah, Sie sind sicher Mr. Waterbury, Mr. Hacker hat Sie schon angekündigt.

Waterbury: Ja, der bin ich, guten Tag, Mrs. Grimes, wie geht es Ihnen?

Grimes: Ich bin zufrieden, wahrscheinlich möchten Sie hereinkommen.

Waterbury: Wenn ich darf, es ist nämlich schrecklich heiß hier draußen.

Grimes: Oh, aber bitte, mein lieber, bitte, kommen Sie, so, ich habe schon Limonade in den Kühlschrank gestellt, aber eins muß ich Ihnen gleich sagen, Mr. Waterbury, ich lasse mich auf keinen Handel ein, nein, zu diesen Leuten gehöre ich nicht.

Waterbury: Aber ich will doch gar nicht mit Ihnen handeln, Mrs. Grimes.

Grimes: So, bitte hier herein.

Waterbury: Danke.

Grimes: Bitte, Mr. Waterbury, nehmen Sie Platz, ich setze mich gleich wieder in meinen Schaukelstuhl, da sitze ich nämlich am bequemsten.

Waterbury: Darf ich Ihnen behilflich sein.

Grimes: Nein danke, das kann ich recht gut alleine, sonst ist ja auch niemand hier, der mit hilft.

Waterbury: Schön dunkel und kühl ist es hier, eine richtige Wohltat.

Grimes: Also, was führt Sie her, Mr. Waterbury.

Waterbury: Tja, ja da dann will ich es mal folgendermaßen ausdrücken, Mrs. Grimes, ich bin Geschäftsmann, Junggeselle dazu.

Grimes: O wie schön.

Waterbury: Ja, ich habe schwer gearbeitet und dabei ein hübsches kleines Vermögen gemacht, und jetzt möchte ich mich zur Ruhe setzen, am liebsten an einem Ort, wo es ganz ruhig ist, Ivy Corners gefällt mir, ja, vor einigen Jahren bin ich einmal hier durchgekommen, und zwar auf dem Wege nach, nach Albany, und damals habe ich mir gesagt, hier möchte ich leben, einmal so richtig ausspannen.

Grimes: Und.

Waterbury: Ja, und als ich heute durch diese Stadt fuhr und dieses Haus hier sah, da, da war ich begeistert, es scheint für mich genau richtig zu sein.

Grimes: Mir gefällt das Haus auch, Mr. Waterbury, und deshalb verlange ich auch einen angemessenen Preis dafür.

Waterbury: Einen angemessenen Preis, Sie müssen doch zugeben, Mrs. Grimes, daß ein Haus dieser Art heutzutage nicht mehr als.

Grimes: Mr. Waterbury, Sie schlimmer Sie, Sie sollen doch nicht mit mir streiten.

Waterbury: Aber liebe Mrs. Grimes.

Grimes: Jaja, Sie streiten mit mir, und in diesem Punkt, da bin ich nun etwas eigensinnig, ich habe einen Preis für das Haus festgesetzt, und wenn Sie den nicht bezahlen wollen, brauchen wir uns gar nicht mehr darüber zu unterhalten, dann sprechen wir vom Wetter.

Waterbury: Aber Mrs. Grimes, ich meinte doch nur, es wäre vielleicht.

Grimes: Kein Wort mehr von dem dummen Haus, mein Lieber, wollen wir ein bißchen in den Garten gehen?

Waterbury: Noch einen Moment, Mrs. Grimes, bitte, noch einen kleinen Moment, ich weiß, daß es verrückt ist, aber, also gut, Mrs. Grimes, ich bin einverstanden, ich zahle den Preis, ich zahle, was Sie verlangen.

Grimes: So, haben Sie sich das auch genau überlegt, Mr. Waterbury?

Waterbury: Ja, das habe ich, Geld habe ich genug, wenn Sie unbedingt Ihren Willen haben wollen, bitte, ich bin einverstanden.

Grimes: Sie wollen mir wirklich 75.000 Dollar bezahlen.

Waterbury: Da Sie darauf bestehen, nun gut, ich, das Haus gefällt mir nun mal, ja, es gefällt mir wirklich.

Grimes: Das freut mich, nun, die Limonade ist jetzt bestimmt kalt genug, ich hole Ihnen ein Glas.

Waterbury: Sehr freundlich.

Grimes: Und dann möchte ich Ihnen einiges über dieses Haus erzählen.

Waterbury: Puh, diese Affenhitze, auf die Dauer hält das kein Mensch aus.

Grimes: So, Mr. Waterbury, hier ist Ihre Limonade.

Waterbury: Vielen Dank.

Grimes: Ich habe noch Eiswürfel hinein getan.

Waterbury: Oh, danke, Mrs. Grimes, danke, sehr liebenswürdig, oh, das tat gut.

Grimes: Dieses Haus befindet sich seit 1802 im Besitz meiner Familie, rund 15 Jahre vorher war es gebaut worden, mit Ausnahme meines Sohnes Michel wurde jedes Mitglied meiner Familie in dem oben liegenden Schlafzimmer geboren.

Waterbury: Na ja, da hängt man natürlich an so einem Haus.

Grimes: Und außerdem liebe ich dieses Haus, verstehen Sie mich.

Waterbury: Natürlich, Mrs. Grimes, ich verstehe Sie ja so gut.

Grimes: Michels Vater starb, als Michel 9 war, damals hatten wir es sehr schwer, ich übernahm Näharbeiten, dann starb mein Vater, er hinterließ mir eine kleine Jahres-rente, von der ich heute lebe, nicht gerade großartig, aber ich komme zurecht, Michel vermißte seinen Vater sehr, vielleicht sogar mehr als ich es tat, und im Laufe der Zeit wurde er, Gott ja, wild ist das einzige Wort, das einem dabei einfällt, verstehen Sie.

Waterbury: Die Jugend.

Grimes: Ja, als er das Examen an der Highschool gemacht hatte, verließ er Ivy Corners und ging in die Stadt, gegen meinen Willen, Mr. Waterbury, gegen meinen Willen, damit kein Irrtum entsteht.

Waterbury: In dem Alter weiß man das Gute meistens noch nicht zu schätzen.

Grimes: Er war wohl so, wie viele junge Leute in dem Alter sind, voller Ehrgeiz, aber noch ohne jedes Ziel, was er in der Stadt anfing, weiß ich nicht.

Waterbury: Ja hat er Sie denn nie besucht.

Grimes: Er schickte mir regelmäßig Geld, Erfolg muß er also gehabt haben, 9 Jahre lang sah ich ihn nicht.

Waterbury: Jajaja, 9 Jahre, das ist wirklich eine recht lange Zeit.

Grimes: Ja, es war für mich nicht leicht, aber noch viel schlimmer war es, als er wieder nach Hause kam, und zwar wegen irgendwelcher Schwierigkeiten.

Waterbury: Oh, er hatte Schwierigkeiten.

Grimes: Ich hatte keine Ahnung, wie groß diese Schwierigkeiten waren, mitten in der Nacht tauchte er plötzlich auf, er sah viel dünner und älter aus als ich es jemals für möglich gehalten hätte, Gepäck hatte er keines bei sich, bis auf einen kleinen schwarzen Koffer.

Waterbury: Ja, ja und.

Grimes: Als ich versuchte, ihm diesen kleinen Koffer aus der Hand zu nehmen, hat er mich fast geschlagen, mich, seine eigene Mutter.

Waterbury: Na, das war aber wirklich sehr unrecht von Ihnen.

Grimes: Ja, Sie haben recht, es war nicht richtig, aber der Junge war wohl sehr verwirrt, ich habe ihn nachher zu Bett gebracht, als wäre er wieder ein ganz kleiner Junge, und dann hat er geweint, die ganze Nacht habe ich ihn weinen gehört.

Waterbury: Ach, der arme arme Junge.

Grimes: Aber er ließ mich nicht zu sich herein, er hatte seine Tür verriegelt, am nächsten Tag schickte er mich aus dem Haus, nur für ein paar Stunden, er hätte irgend etwas vor, sagte er, was es war, verriet er nicht, als ich dann aber gegen Abend heim kam, merkte ich, daß der kleine schwarze Koffer verschwunden war.

Waterbury: Was soll das heißen.

Grimes: Damals wußte ich es noch nicht, aber gar nicht viel später bekam ich es heraus, schrecklich schnell, in der folgenden Nacht kam ein Mann in unser Haus, ich weiß heute noch nicht, wie er überhaupt herein kommen konnte, merken tat ich es erst, als ich in Michels Zimmer Stimmen hörte, ich schlich an die Tür und versuchte zu lauschen.

Waterbury: Was, Sie haben gelauscht, ja und?

Grimes: Ich wollte doch herausfinden, in welchen Schwierigkeiten mein Junge steckte, aber ich hörte nur Stimmen, laute und drohende Stimmen, und dann.

Waterbury: Und dann.

Grimes: Und dann ein Schuß, als ich ins Zimmer kam, stand das Fenster weit offen, der Fremde war verschwunden, und Michel, Michel lag auf dem Boden, er war tot, erschossen, das alles geschah vor 5 Jahren, vor 5 langen Jahren, es dauerte eine ganze Weile, bis ich erfuhr, was passiert war.

Waterbury: Was haben Sie denn herausgekriegt.

Grimes: Die Polizei hat mir die ganze Geschichte erzählt, Michel und der andere Mann hatten ein Verbrechen begangen, ein schweres Verbrechen, viele viele tausend Dollars hatten sie gestohlen, fast eine halbe Million, eine halbe Million, Michel hatte das Geld genommen und war damit weggelaufen, weil er es für sich behalten wollte, er versteckte es irgendwo in diesem Haus, wo, das weiß ich bis heute nicht, dann kam der andere Mann zu meinem Sohn, um seinen Anteil zu fordern, als er feststellte, daß das ganze Geld verschwunden war, brachte er meinen Jungen um, aus Rache.

Waterbury: Und, und Sie haben das Geld nicht gefunden.

Grimes: Nein, Mr. Waterbury, nein, sehen Sie, Mr. Waterbury, deshalb habe ich das Haus zum Verkauf ausgeschrieben und viel zu viel Geld dafür verlangt.

Waterbury: Ja, viel zu viel, wieso, das verstehe ich nicht.

Grimes: Nein, Mr. Waterbury, verstehen Sie wirklich nicht, ich wußte, daß der Mörder meines Sohnes zurückkommen wurde, irgendwann einmal, irgendwann würde er kommen, um sich das Geld zu holen, das viele Geld, das noch immer hier in diesem Haus versteckt sein muß, ich wußte, eines Tages würde ein Mann kommen, um dieses Haus zu kaufen, er würde sich nicht abweisen lassen, auch ein hoher Preis, ein viel zu hoher Preis würde ihn nicht abschrecken, und ich habe recht gehabt, nicht wahr, Mr. Waterbury, 75.000 Dollar sind Ihnen nicht zu viel?

Waterbury: Die Limonade...die...die Limo...

Günther Ungeheuer: Mr. Waterbury
Annemarie Rocke-Marks: Mrs. Grimes
Alfred Balthoff: Mr. Hacker
Ursula Langrock: Sally

Hörspielfan

29. Juni 2025

Der Mitternachtswürger (BR 1992)
Kriminalhörspiel von Marina Dietz nach 3 Kurzgeschichten von Jack Ritchie

Brannigan: Ich frage sie, was hatten sie in der Tiefgarage zu suchen Mr.

Turnbuckle: Turnbuckle, Henry Turnbuckle, Privatdetektiv und nicht schwerhörig, Mrs Homer Schleidel hatte Grund zur Annahme, daß ihr Gatte nicht wie er behauptete, jeden Donnerstag abend im Kegelclub verbringt, er suchte in der Tat heute nicht diesen Ort auf, sondern das Hinterzimmer des Buchhandels nur für Erwachsene, wo er 1 Stunde und 23 Minuten bei einer Filmvorführung verweilte, gegen 21 Uhr 45 befand er sich dann auf dem Weg zurück zu seinem Wagen wo ich ihm meinem Auftrag gemäß unauffällig folgte, in der Tiefgarage richteten sich plötzlich ein halbes dutzend Taschenlampen auf meine Person, und mir wurde dringend geraten, keinen Mucks zu tun sonst würde man mir den Kopf wegpusten, gleich darauf war ich von mindestens 20 Mann in Polizeiuniform umringt, auf meine höfliche Frage was das zu bedeuten habe, erhielt ich keine Antwort sondern wurde unter erneuter Androhung von Gewalt hierher ins Polizeipräsidium verbracht.

Brannigan: Er will witzig sein, merken sies Wiggins, und er redet ganz schön viel.

Wiggins: Hat jemand schon Mr Turnbuckle über seine Rechte belehrt.

Brannigan: Eigentlich nicht in dem ganzen Trubel, also Sie haben das Recht zu schweigen, sie haben das recht, verdammt, wo ist denn diese Karte wo alles draufsteht, Wiggings, nun machen sie schon.

Wiggins: Sie haben das Recht.

Turnbuckle: Danke ich kenne meine Rechte.

Brannigan: Schau an schau an.

Wiggens: Dann wollen sie sicher einen Anwalt Sir.

Turnbuckle: Ich bin sicher das wird nicht nötig sein.

Brannigan: Ein Spaßvogel.

Wiggens: Ich fürchte sie verkennen den Ernst der Lage.

Turnbuckle: Moment, lassen sie mich raten, sie meinen doch nicht etwa, ich sei der Mitternachtswürger.

Brannigan: Sie haben von ihm gehört.

Wiggins: Die Zeitungen waren ja voll davon.

Turnbuckle: Es gab bisher 6 Opfer, alles Männer zwischen 46 und 57 Jahre alt, sie wurden in der nähe ihrer geparkten Autos überfallen, in der Regel zwischen 20 und 22 Uhr, eigentlich wäre die Bezeichnung 21Uhr-Würger zutreffender, aber für die Presse nicht reißerisch genug.

Brannigan: Wiggins, die Reporter, gehen sie und halten sie uns die vom Leib, vorläufig noch.

Wiggins: Ich werde mich darum kümmern.

Brannigan: Ich versteh nicht, woher die so plötzlich Wind bekommen haben, ja was ist denn Wiggins, sind sie noch nicht weg, raus mit ihnen, sie Trauerweide.

Turnbuckle: Sünder müssen büßen, das find ich das faszinierendste, jeder Tote wurde mit diesen Worten auf der Stirn markiert, mit einem Gummistempel vermutlich.

Brannigan: Sie scheinen sich ja sehr für den Fall zu interessieren.

Turnbuckle: Es geht nichts über eine feine Mordserie.

Brannigan: Ja klar.

Turnbuckle: Ich meine natürlich das Rätsel, die Herausforderung, aber ich glaube ich rede zu viel.

Brannigan: Nein nein nein nein nein machen sie ruhig weiter.

Turnbuckle: Vor dem Mitternachtswürger hat die örtliche Polizei erstmal völligversagt.

Brannigan: He reiß dich zusammen Freundchen.

Turnbuckle: Verständlicherweise weil außer Geschlecht und ungefährem Alter kein Zusammenhang zwischen den Opfern sichtbar war, die verschiedensten Berufe, meistens verheiratet, respektable Bürger.

Brannigan: Sagen sie mal, sie sagen das so, als hätten sie was dagegen.

Turnbuckle: Aber nein, auch der Hersteller pornografischer Aufnahmen von kleinen Mädchen kann ein sehr respektabler Bürger sein, ebenso der Vertreiber dieser Literatur nur für Erwachsene, von so einem Geschäftsmann kam doch der Hinweis, er habe unter den ermordeten Männern 3 seiner Stammkunden wiedererkannt, wenn das mein Fall wäre, nur mal angenommen, würde ich in dieser Richtung weitere Nachforschungen anstellen, die vielleicht ergeben können, daß unter den Opfern 2 weitere Kunden.

Brannigan: Es waren drei.

Turnbuckle: Na sehen sie, ehrbare Bürger mit einer Neigung zu schmutzigen kleinen und in der Regel ungefährlichen Lastern, wenn sich nun aber der Mitternachtswürger, wenn er sich also berechtigt, möglicherweise sogar ausersehen fühlt, diese spezielle Sünde zu rächen.

Brannigan: Dann hält er jedenfalls die Polizei für verdammt dämlich, die einschlägigen Örtlichkeiten haben wir schon seit 2 Tagen unter Beobachtung und wir haben sie geschnappt.

Turnbuckle: Ja Sir, bitte wäre es vielleicht möglich das Fenster zu öffnen, also die Luft hier.

Brannigan: Ist ihnen doch nicht etwa zu heiß geworden.

Turnbuckle: Dürfte ich wenigstens mein Taschentuch, es steckt in meinem Mantel, der dahinten hängt, meine Rechte als Verhafteter.

Brannigan: Jajaja machen sie, machen sie, aber keine dummen Tricks.

Turnbuckle: Ich bitte sie Sir.

Brannigan: Was ist das, was haben sie denn da gerade so schnell wieder weggesteckt, holen sies wieder raus, raus raus raus und keine falsche Bewegung so und jetzt her zu mir.

Turnbuckle: Ja ich weiß wirklich nicht, ich bin sprachlos.

Brannigan: Das wäre aber glatt ein Wunder, geben sie mal her, ach schau an, schau an, ein Stempel, gehört das auch zur Ausrüstung eines Privatdetektivs, ach lesen sie doch das mal vor.

Turnbuckle: Sünder müssen büßen, darf ich mich setzen Sir.

Brannigan: Ja gute Idee setzen wir uns.

Turnbuckle: Ich muß ihnen wohl ein Geständnis machen, mein Name ist in der Tat Henry Turnbuckle, aber ich bin kein Privatdetektiv.

Brannigan: Das war mir klar.

Turnbuckle: In wirklichkeit gehöre ich der Polizei von Milwaukee an, wenn auch im Augenblick auf Fortbildungsurlaub und bevor sie mich wieder anbrüllen rufen sie bitte Captain Johnson an, das ist mein Vorgesetzter.

Turnbuckle: Natürlich wird jetzt Captain Brennigan mit dem reizbaren Temperament erst mal gehen und meine Angaben überprüfen, aber mein Problem ist damit nicht gelöst, mein Problem, vielleicht war es einfach das, Polizist sein und das in Milwaukee.

Ralph: Ist der Bericht da, ja und, ah Herzschlag ganz eindeutig, dann können wir Henrys raffinierte Giftmordtheorie vergessen, ist auch nicht der Stil der Leute hier, ok bis später, und was willst du mit diesen Zeitungsausschnitten, neue Kochrezepte.

Turnbuckle: Ralph, in den letzten 5 Monaten sind hier 4 Frauen eines gewaltsamen Todes gestorben, ich bin überzeugt, daß sie von ein und demselben Mann ermordet worden sind.

Ralph: Aber Henry, jedesmal wenn uns ein Serienmörder unterkam, dann ist er noch immer so aufmerksam gewesen, uns entweder vor oder nach dem Mord Briefe zu schicken.

Turnbuckle: Paß auf, jedes der Opfer war reich, nicht mehr ganz jung, verheiratet, und jedes mal hatte der Ehemann ein perfekte Alibi für die Tatzeit, Thompson ein Festessen, Whitecliff eine Bridgepartie, Kerny eine Vorstandssitzung und Tressel eine Partie Golf, diese Umstände werden in den Zeitungsberichten erwähnt, weil vermutlich im Fall von Gattenmord jeder automatisch den Ehemann verdächtigt und der Verdacht sollte wohl erst gar nicht aufkommen.

Ralph: Meine Frau ist beim Aquarellkurs und Henry hat mich zum Abendessen eingeladen ja machs gut.

Turnbuckle: Ralph, vier Morde an vier reichen Ehefrauen und vier Ehemänner mit perfekten Alibi das ist doch einfach vielzuviel zufall, um wahr zu sein.

Ralph: Und meinst du die sind alle von einem Verrückten umgebracht worden, der was gegen reiche Hausfrauen hat.

Turnbuckle: Aber nein Ralph, auch nicht von überraschten Einbrechern wie die Kolle-gen meinen, ich bin sicher dahinter steckt ein gekaufter, ein professioneller Mörder.

Ralph: Henry, mir ist auch etwas aufgefallen, jedes der Opfer wurde in einem Vorort ermordet, mit anderen Worten, das ist nicht unser Revier.

Turnbuckle: Ich rede mit Captain Johnson und zwar sofort.

Ralph: Gut, dann kannst mir heute abend erzählen was er gesagt hat.

Turnbuckle: Wir wollen doch den Kollegen auch noch ein bißchen Arbeit übriglassen, Henry hat er gesagt, haben wir vielleicht etwas gegen reiche Villenbesitzer, Eigentum ist Diebstahl, meint Marx, meint Turnbuckle das auch, hat er gesagt.

Ralph: Dein Gulasch schmeckt ausgezeichnet Henry.

Turnbuckle: Das hier ist kein Gulasch sondern ein Boeuf Stroganoff, und das Zitat ist nicht von Marx sondern von Trudeau, irgendwie tut er mir leid.

Ralph: Was wer.

Turnbuckle: Johnson ein Gefangener seiner Rolle als Vorgesetzter, vielleicht sogar heimlich hoffend, ein Mann wie ich bereit ganz allein.

Ralph: Was immer du vorhast Henry, erwarte nicht daß ich dir.

Turnbuckle: Ich sagte alleine Ralph, und morgen ist mein freier Tag.

Turnbuckle: Tja wie würde Henry Turnbuckel von Beruf Killer auf Mordkundenfang gehen, man platzt ja wohl nicht einfach in Büros oder Sitzungszimmer und erkundigt sich ob jemand seine Gattin aus dem weg geräumt haben möchte, zwangloser, privater muß das gehen, bei einem drink vielleicht, Männer unter sich, tja, hier Tresel hat sich zum Zeitpunkt als seine Frau ermordet wurde, auf dem Golfplatz des Radisoncountryclubs befunden, gibt es einen besseren ort fragt sich Henry der Killer, um sich bei den Reichen anzubiedern, ob so ganz zufällig alle betroffenen Gatten in dem selben Club, ach jetzt ist diese verflixte Pfeife schon wieder ausgegangen, 210.

Angestellter: Radison Country Club.

Turnbuckle: Ja guten abend, ich bin von außerhalb, ich sollte James Whiteclif in seinem Country Club treffen, nur hat Jimmy leider vergessen mir zu sagen welchem Club er angehört, ist denn bei ihnen ein James Whitecliff Mitglied.

Angestellter: Ja, soll ich ihn ausrufen lassen.

Turnbuckle: Nein danke, ich bin ja gleich da, ach übrigens ich glaube da ist noch einer meiner Freunde in ihrem Club, Franklin Coruny.

Angestellter: Ja den hab ich gerade an die Bar gehen sehen.

Turnbuckle: Ah vielen Dank, so jetzt haben wir schon drei, und morgen wird Henry der Polizist Henry den Detektiv direkt in die Höhle des Löwen schicken.

Barkeeper: Tut mir leid daß sie so lange warten müssen Mr.

Turnbuckle: Carsten, Edward Carsten.

Barkeeper: Carsten, unser Geschäftsführer müßte jeden Augenblick zurückkommen, möchten sie vielleicht was trinken in der Zwischenzeit.

Turnbuckle: Ja gern einen kleinen Sherry dry fino bitte.

Barkeeper: Oh da muß ich nachsehen, so was ist hier leider nicht sehr gefragt, nicht einmal mehr bei den Damen.

Turnbuckle: Ich glaube mich zu erinnern daß Mr Thompson gern einen Sherry nimmt.

Barkeeper: Matthew Thompson, nein der trinkt nur den feinsten Maltwhisky.

Turnbuckle: Aha Nr. vier.

Barkeeper: Was sagte sie.

Turnbuckle: Ach vielleicht können sie mir auch weiterhelfen, ich bin kein Mitglied, noch nicht aber es doch da bestimmt rigide Aufnahmebestimmungen.

Barkeeper: Oh nein keineswegs.

Turnbuckle: Nene, ich dachte eher, ich bin doch neu in der Gegend.

Barkeeper: Im Prinzip kommen nur alteingesessene Bewerber zum zug, aber ein bißchen müssen wir wohl auch mit der Zeit gehen, dieser Mr Netterly der letztes Jahr neu aufgenommen wurde, scheint schwer reich zu sein, war aber gerade erst von St Louis zugezogen, ist aber mittlerweile ein beliebter Gesellschafter und hält sich viel im Klub auf.

Turnbuckle: Im moment auch.

Barkeeper: Ja ich glaub er ist da drüben auf der Veranda, da haben wir sie ja unsere letzte Flasche, Cream Sherry.

Turnbuckle: Ach wenn sie doch lieber einen Malt Whisky.

Netterly: Ihnen liegt doch irgendwas auf der Seele alter Junge.

Turnbuckle: Wie kommen sie denn drauf.

Netterly: Sie starren zwischendurch ins leere, seufzen zum steinerweichen, und nicht mal ihr Drink scheint ihnen zu schmecken, immer noch der gleiche seit einer Stunde, also was ist los.

Turnbuckle: Wenn sie mich so direkt fragen, es ist wegen meiner Frau.

Netterly: Aja.

Turnbuckle: Sie treibt sich mit einem andern rum, ich weiß nicht wer er ist, ich weiß nur daß es ihn gibt, und es gibt wohl mehr als nur den einen.

Netterly: Haben sie schon mal an Scheidung gedacht.

Turnbuckle: Scheidung, sie kennen doch unsere Gesetze, das Aas würde mich ausnehmen wie eine Weihnachtsgans, als ich sie kennenlerne, habe ich sie praktisch in der Gosse aufgelesen, meine Familie mochte sie nicht, niemand mochte sie, ich wollte ja nicht hören, jetzt isses zu spät.

Netterly: Nanana.

Turnbuckle: Was würde ich nicht tun um sie wieder loszuwerden, manchmal kommen mir so wahnsinnige Ideen wie ein Gewehr zu nehmen und ihr eine Kugel durch den Kopf zu jagen.

Netterly: Das halte ich für keine gute Lösung ihres Problems, es sei denn sie sitzen gerne hinter Gitter.

Turnbuckle: Sie kennen nicht ganz zufällig so jemand den man anheuern könnte, daß er meine Frau umbringt.

Netterly: Das ist doch wohl nicht ihr ernst.

Turnbuckle: Und ob ich würde jedem glatt 50000 Dollar bezahlen, der das endlich besorgt, es muß doch irgendwo irgendsojemand geben und den werde ich weißgott ausfindig machen, schönen Tag noch.

Netterly: Moment, bleiben sie sitzen, sie sollten mit sowas kein scherz treiben.

Turnbuckle: Das tu ich auch nicht, weiß gott nicht.

Netterly: Der Alkohol kanns ja wohl nicht sein.

Turnbuckle: Nein, 50000 in bar.

Netterly: Tja vielleicht wüßte ich wirklich jemand.

Turnbuckle: Ausgezeichnet und wer.

Netterly: Ich.

Turnbuckle: Ich hab natürlich im moment leider nicht so viel Geld bei mir.

Netterly: Das hab ich auch nicht erwartet.

Aber ich kann es besorgen, wir treffen uns dann heute nachmittag um 2 wieder hier.

Netterly: Ich werde sie erwarten.

Ralph: Henry, ich sollte dir nicht helfen und eigentlich tu ich es ja auch nicht, aber ist das was du wolltest.

Turnbuckle: Genau ein Tonbandgerät das haarscharf und auffällig in die Brusttasche meiner Jacke paßt.

Ralph: Das Mikrophon steckt hier im Botton des internationalen Rotarylubs, gott schütze dich mein Sohn.

Turnbuckle: Ach Mr Netterly haben sie vielleicht die genaue Uhrzeit.

Netterly: Genau 2 Uhr und eine halbe Minute.

Turnbuckle: Danke, ach jetzt hab ich die Datumsanzeige erwischt, diese modernen Apparate aber auch, heute ist doch der 15. September.

Netterly: Der 15. September 1979.

Turnbuckle: Also dann zum geschäftlichen, sie haben es sich doch nicht etwa anders überlegt.

Netterly: Neinnein.

Turnbuckle: Sie haben immer noch vor, Mrs Edwarda Carston, meine Ehefrau für mich umbringen.

Netterly: Ja.

Turnbuckle: Und sie wollen dafür 50000 Dollar haben.

Netterly: 50000 sie sagen es.

Turnbuckle: Gut, Mr Netterly ich verhafte sie.

Mr Carston, ich verhafte sie wegen Anstiftung zum Mord an ihrer Ehefrau, widerstand ist zwecklos, hinter ihnen stehen noch zwei Kollegen in zivil, Mr Netterly hat mit einem versteckten Tonbandgerät die gesamte Unterhaltung aufgezeichnet, noch mal vielen dank für ihre Wachsamkeit und ihre mutige Mithilfe, Mr Netterly.

Netterly: War mir ein vergnügen, sowas darf doch nicht frei herumlaufen.

Turnbuckle: Meine Herren ich glaube wir sind alle Opfer eines Mißverständnisses, ich habe keine Frau und heiße auch nicht Carson, in wirklichkeit bin ich zufällig Sergeant bei der Kriminalpolizei von Milwaukee, ein Kollege also, hier meine Dienstmarke.

Interessant und wer sagt mir daß diese Brieftasche mit der Marke nicht gestohlen ist und selbst wenn sie wirklich dieser Turnbuckle sind, wieso treiben sie sich dann in unserem Revier herum, sind sie der Meinung daß wir mit unserer Arbeit allein nicht fertig werden.

Turnbuckle: Im moment sind ungefähr 3 dutzend neugierige Augen auf uns gerichtet, können wir das nicht an ein ruhigeren Plätzchen besprechen.

Turnbuckle: Ehrlich gesagt ich hatte von den Kollegen etwas mehr Selbstbewußtsein erwartet, aber anstatt mit mir zu verhandeln haben sie Captain Johnsen hergeholt.

Ralph: Henry mach bitte die Musik etwas leiser.

Turnbuckle: Und morgen melden sie sich zur Entgegennahme einer angemessenen Disziplinarstrafe in meinem Büro, Turnbuckel.

Ralph: Ach was Johnson wird dir schon nicht den Kopf abreißen, du hast schließlich auch gute Arbeit geleistet in der Vergangenheit, der Fall Derows, der Pizzamörder, die Carrtrid Juwelen.

Turnbuckle: Freut mich daß du das auch so siehst.

Ralph: Und du hast uns mit deiner art zu denken schon oft auf eine Spur gebracht, die haarscharf neben der richtigen lag, gibt Henry ein paar Fakten und etwas Zeit und er wird einen Sturm entfesseln, sag ich immer.

Turnbuckle: Du sagst auch immer, als Henry noch zu Schule ging hat er aus einem einzigen Knochen ein Dinosaurier rekonstruiert.

Ralph: Genau, nur das das eigentlich ein Pterodactylus war.

Turnbuckle: Das mußtest du natürlich auch Vivian Derows erzählen.

Ralph: Bei der warst du doch sowieso untendurch nachdem du ihren Lieblingsonkel als Erpresser entlarvt hast oder beinahe hättest, er deduziert und deduziert 98% eines Sachverhalts und dann stolpert er immer über die restlichen 2 %.

Turnbuckle: Mein lieber Ralph, ein übersensibler Freund könnte jetzt glauben eine feine Ironie zu spüren.

Ralph: Ja Henry Turnbuckel Holmes und die restlichen 2 %

Turnbuckle: Ralph es wir kommen der Tag des Gerichts.

Ralph: Du erinnerst mich an etwas, meine Frau wartet mit dem abendessen.

Turnbuckle: Henry der killer.

Ralph: Was.

Turnbuckle: Turnbuckle.

Ralph: Henry du hast es wieder mal geschafft.

Turnbuckle: Nicht so laut, weißt du eigentlich wie spät es ist.

Ralph: Henry, der Ehefrauenmörder du hast ihn uns ans Messer geliefert.

Turnbuckle: Also doch dieser widerliche Natterly.

Ralph: Nein, Ben Casterbridge.

Turnbuckle: Ben Casterbringe.

Ralph: Also paß auf, also du im country club abgezogen warst, ging Captain Johnson noch mal schnell an die Bar, er erkannte den Barkeeper, und es fiel ihm ein, daß er immer noch auf Bewährung draußen war, und wenn du unter bewährung stehst gibt es einen job den du nicht annehmen darfst.

Turnbuckle: Nämlich barkeeper.

Ralph: Johnson gab sich also zu erkennen, der Barkeeper wurde weiß wie die Wand, fing an zu zittern, ne richtige überreaktion, also dachte johnson, da könnte noch mehr dahinter stecken und knöpfte ihn sich vor, der Mann verhaspelte sich von hinten bis vorne, rutsche ihm sein paar sachen raus und zum guten schluß plauderte er.

Turnbuckle: Alles klar und der Barkeeper heißt Ben Casterbridge.

Ralph: Nein Charly Stevens.

Turnbuckle: Und wer bitte ist Ben Casterbridge.

Ralph: Er und Steven waren Zellenachbarn in Wooto und kamen ungefähr zur gleichen Zeit raus, sieht so aus als erzählten die Leute gewöhnlich ihrem Barkeeper mehr als ihrem Psychiater, also Steven sammelte die Informationen und gab sie an Casterbridge weiter, der erledigte den Rest, genau wie du es vermutet hast, ach übrigens der Captain sagt, du kannst die Meldung morgen früh in seinem Büro vergessen, es ist alles vergeben, Henry, hey freust du dich gar nicht, Henry, Henry antworte wenn ich mit die rede, ich habe sie etwas gefragt, Mr Turnbuckle.

Wiggins: Mr Turnbuckle, Mr Turnbuckel ich frage sie ob sie etwas möchten, Kaffee, Zigaretten.

Turnbuckle: Nein nein nein danke.

Wiggins: Wie haben sie das eigentlich mit dem Tag des Gerichts gemeint.

Turnbuckle: Wie bitte.

Wiggins: Sie sagten doch oder sollte ich mich verhört haben.

Turnbuckle: Ausgezeichnet Henry jetzt sitzt du also auf dem Kommissariat unter dem dringenden Verdacht 6 Liebhaber von pornografischer Literatur liquidiert zu haben und redest auch noch mit dir selbst.

Wiggins: Ich glaube ich öffne mal das Fenster, die Luft hier.

Turnbuckle: Vielen dank Sergeant Wiggins.

Turnbuckle: Armer Kerl, sein Blick läßt auf Neigung zu nervösen Kopfschmerzen schließen, irgendwie erinnert er mich, auch einer von den getretenen und beleidigten, die irgendwann wenn das maß voll ist.

Wiggins: Ja wenn das maß voll ist.

Turnbuckle: Ach nichts, könnten sie vielleicht das Radio einschalten.

Wiggins: Gern bis Captain Brannigan zurück ist.

Turnbuckle: Simon und Garfunkel hört man heute nicht mehr oft.

Wiggins: Musik für Tunten und Haschbrüder.

Turnbuckle: Bitte.

Wiggins: Sagt Captain Brannigan, er hält nicht viel von Poesie.

Turnbuckle: Finden sie nicht auch daß das Leben oft eine ganz schön krumme Sache ist und es in Versuchung bringt es gerade zu biegen.

Wiggins: Ein gefährlicher Gedanke finden sie nicht auch.

Turnbuckle: Jetzt reiß dich bloß zusammen, Henry sonst erzählst du ihm noch alles, aber angefangen hat das wirklich ganz harmlos, damals vor einem viertel Jahr, Ralph und ich im Frühdienst dann der Anruf.

Ralph: Danke Doc nur ein einziger Messerstich hat den sofortigen Tot herbeigeführt.

Turnbuckle: Fingerabdrücke auf der Mordwaffe.

Ralph: Keine.

Turnbuckle: Wiliam, Morison, sie können ihn dann wegtragen.

Ralph: Ums Geld scheint es nicht gegangen zu sein, Ringe, Uhr, volle Brieftasche, alles da.

Turnbuckle: Jetzt war ein Kaffee recht 6 Uhr 30, da schau her was da unter der Leiche gelegen hat.

Ralph: Ein Zahnstocher, na ausgezeichnet, es hat schon Fälle gegeben, wo Einbrecher überführt werden konnten weil sie in Äpfel Gebißabdrücke hinterlassen.

Turnbuckle: Hier sind keine solchen Abdrücke drauf, Ralph dieser Zahnstocher wird uns zu unserem Mörder führen.

Ralph: Warum nimmst du an daß er dem Mörder gehört.

Turnbuckle: Ralf das ist alles ein Sache von Beobachtung und Schlußfolgerung, hast du dir die Leiche gut ansehen.

Ralph: Also bitte komm.

Turnbuckle: Ist dir da nicht aufgefallen, daß das Opfer entweder makellose Zähne hatte oder.

Ralph: Bei seinem Alter von 57 wird wohl ein künstliches Gebiß gewesen sein.

Turnbuckle: Und verhält es sich nicht so daß Menschen die künstliches Gebiß tragen auf die Hilfe von Zahnstochern verzichten können.

Ralph: Henry du erschließt mir das völlig neue Welten.

Turnbuckle: Ralf, dein Witz hat was verzweifeltes.

Ralph: Wir müssen jetzt die Küchenchefin des Hotels vernehmen eine Mrs.

Henderson: Henderson, Maggie Henderson, stört es sie wenn ich schon mit dem Kuchenbacken anfange.

Turnbuckle: Nein nein das leben geht weiter.

Henderson: Unsere Gäste stehen früh auf.

Ralph: Wieviele Gäste haben sie hier im Hotel.

Henderson: 28, im moment alles Stammgäste.

Ralph: Sie fanden den Toten als sie heute morgen in die Küche kamen.

Henderson: Ja.

Ralph: Bis wann haben sie gestern abend gearbeitet.

Henderson: Bis um 8 bis alles wieder sauber ist wird es so spät.

Turnbuckle: Moment ihr arbeitstag hat 15 stunden.

Henderson: Nein, nach dem frühstück und mittagessen hab ich ein paar stunden frei.

Turnbuckle: Ich darf wohl annehmen daß gestern als sie nach hause gingen noch keine leiche auf dem boden lag.

Henderson: Ich hab im vierten Stock ein Zimmer ich kam um halb 6 uhr und da hab ich es gesehen.

Ralph: Haben sie was angefaßt.

Henderson: Nein nein ich hab gleich die polizei gerufen.

Ralph: Wie lange arbeiten sie schon für Mr Latimer und sein Hotel.

Henderson: 22 Jahre.

Turnbuckle: Und was wird das wenn fertig ist.

Henderson: Rosinenkuchen mit Zimt.

Ralph: Wer bekommt eigentlich das Hotel nachdem der Besitzer tot ist.

Henderson: Mein Bruder denke ich, er hatte sonst keine Verwandten.

Ralph: Und wo ist dieser Bruder.

Henderson: In der Pension nebenan.

Turnbuckle: Warum wohnt er nicht hier.

Henderson: Wir sind belegt.

Turnbuckle: Nur deshalb.

Henderson: Mr Latimer und sein Bruder kamen nicht besonders gut miteinander aus.

Turnbuckle: Wenn sie sich nicht vertrugen, warum hat sich der Bruder dann ausgerechnet im Nebenhaus eingemietet.

Henderson: Das weiß ich nicht.

Ralph: Hatte Mr Latimer auch seine Wohnung hier im Haus.

Henderson: Ja er bewohnt eine Suite im 3 Stock.

Ralph: Aus welchem Grund könnte er nach 8 uhr abend noch mal in die Küche gegangen sein.

Henderson: Das hat er oft gemacht, er sieht gern nach dem rechten.

Turnbuckle: Latimer kam also nach 8 herunter, wir haben weder Einbruchspuren noch die Spuren eines Kampfes gefunden, Latimer muß den Besucher gekannt haben, und es spricht einiges dafür, daß unser Mörder jemand aus diesem Hotel ist.

Henderson: Haben sie noch Fragen an mich, das Frühstück, die Gäste warten.

Ralph: Frühstück und wer serviert uns Rührei mit Schinken.

Turnbuckle: Du hättest Maggie Henderson nicht so anzustarren brauchen, sie trägt auch eine Zahnprothese, also muß es einer der Gäste sein.

Ralph: Ich seh aber keinen mit nem Zahnstocher im Mund.

Turnbuckle: Ralph.

Ralph: Toast mit Butter wäre auch was.

Turnbuckle: Ralf was geht mit einem Zahnstock einher.

Ralph: Kleines Steak, echte Zähne.

Turnbuckle: Davon abgesehen.

Ralph: Ich gebs auf.

Turnbuckle: Weitere Zahnstocher, ein regelmäßiger Benutzer von hölzernen Zahnstochern muß ständig einen Vorrat bei sich haben.

Ralph: Du meist also wir sollen alle durchsuchen und wer Zahnstocher hat ist unser Kandidat.

Turnbuckle: Nein Ralph, das wäre ziemlich mühselig, wir könnten rein logisch die Anzahl der Verdächtigen weiter verringern, im Zeitalter der Gleichberechtigung sieht man auch Damen bei dieser unästhetischen Beschäftigung, aber kannst du dir eine Frau vorstellen die ein Bündel Zahnstocher bei sich trägt.

Ralph: Na gut, dann scheiden Frauen und Männer mit Zahnprothesen aus, was machen wir jetzt, allen Männern in den mund schauen.

Turnbuckle: Das wird nicht nötig sein, tatsächlich kann ich in diesem moment schon unseren Mörder bestimmen, Ralph beiß jetzt bitte nicht in das Tischtuch, sondern hör mir zu wenn du einzelne Zahnstocher mit dir führest wo würdest du sie aufbewahren.

Ralph: Also wenn ich mirs gründlich überlegen in der Tasche.

Turnbuckle: Richtig aber nicht in der Gesäßtasche, denn das würde das hinsetzen zu einem gefährlichen Abenteuer machen, bei den vorderen Hosentaschen würde man noch traumatischere Verletzungen riskieren, bei den Jackettaschen zerstochene Fingerkuppen, also was ist der ideale Aufbewahrungsort für eine chaotische Horde Zahnstocher.

Ralph: Ich hab Hunger.

Turnbuckle: Die Weste, Ralph, ihre Taschen sind ausreichend eng, so daß diese kleinen Schlingel weder durcheinandergeraten noch herausfallen können, außer vielleicht bei einer ungewöhnlichen heftigen Bewegung.

Ralph: Ich verstehe und da nur einer von den Gästen eine Weste trägt, nämlich dieser große Kerl mit den gelben Zähnen und dem ausgesprochen unangenehmen Grinsen, nehme ich an, daß wir ihm jetzt ein paar Fragen stellen müssen ok.

Latimer: Horace Latimer, ich bin sein Bruder, als ich die Polizeiautos hier reinkurven sah, kam ich natürlich rüber um zu sehen was los ist.

Turnbuckle: Wie kamen sie und ihr Bruder miteinander aus.

Latimer: Gar nicht.

Turnbuckle: Sie sind recht offen.

Latimer: Sie hätten ja doch gemerkt, tatsächlich haben wir vergangene Woche das erste mal seit 20 Jahren wieder miteinander geredet.

Turnbuckle: Wieso gerade letzte Woche.

Latimer: Ich war pleite ich hab meine Anstellung verloren und hätte ein kleines Darlehen gebraucht.

Turnbuckle: Und.

Latimer: Er gab mir 50 Dollar und den Rat auf weitere 20 Jahre verschütt zu gehen.

Ralph: Sie verloren ihre Stelle, sagten sie, was war das für eine Tätigkeit.

Latimer: Ich hab bei einer Bootslinie auf dem See gearbeitet, hatte da ne kleine Auseinandersetzung mit einem 3.Offizier und hab ihn versehentlich bißchen angeritzt

Ralph: Sie haben ihren Bruder 20 Jahre lang nicht gesehen, und wurden von ihm nicht mit offenen Armen empfangen, warum haben sie dann sich ausgerechnet in der Pension gegenüber eingemietet.

Latimer: Als ich von Vik wegging, wollte ich noch einen trinken in einer Bar hier in der Nähe, da hab ich gehört daß die einen Barkeeper zur Aushilfe suchen und nahm den Job, und die Pension dadrüben ist die billigste weit und breit.

Turnbuckle: Hatten sie schon mal Probleme mit der Polizei.

Latimer: Ein oder zweimal.

Turnbuckle: Irgendwas schwerwiegendes als angeritzte dritte Offiziere.

Latimer: Vor ein paar Jahren wurde ein Freund von mir erstochen, sie wollten es mir anhängen, aber mein Alibi war bombensicher, ich war bei meiner Freundin Elsie als Jack getötet wurde, sie war bereit das vor Gericht zu beschwören.

Ralph: Und wo waren sie gestern abend, Bier zapfen.

Latimer: Ich hatte Tagschicht, ich war im Bett.

Ralph: Allein.

Latimer: Nein mit Elsie.

Turnbuckle: Oh mir steckt ein Sesamkorn zwischen den Zähnen, sie haben nicht zufällig einen Zahnstocher bei sich.

Latimer: Doch hab ich, geht aufs Haus.

Turnbuckle: Danke Mr Latimer.

Ralph: Verdammt, ich glaub auch daß er es war, wahrscheinlich um das Hotel zu kriegen, aber wenn wir gegen einen Verdächtigen nichts anders in der Hand haben als deine Zahnstocher, schauen wir ziemlich alt aus.

Turnbuckle: Warte, ich gehe noch mal in die Küche, ich hab das Gefühl da finde ich was.

Ralph: Kombination.

Turnbuckle: Intuition.

Ralph: Na prima.

Turnbuckle: O Mrs Henderson, ihr Kuchen duftet ja köstlich, ist er schon fertig.

Henderson: Sie können gerne nachschauen, aber wenn sies genau wissen wollen, müssen sie ihn anpieken.

Turnbuckle: Stimmt, mit einer Stricknadel, haben sie eine.

Henderson: Hygienischer ist es mit einem Zahnstocher, nehmen sie den.

Turnbuckle: Mrs Henderson.

Henderson: Ich hab deswegen immer ein paar in der Schürzentasche.

Turnbuckle: Au verdammt, jetzt hab ich mir die Finger verbrannt.

Henderson: Geben sie her, geben sie her, ja ich hab gesehen, wie sie vorhin den Zahnstocher untersuchen, ihr polizisten und wissenschaftler findet doch sowieso alles raus, also kann ichs gleich hinter mich bringen.

Turnbuckle: Aber warum, warum haben sie ihn umgebracht.

Henderson: Viktor wollte ein Mädchen heiraten, daß er bei der Hoteliertagung in Shyboygan kennengelernt hat, sie ist Kellnerin in einer oben ohne Bar, ich bin seit 22 Jahren hier Köchin und seit 21 Jahren mit Viktor verlobt, gestern abend spülte ich noch ein paar Sachen, als er in die Küche kam, er hatte was getrunken, wie immer wenn er sich Mut machen will, und kam sofort zur Sache, und sagte er wird sie heiraten, weil er verrückt nach ihr ist.

Turnbuckle: Und da griffen sie in einem Anfall wahnsinniger Eifersucht nach dem Brotmesser.

Henderson: Oh entschuldigung, nein nein ich glaub ich hab ihn umgebracht weil er wollte daß ich das Hotel verlasse, er wollte mich nicht mehr in seiner nähe haben, nicht mal als Köchin, er hatte Angst sie könnte das mit uns erfahren und böse werden.

Turnbuckle: 22 Jahre, hat er ihnen nie einen Heiratsantrag gemacht.

Henderson: Nein, er sagte immer er wird mich heiraten wenn ich schwanger bin, an mein 40 Geb als er wieder mal ein bißchen zu viel getrunken hatte da verplapperte er sich und es kam heraus daß er sich vor Jahren sterilisieren hatte.

Turnbuckle: Sie hätten auf der stelle gehen sollen.

Henderson: Ich weiß o der Kaffee ist fertig, es ist mir wirklich zimlich egal was mit mir wird, schlimm ist nur daß ich gegenüber Mandy versagt habe.

Turnbuckle: Wendy.

Henderson: Meine Nichte, die Tochter meiner Schwester, ich hab ihr seit ihr Mann gestorben war die ganze zeit mit geld ausgeholfen damit sie ein bißchen besser leben kann, Mandy war wirklich gut in der Schule, sie hat jetzt angefangen Sexualmedizin zu studieren, Andrologie, nein Männerleiden, ach das Kind, jetzt wird sie nie Ärztin werden, weil ich nichts mehr für sie tun kann, Kaffee, darf ich ihnen einschenken.

Turnbuckle: Sehr gern vielen dank, tja wirklich schade, ich denke aufgrund ihres langjährigen eheähnlichen Verhältnisses mit Viktor sind sie nach unserem Gewohn-heitsrecht seine Frau mit allen Konsequenzen gewesen, und hätten demnach gute Chancen das Hotel zu erben auch gegen die Ansprüche eines entfremdeten Bruders.

Henderson: Ach so, ja was solls, ich habe Viktor getötet und ich glaube nicht daß ein Mörder von seiner Tat auch noch profitieren darf.

Turnbuckle: Wie schrecklich wahr, und so wird Viktors Bruder das Hotel bekommen, Mandy wird sich am besten gleich auf eine Ausbildung als Krankenschwester vorbereiten, und während sie in Taschita hinter Gitter sitzen wird Viktors Bruder 5 Dollar Zigaretten rauchen und sich an die neue Köchin ranmachen.

Henderson: Ja das Leben ist manchmal eine zimlich krumme Sache.

Turnbuckle: Dann muß ich sie jetzt aufs Polizeipräsidium mitnehmen, ein Glück für uns daß sie geständig sind, wir haben nämlich keine brauchbaren Beweise gegen sie.

Henderson: Keine Sorge ich werde behilflich sein.

Turnbuckle: Das sagen sie jetzt, aber ich frage mich, was passieren wird wenn wir erst im Präsidium sind, dort widerrufen sie möglich ihr Geständnis, sie könnten behaupten, durch Einschüchterung dazu gezwungen worden zu sein, oder noch schlimmer, sie hätten überhaupt nie jemanden gegenüber irgendwas gestanden, sie könnten auf den Gedanken verfallen angesichts der Beweislage einfach abzuwarten und ihre Zahnstocher loszuwerden, also dann machen wir uns auf den Weg und nehmen ihr Geständnis auf.

Henderson: Was für ein Geständnis.

Turnbuckle: Sehen sie, ich wußte doch daß es so kommen würde.

Henderson: Möchten sie ein Stückchen Kuchen.

Turnbuckle: Drei wenn sich das machen läßt, eins für mich.

Henderson: Und zwei für ihren hungrigen Freund da draußen.

Turnbuckle: Unlösbare Fälle machen ihn besonders hungrig.

Wiggins: Hungrig, sagten sie hungrig Mr Turnbuckle, ich kann ihnen selbstverständlich belegte Brote holen lassen.

Turnbuckle: Was, nein danke Sergeant Wiggins.

Wiggins: Und sie wollen immer noch keinen Anwalt.

Brannigan: So Wiggums, ich brauch sie jetzt nicht mehr, und nun zu ihnen, ja nun gehen sie schon Wiggums, machen sie sich woanders nützlich, tja ihr Captain Johnson nimmts wohl eher von der humorigen Seite, zur rechten zeit am unrechten Ort und immer in Schlamassel, das ist typisch Henry, und er hat bestätigt, daß sie sich vor einem viertel Jahr auf eigenen Wunsch vom Dienst beurlauben ließen um wieder Student zu spielen.

Turnbuckle: Ich beabsichtige eine Arbeit über polizeiähnliche Organisationen zu schreiben, die Tätigkeit als Privatdetektiv war so eine Art Praktikum.

Brannigan: Ja sehr erfolgreich wie man sieht, gehört das auch zum Praktikum einen Stempel wo draufsteht Sünder müssen büßen in der Tasche rumzutragen.

Turnbuckle: Weiß hier noch jemand außer ihnen daß sie vorhin das ding bei mir gefunden haben.

Brannigan: Nein.

Turnbuckle: Sehr gut, vielleicht glauben sie jetzt einem ehemaligen Kollegen, dieser Stempel war nicht in meiner Manteltasche, bevor ihre Leute mich in der Garage abgefangen haben, danach wurde ich von ihnen allerdings dauernd rumgeschubst und befingert.

Brannigan: Wollen sie sich beschweren.

Turnbuckle: Gott behüte nein, ich ziehe daraus lediglich die Schlußfolgerung, daß nur ein Angehöriger dieser Personengruppe mir den Stempel in die Tasche praktiziert haben kann.

Brannigan: Aber warum sollte jemand auf so eine Schnappsidee kommen.

Turnbuckle: Der Mitternachtswürger hat bemerkt daß sie ihm auf den Fersen sind, und er nutzte die durch meine Verhaftung gebotene Gelegenheit einen anderen zu belasten.

Brannigan: Wollen sie etwa damit sagen daß einer meiner Leute.

Turnbuckle: Die Logik erlaubt leider nur diesen einen Schluß Captain Brennigan.

Brannigan: Wie wärs denn dann mit mir.

Turnbuckle: Nein sie muß ich ausschließen, sie hatten keinerlei Gelegenheit.

Brennigan: Wegen ihrer Logik soll ich also jetzt ein dutzend diensttuender polizisten überprüfen.

Turnbuckle: Das wird nicht nötig sein, ich habe einen anderen Vorschlag, machen sie jetzt so schnell und so gründlich wie möglich im ganzen Haus bekannt, daß man statt des Würgers versehentlich einen Kollegen geschnappt hat, dann laden sie mich als Entschädigung in die Kantine ein, nur zum schein, ich zahle mein Sherry natürlich selbst, meinen Mantel lassen wir hier hängen, und ich stecke den Stempel jetzt wieder in die Tasche, einen kleinen Privatdetektiv zum Sündenbock zu machen ist eine sache, einen polizisten eine andere, ich bin sicher während unserer abwesenheit wird derjenige der mir den Stempel in die Tasche getan hat, versuchen ihn unbemerkt wieder herauszuholen.

Brannigan: Ok aber nur weil Captain Johnson gesagt hat trotz allem hätten sie manchmal so einen Riecher, Higgings, Mccarseon, Endemy, wißt ihr wen ihr mir da eingefangen habt, der Kerl ist polizist, ja polizist, sagt es ihn nur weiter den anderen Kollegen, diesen Pfeifen die an diesem Einsatz beteiligt waren, ein Kollege.

Turnbuckle: Mein Kopf.

Wiggins: Mr Turnbuckle.

Turnbuckle: O Sergeant Wiggums.

Wiggins: Ich wollte ihnen nur gratulieren, sie sind ja jetzt ein freier Mann, hier ihr Mantel, ich darf ihnen hineinhelfen.

Turnbuckle: O danke nein, ich wollte ja eigentlich nur.

Wiggins: Bittesehr, moment ihr Gürtel, er hat sich verdreht.

Turnbuckle: Sergeant Wiggums, oh nein.

Wiggins: Was bitte sir.

Turnbuckle: Ich gestehe daß ich eine Sekunde lang noch glauben wollte, es bereite ihnen vielleicht ein kleines Vergnügen unter dem vorwand, seinen Mantel zurechtzurücken, einen andern Mann heimlich zu befingern.

Wiggins: Was erlauben sie sich.

Brannigan: Keine falsche Bewegung Wiggums und den Stempel da auf den Tisch schau an, Wiggins die alte Trauerweide, manchmal hab auch ich so einen Riecher.

Wiggins: Sünder müssen büßen, oja es wird kommen der Tag des Gerichts, der Herr ließ Pech und Schwefel regnen über Sodom und Gomorra.

Eben und diese Drecksarbeit sollte man ihm besser selbst überlassen.

Brannigan: Sonst noch was Wiggums.

Wiggins: Ja einen Anwalt.

Ralph: Und Henry, Captain Johnson ist völlig aus dem Häuschen, wegen deinem Erfolg mit dem Mitternachtswürger, er hat gemeint, nachdem dein incognito als Privatdetektiv sowieso geplatzt ist, ob du dir das noch mal überlegen willst mit dem studieren.

Turnbuckle: Es gibt Zeiten da denke ich das ganze Universum ist eine Illusion, und ich bin der einzige dem man nichts davon gesagt hat.

Ralph: Weißt du was, meine Frau ist dieses Wochenende auf einem Yogakurs, ich bin in einer halben Stunde bei dir, dann erklärst du mir das noch mal in aller ruhe.

Jochen Busse: Henry Turnbuckle
Michael Hinz: Ralph
Michael Mendl: Captain Brannigan
Herbert Weicker: Sergeant Wiggins
Michael Schwarzmeier: Barkeeper
Jochen Striebeck: Netterly
Ilse Neubauer: Maggie Henderson
Hartmut Becker: Horace Latimer
Hubert Mulzer: Kriminalpolizist und Angesteller
Beate Himmelstoß: An- und Absage

Hörspielfan

29. Juni 2025

Der Joker (SWF 1988)
Ein Kriminalhörspiel nach Motiven von Edgar Wallace
Manuskript: Florian Pauer

Higgins: Guten Morgen, Ann.

Ann Pattison: Ich darf Sie darauf hinweisen, daß es bereits viertel vor elf ist. Haben Sie verschlafen, Inspektor?

Higgins: Und wenn es so wäre? Ist Sir John schon da?

Ann Pattison: Allerdings.

Sir John: Ann Pattison, ist Higgins endlich da?

Ann Pattison: Ja, Sir John, er ist soeben gekommen.

Sir John: Dann schicken Sie ihn sofort rein.

Ann Pattison: Ja, Sir John. Sehen Sie, er wartet bereits seit zwei Stunden auf Sie. Und wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, dann seien Sie heute freundlich zu ihm. Er ist nämlich gestern zum dritten Mal bei der Fahrprüfung durchgefallen und hat eine fürchterliche Laune.

Higgins: Ja, wie gewöhnlich. Also dann werde ich mich mal in die Höhle des Löwen wagen. Guten Morgen, Sir.

Sir John: Ah, da sind Sie ja endlich Higgins, guten Morgen, ja, jetzt beantworten Sie mir einmal eine Frage. Bin ich Verkehrspolizist oder Chef von Scotland Yard?

Higgins: Selbstverständlich der Chef von Scotland Yard, Sir.

Sir John: Schön, schön, dann erklären Sie mir einmal, wieso ein einfacher Verkehrsunfall auf meinem Schreibtisch landet.

Higgins: Ein Verkehrsunfall auf Ihrem Schreibtisch?

Sir John: Ja, ein Verkehrsunfall, sag ich doch. Ein Mann wurde vorgestern Nacht von einem wahrscheinlich betrunkenen Autofahrer angefahren und getötet, der anschließend Fahrerflucht beging, das übliche halt. Heutzutage fährt ja alles schon Auto, jeder Idiot bekommt ja einen Führerschein, und wenn’s kracht, belästigt man jetzt schon mich damit, als ob wir hier nicht genügend andere Probleme hätten.

Higgins: Ja, sehr bedauerlich, wirklich. Übrigens, haben Sie gestern Ihre Fahrprüfung bestanden, Sir John, darf man gratulieren?

Sir John: Äh nein, nein, nein, es gab da ein Mißverständnis, der Prüfer war so ein sturer Hund, äh, Sie kennen ja diese Sorte, aber im Moment beschäftigt mich diese andere Sache.

Higgins: Sir John, diese Angelegenheit ist keine Lappalie. Ich habe gestern abend diesen sogenannten Verkehrsunfall und seine Begleitumstände etwas genauer unter die Lupe genommen, ich habe den Eindruck, daß sich bereits einige Reporter unsere Köpfe zerbrechen.

Sir John: Was soll das heißen?

Higgins: Haben Sie schon die heutige Ausgabe des Daily Mirror gelesen?

Sir John: Nein, nein, nein.

Higgins: Ich darf zitieren: Wieder tödlicher Unfall mit Fahrerflucht, Experten glauben nicht mehr an Zufall.

Sir John: Und?

Higgins: Sir, ich habe mit den Kollegen vom Unfallkommando gesprochen, die Sache von vorgestern Nacht ist bereits der vierte Autounfall mit tödlichem Ausgang und anschließender Fahrerflucht innerhalb weniger Wochen, und das immer in der Nacht. Von Augenzeugen, so es welche gibt, wird zumeist eine dunkle Limousine erwähnt, und diesmal haben wir die Aussage einer Frau, die mir doch sehr zu denken gibt. Nach ihren Angaben hat die dunkle Limousine in einer Seitenstraße vom Kensington Park gewartet und war dann mit voller Absicht auf den Mann zugerast.

Sir John: Sind Sie sicher? Das wäre ein glatter Mordanschlag.

Higgins: Die Frau konnte nicht schlafen und stand am Fenster, dadurch bekam sie alles genau mit, wir haben ihre schriftliche Aussage.

Sir John: Ja, ist ja ungeheuerlich.

Higgins: Ja, es ist ungeheuerlich, aber es ist noch nicht alles. Der Mann von vorgestern Nacht hieß Jugent Pelford, ein alter Kunde von uns, wir haben ihn in unserer Kartei, er hat einige Jahre in Dartmoor abgesessen.

Sir John: Ja, ja, und?

Higgins: Das hat mich stutzig gemacht. Ich habe mir die Dossiers der anderen ungeklärten Autounfälle angesehen, wissen Sie, wer die Opfer waren? Mike Brett, Piet Fletcher, Derrick Hardley, allesamt schwere Jungs, hier ein Raubüberfall, da ein Todschlag, und so weiter und so weiter, man könnte meinen, hier hat jemand die halbe Londoner Unterwelt ins Visier genommen.

Sir John: Moment, Higgins, ich gebe ja zu, daß das alles sehr auffällig ist, aber ich würde keine voreiligen Schlüsse ziehen. Bei den vielen hundert Verkehrstoten, die wir Jahr aus Jahr ein haben, kann es auch nichts weiter als ein böser Zufall sein, vielleicht hat die Zeugin auch eine etwas lebhafte Fantasie.

Higgins: Möglich, Sir, aber nachdem, was ich bis jetzt in Erfahrung bringen konnte, kann ich nicht mehr an Zufall glauben, Sir John, aber das beste kommt noch. Bei Pelford, also dem Toten von vorgestern Nacht, fand man das.

Sir John: Was ist das?

Higgins: Eine Spielkarte, ein Jolly Joker, mit einem handschriftlichen Vermerk, Montag 22 Uhr, man fand sie in Pelfords Brieftasche. Fällt Ihnen etwas auf, Sir John?

Sir John: Sprechen Sie nicht in Rätseln, was meinen Sie damit?

Higgins: Vorgestern war Montag, und gegen 22 Uhr 30 wurde Pelford...

Sir John: Überfahren.

Higgins: Ich würde sagen, ermordet, Sir John, und das ist meine feste Überzeugung.

Sir John: Das ist bis jetzt nur eine Hypothese, und zwar Ihre Hypothese, Higgins, aber gut, bleiben Sie an dem Fall dran, Sie haben meine volle Unterstützung. Übrigens habe ich diesmal einen Assistenten für Sie.

Higgins: Wie bitte? Einen Assistenten für mich?

Sir John: Ja, Superintendant Lane, Sir Eric hat ihn uns geschickt, eine Leihgabe aus Nottingham sozusagen, gehen Sie nur ins Nebenzimmer, er wartet schon auf Sie.

Higgins: Einen Assistenten.

Lane: Hallo.

Higgins: Hallo. Sie sind Superintendant Lane.

Lane: Für Sie Barbara. Sind Sie sehr enttäuscht, Chiefinspektor?

Higgins: Nein, nein nein, keineswegs, so angenehme Überraschungen sind bei uns im Haus wahrlich nicht alltäglich, also kann ich nur sagen, willkommen in London.

Lane: Danke.

Higgins: Sagen Sie, wieso wurden Sie uns zugeteilt, Sir Eric konnte doch von unserem Problem noch nichts wissen.

Lane: Nein, das konnte er auch nicht, aber ich weiß eigentlich auch nicht, worum es geht. Nachdem ich diesen Ken Russel hinter Schloß und Riegel gebracht hatte, wurde es in Nottingham ein wenig langweilig, und Sir Eric meinte, ein Klimawechsel könnte mir sehr gut tun.

Higgins: Ken Russel, den haben Sie aus dem Verkehr gezogen, den Mann, der mit Computermanipulationen 8 Millionen Pfund ergaunert hat?

Lane: Genau den.

Higgins: Mein Kompliment.

Sir John: Na, haben Sie sich schon angefreundet?

Higgins: Danke Sir.

Ann Pattison: Sir John.

Sir John: Ja?

Ann Pattison: Entschuldigen Sie die Störung, Sir John, aber da draußen ist jemand, der Inspektor Higgins sprechen möchte.

Sir John: Wer denn?

Ann Pattison: Ein gewisser Mr. Reynolds.

Higgins: Etwa Billy Reynolds?

Ann Pattison: Ja.

Higgins: Rein mit ihm.

Ann Pattison: Ja. Sie sollen reinkommen.

Reynolds: Inspektor?

Higgins: Sieh mal einer an, daß Sie mir in meinem Leben noch einmal ohne Handschellen gegenüberstehen würden, hätte ich auch nicht gedacht, Reynolds.

Reynolds: Sehr witzig, Inspektor. Ich möchte das hier abliefern.

Higgins: Interessant. Sir, sehen Sie sich das einmal an.

Sir John: Was ist denn das, Higgins? Ist das die Beute aus dem Serapju-Coup?

Lane: Serapju-Coup?

Higgins: Ja. Sie sollten wissen, Kollegin, vor etwa zwei Monaten gab ein jordanischer Ölscheich eine Galaparty auf seinem Landsitz hier in der Nähe von London. Nachdem die Gäste gegangen waren, war er um Juwelen im Werte von 300.000 Pfund erleichtert. Dieser Gentleman, der jetzt so reumütig vor uns steht, war daran offenbar nicht ganz unbeteiligt. Saubere Arbeit, Reynolds, aber soweit ich das auf den ersten Blick sehe, ist das nur die Hälfte der Juwelen.

Reynolds: Mir wäre auch wohler in meiner Haut, Inspektor, wenn ich alles zurückgeben könnte.

Higgins: Mein lieber Reynolds, Sie werden mir doch zustimmen, wenn ich sage, daß Sie uns eine Erklärung schuldig sind, oder?

Reynolds: Ja. Sehen Sie sich das an, Inspektor.

Higgins: Das wäre also die Nummer zwei. Glauben Sie immer noch an Zufall, Sir John?

Lane: Ja was ist denn das? Eine Spielkarte, eine Jolly-Joker-Karte. Was steht da? Donnerstag 18 Uhr, bleiben Sie am Telefon, J.

Sir John: Ja und was soll dieses J. bedeuten?

Higgins: Reynolds, haben Sie das Diamanten-Ding etwa mit Pelford gedreht?

Reynolds: Ja, aber Pelford ist tot, und deshalb bin ich hier. Sie sind verpflichtet, mich zu schützen, Inspektor, mein Leben ist bedroht.

Ann Pattison: Sir John, es ist Zeit für Ihre Tabletten.

Sir John: Aber jetzt doch nicht, alles der Reihe nach.

Ann Pattison: Aber Sir John.

Sir John: Reynolds, was soll dieses J. bedeuten?

Reynolds: Das J steht für Joker. Noch nie von ihm gehört? Er terrorisiert seit Monaten die gesamte Londoner Unterwelt. Seine Methode ist einfach und sicher zugleich. Wenn irgendwo ein Ding gedreht wird, ist er der erste, der davon Wind bekommt, und mit Morddrohungen erpreßt er die Herausgabe von 90 Prozent der Beute. Keiner, der darauf nicht eingegangen ist, hat überlebt.

Higgins: Gehörten Mike Brett und Piet Fletcher auch dazu?

Reynolds: Fletcher? Hat’s den etwa auch erwischt? Von Brett wußte ich’s, aber von Flechter...

Higgins: Fletcher wurde vor ungefähr 14 Tagen von einem Auto angefahren und tödlich verletzt.

Reynolds: Der also auch. Pelford und ich hatten noch vor nicht allzulanger Zeit im Montmartre mit ihm gesprochen. Allerdings verstehe ich das nicht ganz, Fletcher war doch bereit, auf die Forderung des Jokers einzugehen.

Sir John: Sie sagen, der Joker ist der erste, der von einem Coup erfährt, Mr. Reynolds, woher weiß er es?

Reynolds: Tja, er weiß es eben.

Lane: Tja, und seit dem Serapju-Coup hat er nun Sie im Visier.

Reynolds: Sie sagen es. Pelford war dagegen, den Erpressungen des Jokers nachzugeben, wir teilten die Beute und trennten uns, aber weit ist er ja nicht gekommen, und ich bin wahrscheinlich der nächste!

Higgins: Hören Sie zu, Reynolds, wir werden Ihnen helfen, in Ihrem Interesse, aber bevor wir das tun, eine Frage, da Sie ja mit der Londoner Unterwelt so intim befreundet sind, gibt es einen Anhaltspunkt, irgend ein Indiz, wer der Joker sein könnte?

Reynolds: Nein, das einzige, was wir wissen ist, daß er diese dunkle Limousine fährt, n’ schwarzen Jaguar.

Lane: Wann will er mit Ihnen wieder Kontakt aufnehmen?

Reynolds: Donnerstag, also morgen um 18 Uhr, steht ja auf der Karte.

Higgins: Wo wohnen Sie?

Reynolds: Wir hatten ein Zimmer im Eastend gemietet.

Higgins: Schön, dann fahren Sie dorthin, Sie bekommen zwei Mann Begleitung, einen in die Wohnung, einer bleibt unauffällig vor Ihrem Haus. Wenn sich der Joker meldet, gehen Sie auf seine Forderung ein, den Rest erledigen wir.

Reynolds: Was haben Sie vor?

Higgins: Wahrscheinlich sollen Sie die Juwelen irgendwo deponieren, entweder an einem entlegenen Ort oder mitten in der Stadt, wo der Joker im Verkehrsgewühl rasch wieder untertauchen kann. Sie hinterlegen jedenfalls das Zeug, wo immer er will, und verschwinden dann so rasch wie möglich, wenn er’s abholt, schnappen wir ihn uns.

Lane: Glauben Sie wirklich, daß er persönlich kommen wird?

Higgins: Auch wenn er nur einen Mittelsmann schickt, bringt uns das weiter. Nach unserer bisherigen Kenntnis seiner Arbeitsmethode dürfte er wohl kaum viele Mitarbeiter haben. Je weniger seine Identität kennen, desto sicherer kann er sich fühlen. Ihr Telefon, Reynolds, werden wir selbstverständlich auch abhören.

Reynolds: Und Sie können meinen absoluten Schutz garantieren?

Sir John: Ja ein bißchen was müssen Sie schon riskieren, Reynolds, wenn Sie aus der Sache mit einem blauen Auge rauskommen wollen. Bisher waren Sie ja auch nicht zimperlich.

Reynolds: Nein, aber der Joker...

Higgins: Der Joker, der Joker, der Joker. Der Joker ist auch nur ein gewöhnlicher Krimineller und kein Phantom. Und je schneller wir diesem Spuk ein Ende bereiten, um so besser für alle Beteiligten. Ja, ja, sonst macht Sir John seinen Führerschein nie.

Sir John: Nanananananana, untergraben Sie da nicht meine Autorität vor diesem Gaunerpack, Higgins, mein Führerschein geht nur mich etwas an.

Sir John: Reynolds ist tot? Higgins, wie konnte das passieren? Es war doch alles bis ins kleinste Detail vorbereitet!

Higgins: Richtig, Sir, Reynolds sollte die Juwelen in der Telefonzelle am Haymarket hinterlegen und sofort verschwinden.

Lane: Und daß dieser Reynolds 10 Meter vor der Telefonzelle niedergeschossen wird.

Higgins: Daß hat doch niemand erwarten können, Sir, daß der Joker die Beute sausen läßt und Reynolds liquidiert.

Sir John: Dieser Joker… was ist?

Ann Pattison: Es ist Zeit für Ihre Tabletten.

Sir John: Dieser Joker scheint allgegenwärtig zu sein.

Ann Pattison: Sir John.

Lane: Oder er hat einige brillant getarnte Spitzel.

Sir John: Sie sagen es, Miss Lane. Higgins, wir haben jetzt 5 Tote, und keinen einzigen brauchbaren Anhaltspunkt. Ich muß dem Minister Rede und Antwort stehen und Sie scheinen Jolly-Joker-Karten zu sammeln.

Higgins: Wir müssen dort weiterarbeiten, wo Reynolds aufgehört hat.

Sir John: Reynolds ist tot.

Higgins: Richtig Sir, Reynolds ist tot, auch Pelford und Fletcher. Sir John, können Sie sich erinnern, was Reynolds über Fletcher sagte, er und Pelford hätten zuletzt miteinander im Montmartre gesprochen, das scheint ein Pup zu sein oder irgendein Restaurant.

Sir John: Jaja, das ist so ein Nobelnachtklub irgendwo in Finsbury, wird ja nicht allzu schwierig sein, das herauszufinden.

Higgins: Ganz recht, Sir, also kommen Sie, Barbara, wir machen uns einen netten Abend. Sir John.

Lane: Sir.

Kellner: Was darf’s sein?

Lane: Ein Wodka Martini mit viel Eis, bitte.

Higgins: Für mich einen doppelten Scotch.

Kellner: Jawohl Sir.

Higgins: Rauchen Sie?

Lane: Danke nein.

Higgins: Aber ich doch.

Lane: Ganz schön was los hier.

Higgins: Ja, aber lassen Sie sich von der Schickeria nicht täuschen, soweit ich es auf den ersten Blick gesehen habe, sitzen hier mindestens 300 Jahre Dartmoor auf einem Haufen.

Lane: Oh wie beruhigend.

Kellner: Ihre Getränke.

Higgins: Danke.

Lane: Und Sie meinen, daß hier ist die richtige Adresse, um an den Joker heranzukommen.

Higgins: Ich hoffe es. Immerhin verkehrten hier Reynolds, Pelford und Fletcher. Außerdem...

Lane: Ist was?

Higgins: In der rechten hinteren Ecke sitzen fünf Männer an einem Tisch, sehen Sie hin, aber unauffällig. Der Graumelierte mit dem Bürstenhaarschnitt, der sein Gesicht halb abgewandt hat, kennen Sie ihn?

Lane: Hm. Irgendwie kommt er mir bekannt vor.

Higgins: Ja, das ist Tom Silkwood. Hm, im Yard hat er den Spitznamen: der Amerikaner.

Lane: Aha, und was wissen Sie noch über ihn?

Higgins: Ja, er wurde in den 50er Jahren aus England ausgewiesen, hat einige tolle Dinger gedreht, nur beweisen konnte man ihm nie etwas. Er ging dann nach Amerika, wo er mit der gleichen Methode arbeitete, gut ein halbes Dutzend Mal wurde Anklage gegen ihn erhoben, er wurde aber mangels Beweisen immer wieder freigesprochen. Man sagt ihm drüben übrigens gute Kontakte zur Mafia nach.

Lane: Und warum gibt es uns jetzt wieder die Ehre?

Higgins: Hm, wahrscheinlich ist er mit falschem Paß eingereist, aber wir werden das überprüfen. Wo Silkwood auftaucht, steckt meistens mehr dahinter als ein paar Tage Urlaub, er plant seine Coups generalstabsmäßig.

Lane: Schade, daß man nicht hören kann, was die da miteinander reden.

Higgins: Tja. Und wie gefällt Ihnen das Lokal sonst?

Lane: Hm, sonst, also der Martini Wodka ist passabel, die Einrichtung muß sündhaft teuer gewesen sein, also, so ganz recht mit ihren 300 Jahren Dartmoor haben Sie nicht, da kommt Sir Donald, Abgeordneter im Unterhaus.

Higgins: Bleiben wir bei der Einrichtung. Fällt Ihnen nichts auf?

Lane: Hm, die blaue Marmorkatze da an der Wand scheint mir ein wenig zu extravagant, die auffälligen Blumengestecke auf jedem Tisch...

Higgins: Eben. Man kann sie offenbar nicht verrücken.

Lane: Tatsächlich.

Higgins: Ich muß immer wieder an Reynolds denken, er hat eine Gaunerkarriere hinter sich, die sich wirklich sehen lassen konnte, und seine Komplizen waren auch mit allen Wassern gewaschen, aber auf die Frage, woher der Joker seine Informationen beziehen könnte, sagte er bloß, ja, er weiß es eben. Nein nein, dahinter muß ein ebenso einfacher wie raffinierter Trick stecken.

Lane: Ich beginne zu ahnen, was Sie meinen, Chiefinspektor.

Higgins: Tja, heute können wir hier sowieso nichts mehr tun, die beiden Streifen müssen ohnehin bald da sein, und Sie Barbara, sehen Sie bitte zu, daß Sie morgen etwas über diesen Laden hier in Erfahrung bringen können, wem er gehört, wie der Barmixer heißt, usw. usw.

Lane: Geht in Ordnung. Danke für den Drink, Chief.

Higgins: Oh, keine Ursache.

Ann Pattison: Verzeihen Sie die Störung, Sir John, hier ist jemand, der Chiefinspektor Higgins sprechen möchte.

Sir John: Wer ist das denn?

Ann Pattison: Ein gewisser Mr. Harras.

Higgins: Kenn ich nicht.

Sir John: Ja, soll hereinkommen.

Ann Pattison: Ja. Bitte, Mr. Harras.

Higgins: Mein Name ist Higgins, Sie wollten mich sprechen.

Harras: Ja, mein Name ist Harras, Josua Harras, ich bin Portier und Sekretär im Home of Peace, einem sehr angesehenen Pflegeheim für alte Leute in West Kensington.

Sir John: Ja, nehmen Sie doch bitte Platz, Mr. Harras.

Harras: Dankeschön.

Sir John: Was führt Sie zu uns?

Harras: Ja sehen Sie, in den letzten Tagen tauchten in den Zeitungen immer wieder Meldungen von äußerst mysteriösen Autounfällen auf, es wird das Gerücht kolportiert, daß es sich dabei nicht um gewöhnliche Unglücksfälle, sondern um Mordanschläge handelte.

Higgins: Erzählen Sie weiter, Mr. Harras.

Harras: Die Fotos der Opfer wurden in den Zeitungen abgebildet, und ich kenne zwei von ihnen. Äh, bei dem einen war ich mir erst nicht so sicher, sehen Sie, ich habe die betreffenden Artikel mitgenommen, von dem einen Mr. Pelford glaube ich, daß er einmal kurz bei uns zu Besuch gewesen ist, vom zweiten Mr. Fletcher, weiß ich es jedoch ganz bestimmt.

Higgins: Wann was das?

Harras: Das war vor ungefähr drei Wochen. Mr. Fletcher kam eines Vormittags zu uns und verlangte an der Rezeption ziemlich schroff Lady Smith zu sprechen. Sie müssen wissen, Lady Smith ist die Leiterin des Sanatoriums. Ich bat ihn also weiter ins Büro, nachdem ich Lady Smith von seinem Kommen informiert hatte, und sie ließ ihn kommentarlos eintreten. Ich konnte dann feststellen, daß hinter der verschlossenen Tür eine ziemlich heftige Debatte stattfand. Nach etwa 10 Minuten verließ Mr. Fletcher mit rotem Kopf das Büro und fuhr grußlos in seinem Wagen fort.

Higgins: Haben Sie mitbekommen, worum sich das Gespräch drehte?

Harras: Aber Mr. Higgins, ich pflege nicht an Türen zu lauschen.

Higgins: Ja, ja ja, ich bin davon überzeugt, Mr. Harras, aber da Sie selbst sagten, daß das Gespräch ziemlich heftig verlief, könnte es doch sein, daß Sie, ohne natürlich zu beabsichtigten, ein paar Worte aufgeschnappt haben.

Harras: Ja, ich glaube etwas von Unterbieten gehört zu haben und äh Schweinerei.

Sir John: Ja, das ist ja alles nicht sehr informativ.

Higgins: Namen fielen keine?

Harras: Ich habe keinen gehört, Inspektor.

Higgins: Sehr viel ist das nicht, was Sie uns zu berichten haben, Mr. Harras, aber wir werden der Sache auf den Grund gehen.

Sir John: Higgins, wenn Sie in jeder Bude nachsehen, wo die Kerle einmal vorbeigeschaut haben, kommen Sie nie ans Ziel.

Harras: Bude? Ich bitte Sie, Sir, ich habe nur getan, was ich für meine Pflicht hielt, nämlich Sie davon in Kenntnis zu setzen...

Higgins: Is ja gut, ist alles gut, wir sind Ihnen auch sehr dankbar. Guten Tag.

Sir John: Moment, Moment mal Mr. Harras, wo sagten Sie, liegt dieses Sanatorium?

Harras: In West Kensington, nahe der North End Road.

Sir John: Das ist eine noble Gegend.

Harras: Allerdings.

Sir John: Warum glauben Sie, kamen Pelford und Fletcher ins Sanatorium, hatten sie Verwandte im Heim oder wollten sie direkt zu Lady Smith?

Harras: Also, Pelford hab ich nur das eine Mal gesehen, was Mr. Fletcher betrifft, so kann ich das nicht beurteilen, äh, Sie müssen wissen, daß ich erst seit 5 Monaten im Home of Peace arbeite.

Sir John: Also, Mr. Harras, es war sehr freundlich von Ihnen, daß Sie zu uns gekommen sind, aber genaugenommen sind Ihre Angaben zu dürftig, Sie müßten uns schon eindeutigere Hinweise geben, daß die Besuche von Mr. Pelford und Mr. Fletcher in Zusammenhang mit deren ungewöhnlichem Ableben stehen, ich schlage vor, Sie verschaffen sich einen genaueren Einblick in die Akte, und wenn Sie etwas finden, wovon Sie glauben, daß es von Bedeutung ist, dann kommen Sie wieder zu uns.

Harras: Ich werde mein Bestes tun, Sir.

Sir John: Merkwürdig, das ganze, Higgins.

Higgins: Ja, wenn ich ehrlich bin, zu denken gibt mir die Sache schon. Hm, da jagen wir diesem verdammten Geisterwagen nach, dessen Fahrer wir nicht kennen, wir haben ein halbes Dutzend Tote, die wahrscheinlich alle auf sein Konto gehen, und dann kommt so eine lächerliche Figur wie Harras zum Yard und behauptet aus heiterem Himmel, er kenne Pelford und Fletcher.

Sir John: Jaja, Sie machen das schon, Higgins.

Higgins: Genau, Sir John, und eben darüber muß ich mit Ihnen ein ernstes Wort reden.

Sir John: Aber Higgins, ich bin um halb sechs im Klub verabredet.

Higgins: Ich bitte Sie um 5 Minuten, Sir. Als Sie mir den Fall übertrugen, sagten Sie mir volle Unterstützung zu.

Sir John: Ja die haben Sie ja. Sonst noch was?

Higgins: Wie ich Ihnen schon berichtete, Sir, war ich gestern im Montmartre.

Sir John: Ja, und seitdem werden der Amerikaner, dieser...

Higgins: Silkwood.

Sir John: Silkwood, ganz recht, und seine Leute rund um die Uhr beobachtet, und das Lokal auch.

Higgins: Das genügt mir nicht, ich will einen Durchsuchungsbefehl.

Sir John: Was denn, Sie wollen mit meinen Beamten das Montmartre auf den Kopf stellen?

Higgins: Sir John, Pelford, Reynolds, Fletcher, sie alle verkehrten dort, und sie alle kamen auf die Abschußliste des Jokers.

Sir John: Jaja ich weiß, aber ihnen ist vielleicht entgangen, daß dort auch ehrenwerte Mitglieder unserer Londoner Gesellschaft ihre Abendstunden zu verbringen pflegen, Politiker, Richter, Anwälte. Mein guter Freund Sir Donald zum Beispiel.

Higgins: Ja, er war gestern abend auch dort, mir kommen die Tränen. Wenn wir wirklich etwas gegen den Joker unternehmen...

Sir John: Ich will kein Wort mehr hören, Higgins, tun Sie, was Sie nicht lassen können, aber ich werde es nicht zulassen, daß Sie dort Ihre Privatfete starten, bevor Sie mir handfeste Beweise auf den Tisch legen. Vorher sind das alles nur Vermutungen.

Higgins: Verstehe, Sir John, wenn ich erst mal auf meine Weise ein paar fette Indizien beschafft habe, dann stehen Sie ja ganz loyal zu Ihren Chiefinspektoren.

Sir John: Wie meinen Sie?

Higgins: Nein, nichts, ich wünsche einen schönen Abend.

Sir John: Ja wohin wollen Sie?

Higgins: Ich habe heute noch ein wichtiges Arbeitsessen vor mir, mit Superintendant Lane, man muß sich ja schließlich einmal kennen lernen, die Rechnung bekommen Sie morgen.

Lane: Hm, sagen Sie, Chiefinspektor, führen Sie Ihre Assistenten immer so vornehm aus?

Higgins: Bin ich Krösus? Hm, ich erinnere mich, wir hatten einmal einen Sergeant, Harvy hieß er, er bekam vom damaligen Chef Sir Artur immer die unangenehmsten Aufgaben übertragen, manchmal fuhren wir auch zusammen Streife, da waren Hamburger und Cola schon das allerhöchste der Gefühle.

Lane: Oh, das ist äußerst interessant. Heißt das, Sie wollen mich bei diesem schwierigen Fall nur bei Laune halten, hm mit diesem köstlichen File beispielsweise, bevor wir uns ernsthaft auf die Fährte des Jokers heften?

Higgins: Abgesehen von der Tatsache, daß ich noch nie einen so hübschen Assistenten hatte.

Lane: Noch nie?

Higgins: Fürchte ich, daß uns in der Tat noch schwere Tage bevorstehen, Wochen, Monate, was weiß ich.

Lane: Chiefinspektor...

Higgins: Higgins für Sie.

Lane: Oh, einen Vornamen haben Sie wohl nicht.

Higgins: Doch doch doch, nur verschweige ich ihn meistens. Meine Intimfeinde nennen mich Chiefinspektor Higgi.

Lane: Und Ihre Intimfreunde?

Higgins: Higgi.

Lane: Also gut, Higgi, erzählen Sie einmal, wie lange dauerte Ihr längster Fall, den Sie für den Yard gelöst haben, Sie haben einen legendären Ruf im Haus.

Higgins: Barbara, Sie wissen ja wohl selbst am besten, wie das so ist, oft dauern die Recherchen, die informelle Arbeit Monate, und die Aktion, wenn man einen hochgehen läßt, wenige Minuten.

Lane: Higgi, was denken Sie wirklich über den Joker?

Higgins: Reynolds war sein fünftes Opfer. Wie viele bisher aber tatsächlich auf sein Konto gehen, können wir nur schätzen. Ich könnte mir gut vorstellen, daß noch einige andere Unfälle vom Joker inszeniert wurden.

Lane: Von denen Sie gar nichts wissen.

Higgins: Noch nichts.

Lane: Und wie geht’s also weiter?

Higgins: Eine Hoffnung ist dieser Harras.

Lane: Der Portier aus dem Pflegeheim.

Higgins: Ja, Portier und Sekretär im Home of Peace. Vielleicht findet er etwas heraus, womit wir etwas anfangen können, aber ich kann mich natürlich nicht darauf verlassen.

Lane: Bleibt also nur das Montmartre.

Higgins: Genau. Die Nase des Barkeepers gefällt mir ganz und gar nicht. Haben Sie etwas über ihn herausbekommen?

Lane: O ja, er heißt John Carpenter, 46 Jahre alt, geboren in London, es steht nichts besonderes über ihn in den Akten, keine Vorstrafen, allem Anschein nach ein unbeschriebenes Blatt. Er ist übrigens der Besitzer des Lokals.

Higgins: Besitzer und wäscht selbst die Gläser? Merkwürdig.

Lane: Vielleicht will er Personal sparen.

Higgins: Mag ja sein. Barbara, der Abend mit Ihnen war wunderschön, aber so leid es mir tut, muß ich ihn beenden.

Lane: Haben Sie noch etwas besseres vor?

Higgins: Naja nu, ich habe für das Montmartre keinen Durchsuchungsbefehl bekommen, also muß ich mich dort nochmals umsehen, auf meine Art.

Lane: Schau an schau an, wenn das Sir John erfährt.

Higgins: Darauf kann ich im Moment keine Rücksicht nehmen, wir können dem Joker nicht länger tatenlos zusehen. Kann ich Sie irgendwo absetzen?

Lane: Nein danke, ich geh zu Fuß, ein bißchen frische Luft wird mir jetzt sehr gut tun.

Higgins: Schon wieder so spät, o Mann o Mann... Wo sind denn diese Latschen wieder? – Dann wollen wir mal... Das darf doch nicht wahr sein. Was… was zum Teufel machen Sie denn in meinem Bett?

Lane: Sie sollten eigentlich wissen, daß ich von Natur aus sehr neugierig bin, bis morgen hätte ich das doch bestimmt nicht durchgehalten, die Neuigkeiten aus dem Montmartre zu erfahren. Und außerdem dachte ich mir, man könnte den angebrochenen Abend ein wenig äh… verlängern.

Higgins: Aja, das dachten Sie, meine Haustür war da überhaupt kein Hindernis.

Lane: Aber Higgi, ich bin ein Profi.

Higgins: Jaja.

Lane: Möchten Sie einen Drink?

Higgins: Ich hatte zwar schon einen, aber bekanntlich soll man auf zwei Füßen stehen. Schön, daß Sie sich mit meiner Hausbar so schnell angefreundet haben.

Lane: Auf den Joker.

Higgins: Nein, nein, eher auf den Tag, an dem wir ihn geschnappt haben werden. Cheers.

Lane: Cheers.

Higgins: Es gibt Neuigkeiten.

Lane: Hm, da bin ich aber gespannt.

Higgins: Carpenter hört die Gespräche seiner Gäste ab.

Lane: In den Blumengestecken sind Mikrophone eingebaut.

Higgins: Wunderbar, wie schnell Sie schalten. Jetzt ist mir auch klar, wie so jemand über so manches krumme Ding als erster Bescheid weiß.

Lane: Und mit diesem Jemand meinen Sie den Joker.

Higgins: Ohne jeden Zweifel. Das Montmartre ist jetzt für uns die heißeste Adresse.

Lane: Aha, und was ist unser nächster Schritt?

Higgins: Ich muß das morgen mit Sir John besprechen, auf keinen Fall möchte ich etwas überstürzen, überlegen Sie mal, angenommen, Carpenter arbeitet nur für den Joker, wenn wir da den Klub hochgehen lassen, ist der Joker auf Nimmerwiedersehen verschwunden.

Lane: Hm, und wenn Carpenter selbst der Joker ist?

Higgins: Ja, das wäre natürlich die einfachste Lösung. Hm, wissen Sie, daß das gar nicht so eine schlechte Idee war, die Sie da hatten?

Lane: Welche?

Higgins: Den Abend zu verlängern.

Lane: Hm.

Higgins: Rutschen Sie mal ein bißchen.

Lane: Möchtest du noch eine Tasse Tee, Darling?

Higgins: Nein danke. Barbara, hör zu, ich hab mir das anders überlegt, bevor ich Sir John meinen Besuch im Montmartre beichte, fahre ich hinaus ins Home of Peace.

Lane: In dieses Pflegeheim. Du willst nicht warten, bis dieser Portier, dieser Harras sich meldet.

Higgins: Nein nein, die Zeit drängt, sei so lieb und fahr schon voraus in den Yard und sag Sir John Bescheid. Ich komme gegen 12 Uhr nach.

Lane: Wie Sie befehlen, Chiefinspektor. Dank dir für die Nacht.

Higgins: Ich danke dir, Profi.

Lane: Also mach’s gut, bis später... Ah!

Higgins: Barbara, Barbara, was ist los?

Lane: Eine Jolly-Joker-Karte, sogar bis hierher ist er also schon gekommen.

Higgins: Aufgespießt mit diesem Jagdmesser.

Lane: Steht da irgend etwas drauf?

Higgins: Nein, das ist aber auch gar nicht nötig. Die Warnung ist eindeutig.

Lane: Ja aber wen von uns beiden hat er gemeint?

Higgins: Wahrscheinlich mich, mein Besuch im Montmartre hat sich schneller herumgesprochen als uns lieb ist.

Lane: Sag mal meinst du, daß Carpenter...

Higgins: Wir werden das gleich haben. Hallo Hooper, hören Sie mich, wo sind Sie?

Hooper: Inspektor Higgins, ich bin nach wie vor vor der Wohnung von Carpenter.

Higgins: Hat er heute Nacht das Haus noch einmal verlassen?

Hooper: Nein, Inspektor, er war die ganze Nacht über in seiner Wohnung. Sein Wagen steht ebenfalls vor der Haustür.

Higgins: OK Hooper danke. Ende. Verdammt, Carpenter kann es nicht gewesen sein.

Lane: Ja was wirst du jetzt tun?

Higgins: Wir lassen es wie besprochen, ich fahre ins Home of Peace, und du nimmst dir ein Taxi zum Yard, sie sollen im Labor das Messer und die Karte auf Fingerabdrücke untersuchen, wenn ich auch glaube, daß Sie auch kaum etwas finden werden. Komm, wir gehen.

Lane: OK.

Lady Smith: Was kann ich für Sie tun?

Higgins: Sie sind Lady Smith, die Leiterin dieses Sanatoriums, ist das richtig?

Lady Smith: Leiterin und Eigentümerin, ganz recht.

Higgins: Also Milady, ich bin mit der Aufklärung eines sehr ernsten und eines sehr mysteriösen Falles beauftragt, Scotland Yard untersucht zur Zeit einige rätselhafte Autounfälle, die in den letzten Wochen passiert sind. Wir sind dabei zu der Überzeugung gelangt, daß es sich nicht um Unglücksfälle, sondern durchweg um Mordanschläge handelte.

Lady Smith: Ah, Sie meinen jene Fälle, von denen auch schon die Zeitungen berichtet haben.

Higgins: So ist es.

Lady Smith: Und darf ich fragen, wieso Sie damit zu mir kommen?

Higgins: Sie dürfen. Bitte sehen Sie sich diese beiden Fotos einmal an.

Lady Smith: Ja.

Higgins: Sagen Ihnen diese beiden Fotos etwas, Milady?

Lady Smith: Nein, Inspektor.

Higgins: Die Fotos zeigen zwei Unfallopfer. Beide waren angeblich kurz bevor sie umkamen hier in diesem Sanatorium.

Lady Smith: Hier? Das kann ich nicht glauben. Ach, warten Sie bitte, dürfte ich die Fotos noch einmal sehen?

Higgins: Natürlich.

Lady Smith: Doch, den einen kenn ich, den mit der Narbe, das ist Mr. Fletcher. Wissen Sie, die Aufnahme ist nicht besondern gut.

Higgins: Bedauerlicherweise, Milady, entschuldigen Sie.

Lady Smith: Bitte?

Higgins: Ja.

Lady Smith: Ah ja. Sein Vater war bei uns bis zu seinem Tod in Pflege gewesen, und Mr. Fletcher ist so großzügig, uns von Zeit zu Zeit eine finanzielle Zuwendung zu machen, Sie müssen nämlich wissen, daß wir hier auf private Spenden sehr angewiesen sind.

Higgins: Ich verstehe.

Lady Smith: Ja, möglicherweise hat er uns wieder einmal einen Besuch abgestattet, aber da müßte er bei Mr. Harras vorgesprochen haben, hm, nein, den zweiten Mann kenn ich aber mit Sicherheit nicht.

Higgins: Ja. Ja, dann würde ich gerne einmal mit Mr. Harras sprechen.

Lady Smith: Das geht leider nicht. Harras hat heute seinen freien Tag.

Higgins: Achso.

Lady Smith: Aber ich kann Ihnen ja seine Privatnummer geben.

Higgins: Bitte, Milady, halten Sie es für denkbar, daß Mr. Fletcher, oder vielleicht auch Mr. Pelford, das ist der Mann hier auf dem anderen Foto, gar nicht zu Ihnen, sondern vielleicht zu einem der Heiminsassen wollte?

Lady Smith: Ja, das kann ich nicht beurteilen, Inspektor, ich glaube aber nicht, aber Sie können ja einmal meine Schützlinge fragen.

Higgins: Ich würde das sehr gerne tun. Fangen wir doch gleich mit dem älteren Herrn dahinten an, im Rollstuhl, wer ist das?

Lady Smith: Ja, ja, äh Miller?

Miller: Ja?

Lady Smith: Miller, könnten Sie mit Mr. Goldmann einen Augenblick herkommen.

Miller: Ja.

Lady Smith: Das ist Mr. Goldmann, Theodor Goldmann. Er ist erst seit wenigen Wochen bei uns.

Higgins: Mr. Goldmann, entschuldigen Sie, mein Name ist Higgins, Chiefinspektor Higgins.

Goldmann: Goldmann, Theodor Goldmann.

Lady Smith: Verzeihen Sie, Mr. Goldmann, der Inspektor hier hätte eine Frage an Sie.

Goldmann: Ja, was kann ich für Sie tun?

Higgins: Sir, sehen Sie sich doch bitte diese beiden Fotos an. Kennen Sie einen der beiden?

Goldmann: Ja, den einen kenn ich.

Higgins: Den mit der Narbe?

Goldmann: Nein, den anderen, den mit der Brille.

Higgins: Pelford also, Mr. Goldmann, woher kennen Sie Pelford?

Goldmann: Er war einmal hier, vor ein paar Woche glaub ich, ich hab ihn nur kurz gesehen, was oder zu wem er wollte kann ich Ihnen auch nicht sagen, und jetzt entschuldigen Sie mich, Inspektor, Miller, fahren Sie mich ins Haus.

Higgins: Danke, Mr. Goldmann. Wie erklären Sie sich das, Milady?

Lady Smith: Ja, ich weiß auch nicht, ich kann meine Augen ja nicht überall haben.

Higgins: Natürlich nicht, Pelford muß also zu einem Ihrer Patienten gewollt haben.

Lady Smith: Ja vielleicht, was weiß ich.

Higgins: Na gut, Milady, das wär’s fürs erste. Falls ich noch Fragen haben sollte, werde ich mir erlauben, nochmals bei Ihnen vorbeizusehen.

Lady Smith: Ja, tun Sie das, Inspektor. Inspektor?

Higgins: Milady?

Lady Smith: Ja, übrigens, wer sagte Ihnen eigentlich, daß diese beiden Herren bei mir gewesen sein sollen?

Higgins: Mr. Harras, er besuchte uns im Yard. Auf Wiedersehen, Milady.

Lady Smith: Auf Wiedersehen.

Sir John: Ja.

Higgins: Hallo, Sir John?

Sir John: Na endlich, Higgins, wo stecken Sie denn?

Higgins: In einer Telefonzelle in der Shaftsbury Avenue. Ich habe mich im Sanatorium umgesehen, Sir, und mit Lady Smith gesprochen.

Sir John: Ja, ja, was haben Sie für einen Eindruck?

Higgins: Einen sehr zwiespältigen. Sie kennt Fletcher, aber das gab sie nicht gleich zu, behauptet, er sei ein Förderer des Sanatoriums. Ein älterer Heiminsasse, ein gewisser Goldmann, bestätigte jedoch, daß auch Pelford dort einmal aufgetaucht ist. Im Moment kann ich mir aber noch keinen rechten Reim darauf machen. Übrigens, ist Superintendant Lane schon bei Ihnen, kann ich sie mal sprechen?

Sir John: Das können Sie nicht, sie ist nicht da, aber sie hat angerufen, sie wird sich etwas verspäten. Hören Sie mal, Miss Lane hat mir schon von Ihrem nächtlichen Ausflug ins Montmartre berichtet, also Higgins, Sie wissen, daß ich diese Eigenmächtigkeiten von Ihnen gar nicht schätze, ich repräsentiere als Chef den Yard auch nach außen, und wenn jeder meiner Inspektoren...

Higgins: Weg! Gehen Sie in Deckung!

Hooper: Hände hoch, keine Bewegung!

Higgins: Nur keine Panik, Jungs, Jungs.

Hooper: Tschuldigen Sie vielmals, Chiefinspektor.

Higgins: Ja ist ja schon gut. Geben Sie sofort eine Fahndung nach dem schwarzen Jaguar XJ 12 raus.

Hooper: Achtung, an alle Streifenwagen, gesucht wird ein schwarzer Jaguar XJ 12.

Higgins: Entfernt sich von der Shaftsbury Avenue nach Norden, wahrscheinlich Richtung Regents Park.

Higgins: Besondere Kennzeichen: Verdunkelte Scheiben. Bei Sichtkontakt anhalten und den Fahrer unverzüglich festnehmen.

Higgins: Vorsicht, der Mann ist bewaffnet und macht ohne Bedenken von der Schußwaffe Gebrauch. Ende. Hallo, Sir John, Sir John bitte kommen.

Sir John: Higgins, was war denn los?

Higgins: Sitzen Sie?

Sir John: Ja.

Higgins: Sie haben sich soeben die Begräbniskosten für einen Ihrer Chiefinspektoren erspart.

Sir John: Der Joker?

Higgins: Genau. Um ein Haar hätte er mich erwischt. Ich habe die Fahndung schon ausgegeben.

Sir John: Ja was sind denn das für Sachen, Higgins. Ich hab auch schlechte Nachrichten, der Amerikaner, wie hieß der noch?

Higgins: Silkwood, Sir.

Sir John: Ach ja, dieser Silkwood und seine Kumpanen haben unsere Leute abgehängt.

Higgins: Verdammt, heute geht aber auch alles schief. Ich komm in den Yard.

Sir John: Nein, nein, warten Sie, Mr. Harras hat heute früh noch mal angerufen, Sie sollen zu ihm in die Privatwohnung kommen, er wohnt in der Kingsroad Nummer 4.

Higgins: Ich bin schon unterwegs, Sir. - Mr. Harras, sind Sie zuhause? – Hallo, Mr. Harras? – Mr. Harras? – Mein Gott!

Lady Smith: Meine Herren, darf ich erfahren, welchem Umstand ich diese rüde Vorladung zu verdanken habe?

Higgins: Kam sie wirklich so unerwartet, Milady?

Sir John: Higgins, kommen Sie zur Sache.

Higgins: Sie verdanken die Vorladung dem Umstand, Milady, daß Ihr Portier seit gestern auf Eis liegt, im Leichenschauhaus.

Lady Smith: Harras? Wie ist das möglich?

Higgins: Man hat ihn in seinem Badezimmer solange unter Wasser getaucht, bis der Tod eintrat, seinen freien Tag hat er sich wahrscheinlich anders vorgestellt.

Lady Smith: Ja aber das ist ja entsetzlich.

Higgins: Da sind wir zufällig einer Meinung Milady, ich finde es aber auch entsetzlich, daß dieser scheußliche Mord keine zwei Stunden nach meinem Besuch in Ihrem Sanatorium von mir entdeckt wurde, nachdem ich Ihnen mitteilte, daß Harras uns wegen der Besuche von Pelford und Fletcher im Home of Peace aufgesucht hat. Sie werden sicherlich verstehen, welche Rückschlüsse für mich da naheliegend sind.

Lady Smith: Inspektor, soll das heißen, Sie unterstellen mir irgendeine Verbindung zu diesem Mord? Zwei Stunden dürften wohl ein wenig knapp bemessen sein, um einen Mordplan zu fassen und auszuführen.

Higgins: Das Argument klingt plausibel, haben Sie vielleicht schon Ihren Rechtsbeistand konsultiert?

Lady Smith: Ich verbitte mir diesen Ton.

Sir John: Higgins! Behalten Sie bitte Platz, Lady Smith.

Higgins: Sie haben mich nicht ausreden lassen. Ich sagte vorhin, daß zwischen meinem Besuch bei Ihnen und dem Entdecken der Leiche etwa zwei Stunden lagen, die Obduktion hat allerdings ergeben, daß der Mord in der Nacht passierte, so zwischen 1 und 2 Uhr morgens.

Lady Smith: Na also, sehen Sie.

Higgins: Ja, nur beweist das nichts. Harras hatte vorgestern gegen 15 Uhr Dienstschluß und war um ca. 16 Uhr bei uns. Einer ihrer Heiminsassen hat uns gegenüber bestätigt, daß kurz nach Harras auch Ihr Pfleger Mr. Miller das Heim verlassen hat.

Lady Smith: Wer hat das denn behauptet?

Higgins: Ich werde mich hüten, Ihnen das zu sagen, der Mord an Harras, der reicht mir fürs erste.

Lady Smith: Inspektor, ich werde mich an höchster Stelle über Sie beschweren, wenn Sie mir weiterhin in diesem Ton die Ermordung von Mr. Harras anlasten.

Higgins: Tun Sie das, Milady, und Sie können gleich damit anfangen. Ich hoffe, daß Ihr Pfleger ein stichfestes Alibi hat, denn wenn nicht, und wenn ich dahinterkommen sollte, daß er Harras zum Yard gefolgt ist, nehme ich ihn eigenhändig auseinander, das versichere ich Ihnen.

Lady Smith: Sie haben doch nicht den geringsten Beweis in der Hand, Inspektor, Sie tappen im Dunkeln und wollen mich belasten, weil das für Sie der einfachste Weg ist.

Higgins: Milady, wir haben eine ganze Reihe ungelöster Todesfälle, und wenn ich auf der Stelle trete, so verdirbt mir das die Laune.

Sir John: Higgins.

Higgins: Ich versichere Ihnen eines: Sollte ich nur ein einziges Indiz finden, das Sie und Ihr Sanatorium in Zusammenhang mit dieser Mordserie bringt, dann gnade Ihnen Gott.

Lady Smith: Ich sehe schon, ich werde das Gespräch über meinen Anwalt fortsetzen. Kann ich jetzt gehen?

Higgins: Sie können gehen, Lady Smith. Ich frage mich nur, ob der Joker auch so großzügig ist.

Lady Smith: Sir John, auf Ihren Inspektor, diesen Proleten, dürfen Sie sich wirklich etwas einbilden.

Lane: Eine temperamentvolle Lady.

Higgins: Blöde Kuh.

Sir John: Higgins, Sie sind wohl nicht ganz bei Trost, hier so eine Show abzuziehen. Auf die Interventionen von oben kann ich mich jetzt schon freuen.

Higgins: Ach, darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Überlegen Sie doch, Sir John, wir tappen im Dunkeln wegen dieser Mordserie, und da kommt dieser Portier daher, und identifiziert zwei der Opfer einwandfrei, und neun Stunden später ist er tot. Wollen Sie mir vielleicht weis machen, das sei Zufall?

Sir John: Nein, aber... Ja, Hallo? Ja, für Sie, Higgins.

Higgins: Danke. Ja. Ja, Higgins?

Stimme: Sie sind gestern noch einmal davongekommen, Chiefinspektor, das sollte Ihnen eine Warnung sein, ich gebe Ihnen einen guten Rat, lassen Sie mich in Ruhe arbeiten, sonst könnte es sein, daß Sie Ihre hübsche Freundin eines Tages nur noch anhand ihrer Ausweispapiere identifizieren können.

Higgins: Hallo? Hallo? Verdammt. Mist, verdammter.

Sir John: Wer war das?

Higgins: Na dreimal dürfen Sie raten.

Sir John: Bin ich allwissend?

Higgins: Unser Freund.

Sir John: Doch nicht etwa der Joker?

Higgins: Doch.

Sir John: Und was wollte er?

Higgins: Mir sicherlich kein langes Leben wünschen. Superintendant Lane hat er auch bedroht.

Sir John: Da haben Sie’s. Und Sie nehmen hier Lady Smith auseinander.

Higgins: Ja finden Sie das nicht merkwürdig?

Sir John: Was soll ich merkwürdig finden?

Higgins: Wir laden Lady Smith vor, und fast zur selben Zeit meldet sich der Joker telefonisch.

Lane: Du meinst, es war vielleicht nur ein Strohmann?

Higgins: Sicherlich natürlich, um uns zu verwirren.

Sir John: Sie duzen sich bereits. Das ist ja alles sehr hilfreich. Hören Sie zu, Higgins, hören Sie ein einziges Mal auf mich.

Higgins: Ich höre doch.

Sir John: Sie halten doch nicht etwa Lady Smith für den Joker? Das können Sie mir doch nicht antun, ein Jahr vor meiner Pensionierung.

Higgins: Sir John, ich versichere Ihnen, Ihre Pension ist in keinster Weise gefährdet.

Ann Pattison: Sir John, es ist Zeit für Ihre Tabletten.

Sir John: Aber jetzt nicht.

Ann Pattison: Sir John.

Higgins: Hören Sie, ich muß mir Klarheit verschaffen über die Vorgänge im Sanatorium, und das wäre ein Job für dich, Barbara, aber keineswegs ungefährlich.

Lane: Hm, könntest du dich etwas klarer ausdrücken?

Higgins: Hör zu, Lady Smith hat dich noch nicht von Angesicht zu Angesicht gesehen, das war auch der Grund, warum du nebenan warten solltest, nehmen wir jetzt einmal an, du bist Journalistin und schreibst einen Report über die Lebensverhältnisse unserer älteren Mitbürger, damit hättest du einen plausiblen Grund, ausführlich mit den Leuten im Home of Peace zu reden.

Lane: Und an welche Zeitung hast du gedacht?

Higgins: Ja nu mein Gott, den Daily Telegraf, ich kenne den Chefredakteur, der soll da selbst anrufen und deinen Besuch ankündigen, so halten wir das Risiko gering, sollte Lady Smith auf die Idee kommen, zurückzurufen. Wären Sie damit einverstanden, Sir John?

Sir John: Naja, wenn sich Miss Lane dazu bereiterklärt.

Higgins: Barbara.

Sir John: Ich werde dich nicht enttäuschen.

Higgins: Danke, Profi.

Higgins: Häh, 5 Uhr, wer zum Teufel, wem fällt... ja hier Higgins, was gibt’s?

Hooper: Mr. Higgins, hier Seargent Hooper.

Higgins: Ja?

Hooper: Tut mir leid, Sie so früh wecken zu müssen, aber Carpenter verläßt soeben seine Wohnung, und das ist reichlich ungewöhnlich, er nimmt den Range Rover.

Higgins: Was, so früh? Also gut, Hooper, hängen Sie sich dran, und melden Sie sich wieder, Ende.

Higgins: Ja, Higgins hier.

Hooper: Hier Seargent Hooper.

Higgins: Was gibt’s neues?

Hooper: Carpenter hat auf offener Landstraße gehalten und steht schon ne halbe Stunde da.

Higgins: Merkwürdig. Entweder wartet er auf jemand, oder er hat Sie entdeckt und will Sie nur in die Irre führen.

Hooper: Warten Sie, Inspektor, jetzt nähert sich dem Rover ein Wagen, ich glaube, ja, er verlangsamt sein Tempo. Tatsächlich, er bleibt neben dem Rover stehen.

Higgins: Können Sie die Marke erkennen?

Hooper: Das ist ne schwarze Limousine, ein Jaguar. Carpenter reicht ihm etwas durchs Fenster.

Higgins: Hören Sie zu, Hooper, das ist unser Mann, vergessen Sie Carpenter und folgen Sie dem Jaguar. Verlieren Sie ihn nicht aus den Augen, ich komme sofort. Ende.

Hooper: Er war plötzlich wie von Erdboden verschluckt, ich hab so was noch nie erlebt, Chiefinspektor.

Higgins: Hier in diesem Planquadrat haben Sie ihn verloren.

Hooper: Ja, ich hatte noch die Kollegen verständigt, ein paar Augenblicke später hätten wir ihn einkreisen können, aber der fuhr plötzlich in eine Hauseinfahrt und auf der Hinterseite wieder raus, es war mir völlig unmöglich, ihm so rasch zu folgen.

Higgins: Hooper, nun beruhigen Sie sich doch, ich mache Ihnen ja keinen Vorwurf. Nur wäre es zu schön gewesen. Passen Sie auf, Sie legen sich aufs Ohr, Sie haben die letzten 48 Stunden nicht viel geschlafen.

Hooper: Vielen Dank, Chiefinspektor.

Higgins: Schon gut, ich werde mir diese Gegend mal ein wenig genauer ansehen.

Tankwirtin: Guten Morgen Sir.

Higgins: Guten Morgen.

Tankwirtin: Was soll’s sein?

Higgins: Sind Sie so nett und tanken Sie voll.

Tankwirtin: Ja.

Higgins: Nicht viel Betrieb hier heute, nicht.

Tankwirtin: Nein, ein Wunder, daß in dieser gottverlassenen Gegend überhaupt mal jemand stehen bleibt.

Higgins: In der alten Hochgarage dahinten, sind da noch viele Wagen abgestellt?

Tankwirtin: In dem alten Ding? Ja, zwei Dutzend vielleicht. Das ganze Gebäude sollte schon vor Jahren abgerissen werden. Ja, ich geh ja sowieso bald in Rente, dann sollen die doch sehen, wie sie zurechtkommen. Warum fragen Sie eigentlich.

Higgins: Ach ja, nur so. Wem gehört die Garage überhaupt?

Tankwirtin: Wem sie gehört, weiß ich gar nicht. Mr. Tanner macht hier das Geschäftliche. Den können Sie fragen.

Higgins: Mr. Tanner? Wissen Sie, ob er jetzt da ist?

Tankwirtin: Ja, er kommt meistens schon vor 7, bleibt bis in die Nacht. Auch so ein alter Spinner. Sein Büro ist in der 4. Etage.

Higgins: Hm, ich sag ihm mal guten Tag. Ach, kontrollieren Sie inzwischen bitte das Öl und die Reifen.

Tankwirtin: Ja, ja, Sie können den Aufzug hinten links benutzen, wenn’s das alte Ding überhaupt noch tut.

Higgins: Hoffen wir’s.

Tanner: Ja.

Higgins: Mr. Tanner?

Tanner: Sie wünschen?

Higgins: Ich bin Inspektor Higgins von Scotland Yard.

Tanner: Was wollen Sie?

Higgins: Ich hätte gerne einige Auskünfte.

Tanner: Worüber?

Higgins: Ich suche ein Auto.

Tanner: Soso.

Higgins: Ja, eine Limousine Marke Jaguar, schwarz lackiert.

Tanner: Ja und warum kommen Sie da zu mir? Ich bin kein Gebrauchtwagenhändler.

Higgins: Mr. Tanner, ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn Sie sich ein paar Minuten von Ihrer Arbeit trennen und mir zuhören würden. Eine Frage, Mr. Tanner, lesen Sie Zeitung?

Tanner: Eigentlich nicht, viel Arbeit hier.

Higgins: Ja, dann haben Sie auch noch nie etwas vom Joker gehört.

Tanner: Nein, wer soll das sein?

Higgins: Mr. Tanner, um es kurz zu machen, Scotland Yard, und das bin in diesem Falle ich, wir versuchen einem der gefährlichsten Verbrecher auf die Spur zu kommen, aber wir haben nicht den geringsten Hinweis auf seine Identität. Wir wissen nur eines: Er fährt einen dunklen Jaguar aus der XJ 6er oder 12er Serie, deshalb meine Frage: Ist ein Fahrzeug dieses Typs in Ihrer Garage untergestellt?

Tanner: Jaguar? Warten Sie, natürlich, drei sogar, ein alter Sportwagen der Type E, ein weißer Vierzylinder, und dann natürlich Mr. Goldmanns Privatwagen.

Higgins: Privatwagen. Und wer bitte ist Mr. Goldmann?

Tanner: Ja der Eigentümer dieser Garage.

Higgins: Ich dachte, die Garage gehört Ihnen.

Tanner: Mir? Ich bin ein alter Mann, Inspektor, ich verdien mir hier ein paar Kröten zu meiner miesen Rente.

Higgins: Und Sie sagen, Mr. Goldmanns Wagen ist ein Jaguar.

Tanner: Ja, er wurde aber seit mehr als 2 Jahren nicht mehr gefahren. Seit Mr. Goldmann eben das letzte Mal in London war.

Higgins: Er lebt im Ausland?

Tanner: Ja, die Goldmann Industries haben ihren Sitz in Hongkong, und Mr. Goldmann...

Higgins: Wie heißt er mit Vornamen?

Tanner: Soviel ich weiß, Anton, also Mr. Goldmann kümmert sich wohl um alles, außer um diese alte Hochgarage und die Tankstelle. Hier bin ich Mädchen für alles.

Higgins: Ja, ja, ich verstehe. Auf diesem Bild hier, ist das Mr. Goldmann, Mr. Anton Goldmann?

Tanner: Ja, das ist Mr. Anton Goldmann.

Higgins: Mr. Tanner, ich danke Ihnen fürs erste und ich habe auch im Moment keine Fragen mehr. Aber ich würde mir gerne einmal diesen Jaguar von Mr. Goldmann ansehen.

Tanner: Tun Sie, was Sie nicht lassen können, er steht in der 3. Etage, ich nehme an, Sie finden den Weg alleine.

Higgins: Durchaus. Haben Sie nochmals vielen Dank, Mr. Tanner. – Verdammt.

Tanner: Was machen Sie da? Das ist eine Alarmanlage gegen Diebe. Darf ich wissen, was Sie da gemacht haben? Ich sagte, Sie können sich den Wagen einmal ansehen, von einer Spazierfahrt war nicht die Rede...

Higgins: Ich...Mister...

Tanner: Oder haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?

Higgins: Noch nicht.

Tanner: Darf ich wissen, wer Ihr Vorgesetzter ist, Chiefinspektor?

Higgins: Wenn Sie Beschwerden haben, Mr. Tanner, und die haben Sie ja wohl, wenden Sie sich an Sir John.

Sir John: Und Sie halten diese Garage wirklich für einen Schlupfwinkel des Jokers?

Higgins: Hm, es sieht fast so aus. Überlegen Sie einmal, Sir John, Hooper hat den Wagen in der Nähe der Demmem-Road aus den Augen verloren. Weit und breit gibt es nichts als Abbruchhäuser, desolate Gebäude und geschlossene Geschäfte.

Sir John: Trotzdem. Trotzdem. Es ist ebenso gut denkbar, daß der Joker unseren guten Hooper genarrt hat und in eine völlig andere Richtung weitergefahren ist.

Higgins: Auf jeden Fall laß ich diese Hochgarage Tag und Nacht beobachten. Unsere Leute sollen vor allem darauf achten, ob ein schwarzer Jaguar die Garage verläßt.

Sir John: Ja was wollen Sie denn mit den beiden alten Herrschaften in der Garage anfangen, glauben Sie etwa, daß einer von den beiden der Joker ist?

Higgins: Nein, das nicht gerade, aber sie könnten mit ihm unter einer Decke stecken. Tanner war nicht gerade begeistert, als ich den Jaguar untersuchte.

Sir John: Wozu Sie im übrigen auch kein Recht hatten. Also ich finde, Sie sind im Moment nicht gerade sehr erfolgreich, Higgins.

Higgins: Danke, Sir.

Sir John: Ich habe mir zudem einige Zahlen geben lassen, die Sie nicht gerade begeistern werden. Da, in London sind derzeit rund 19.000 Leiland-Fahrzeuge der Marke Jaguar gemeldet, davon fast 6000 aus der XJ-Serie. Eine fast hoffnungslose Aufgabe, aufgrund des Fahrzeugtyps den Joker ausfindig zu machen.

Higgins: Eben, und deshalb meine ich, wir sollten uns lieber an die Fakten halten. Rekapitulieren wir einmal.

Sir John: Aber Higgings, wenn Sie mich fragen, Sie haben überhaupt nichts konkretes in der Hand.

Higgins: Sir John, bitte, jetzt hören Sie mir einmal zu. Wir haben zunächst einmal Lady Smith, von der erwiesen ist, daß sie von zwei späteren Opfern des Jokers besucht wurde, das ist immerhin ein Anhaltspunkt. Ich hoffe, daß uns Miss Lane weiterbringt. Und dann haben wir seit heute diesen merkwürdigen Tanner. Ich möchte nicht ausschließen, daß in seiner Garage der Wagen des Jokers steht.

Sir John: Naja. Wie alt, sagten Sie, ist Tanner?

Higgins: Einiges über 70, Sir.

Sir John: Naja, das spricht ja wohl für sich.

Ann Pattison: Sir John, es ist Zeit für Ihre Tabletten.

Sir John: Ja, aber nicht jetzt.

Ann Pattison: Sir John, bitte.

Higgins: Der nächste ist Carpenter. Ich bin überzeugt, daß er sich heute in den frühen Morgenstunden mit dem Joker getroffen hat. Ich habe schon einmal betont, daß ich Carpenter unter keinen Umständen zu früh festnehmen will, je weniger er sich beobachtet fühlt, um so besser für uns.

Sir John: Ja und dann wäre da noch der Amerikaner, dieser...

Higgins: Silkwood.

Sir John: Ja.

Higgins: Er scheint wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Und jetzt frage ich mich, was hat er vor. Ich glaube, wir können davon ausgehen, daß Silkwood und der Joker nicht identisch sind.

Sir John: Bleibt auch noch die Frage, warum Harras ermordet wurde.

Higgins: Richtig, Sir. Darf ich mir einen Whisky nehmen?

Sir John: Ja, ich bitte darum.

Higgins: Sie auch?

Sir John: Ja, aber ohne Eis.

Higgins: Seit heute Vormittag hat sich noch ein völlig neuer Aspekt ergeben, dem wir nachgehen sollten. Wissen Sie, wer der Eigentümer der Garage ist?

Sir John: Nein.

Higgins: Ein gewisser Anton Goldmann.

Sir John: Ja und? Was ist daran so ungewöhnlich?

Higgins: Goldmann hieß auch der alte Mann im Rollstuhl in Lady Smith Sanatorium, Theodor Goldmann.

Sir John: A Goldmann, an dem Namen ist doch nichts ungewöhnliches. Ich kenne viele mit dem Namen Goldmann.

Higgins: Ja, aber die beiden haben deutsche Vornamen Sir, Anton und Theodor.

Sir John: Danke. Haben Sie mit diesem Anton Goldmann gesprochen?

Higgins: Nein, der sitzt angeblich in Hongkong, ist Inhaber der Goldmann Industries, offenbar ein größerer Konzern, in Tanners Büro hängt ein Bild von ihm.

Sir John: Ja und? Irgendwelche Ähnlichkeiten mit dem Mann im Sanatorium?

Higgins: Nein, leider nicht, nicht die geringste.

Sir John: Na sehen Sie, an Ihrer Stelle würde ich zusehen, den Amerikaner wiederzufinden, anstatt in dieser Garage irgendwelchen Hirngespinsten nachzulaufen.

Higgins: Cheers.

Sir John: Ja, zum Wohl.

Higgins: Aber irgend etwas macht mich stutzig. Ich stellte mich Tanner als Inspektor Higgins vor, irgendwann während des Gesprächs sagte Tanner Chiefinspektor zu mir, finden Sie das nicht etwas seltsam, Sir John?

Sir John: Kann doch Zufall sein.

Higgins: Aber trotzdem, der Sache mit den Goldmanns werd ich auf den Grund gehen, Miss Lane muß mir hier helfen, sie soll den Theodor Goldmann, den Mann im Rollstuhl, etwas genauer unter die Lupe nehmen.

Lane: Hallo Darling.

Higgins: Hallo. Na, wie war’s, hast du was rausgekriegt in deinem Home of Peace?

Lane: Hm, du hattest recht mit deiner Vermutung, Goldmann hatte einen Bruder, er hatte. Maximilian starb vor Jahren an Krebs.

Higgins: Schon wieder so ein deutscher Name.

Lane: Ich habe mir hier ein Foto ausgeborgt, du, sieh dir das mal an, die beiden sind sich wie aus dem Gesicht geschnitten, findest du nicht?

Higgins: Die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend. Die beiden müssen Zwillingsbrüder gewesen sein. Eine Gewißheit haben wir jetzt, Goldmanns Bruder ist nicht der Mann in Tanners Büro. Ich fürchte, ich habe mich diesmal geirrt.

Lane: Mr. Goldmann ist viel in der Welt herumgekommen und will bei Lady Smith seinen Lebensabend verbringen, manchmal wirkt er ruhig und gemütlich, dann wieder höchst wachsam und mißtrauisch, schwer zu durchschauen. Ich habe mit ihm eine Partie Schach gespielt.

Higgins: A ja, wer hat gewonnen?

Lane: Remi.

Higgins: Aha. Hat Lady Smith Verdacht geschöpft?

Lane: Bestimmt nicht, sie war sehr zuvorkommend, ich habe mit nahezu allen Einsassen sprechen können, man hat den Eindruck, sie fühlen sich alle recht wohl dort.

Higgins: Hast du noch etwas über Pelford und Fletcher herausbekommen?

Lane: Nein, leider nein. Über interne Vorgänge im Sanatorium sind die Leute offenbar völlig ahnungslos, und an Lady Smiths Privatunterlagen, da kam ich noch nicht ran, sie bewahrt alles in einem Safe auf.

Higgins: Hm, ich geb was drum, wenn ich da mal reinkucken könnte.

Lane: Hm, ich werd’s für dich versuchen.

Higgins: Aber Darling, ich bitte dich.

Lane: Ich weiß, ich weiß, ich bin vorsichtig.

Higgins: Ein Durchsuchungsbefehl ist bei Lady Smith nicht drin, da spielt Sir John nicht mit, ich selbst muß mich noch um Tanner kümmern.

Lane: Tu das, Higgi.

Higgins: Der Mann geht mir einfach nicht aus dem Kopf.

Lane: Also, ich muß zurück in mein Altersheim. Machs gut.

Higgins: Sei vorsichtig, Profi.

Lane: Du auch, Profi.

Stimme: Achtung, Achtung, bewaffneter Überfall auf Juweliergeschäft am Eaton-Square, es gab ein Todesopfer, alle verfügbaren Einsatzkräfte bitte sofort an den Tatort.

Higgins: Das darf doch nicht wahr sein.

Sir John: Ah, Tag Higgins.

Higgins: Sir John.

Sir John: Nun sehen Sie sich das einmal an, das ist übrigens Mr. Short, der Besitzer.

Short: Guten Tag.

Higgins: Mr. Short, dann erzählen Sie mal.

Short: Ja, es ging alles furchtbar schnell, mein Angestellter und ich waren gerade hier im Laden, und berieten einige Kunden, als an der Hintertür eine Explosion erfolgte. Ich sah noch, wie der Wächter niedergeschlagen wurde, und dann stürmten sie auch schon herein, schwer bewaffnet, wir mußten alle die Hände in die Höhe nehmen.

Higgins: Wie sahen die Kerle aus?

Short: Ja, sie hatten dunkle Mäntel an und so weiße Gesichtsmasken aufgesetzt, als ich den Safe nicht sofort öffnen wollte, haben sie meinen Angestellten einfach über den Haufen geschossen.

Sir John: Ja hätte sich das nicht vermeiden lassen, Mr. Short, Sie sind doch versichert.

Short: Ich war im ersten Moment so überrascht, und ich wußte auch nicht, ob sie wirklich schießen würden, im Safe waren immerhin Rohdiamanten im Wert von einer halben Million Pfund.

Higgins: Konnten Sie erkennen, mit welchem Auto sie geflüchtet sind?

Short: Ja, den Fluchtwagen konnte ich sehr genau erkennen, es war ein brauner Chevrolet Kombi, Baujahr so 77/78, er fuhr vielleicht 2 Minuten, nachdem die Kerle das Lokal gestürmt hatten, vor.

Sir John: Die Fahndung ist bereits draußen.

Higgins: Gut. Sir John, ich muß Sie unter 4 Augen sprechen. Entschuldigen Sie uns, Mr. Short.

Short: Aber bitte schön.

Sir John: Nun?

Higgins: Ich gehe jede Wette ein, daß der Amerikaner hinter dem Überfall steckt. Das ist haargenau seine Arbeitsweise.

Sir John: Und was wollen Sie unternehmen?

Higgins: Der Amerikaner hat eine Beute von 500.000 Pfund gemacht, ab dieser Stunde, da gehe ich jede Wette ein, befindet er sich im Fadenkreuz des Jokers.

Sir John: Sie meinen, es kommt zur großen Konfrontation.

Higgins: Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder der Joker erledigt Silkwood und seine Leute, dann haben wir ein Problem weniger, oder der Amerikaner ist schlauer und trickst den Joker aus, dann hätte er geschafft, was uns bisher nicht gelungen ist. Ich glaube aber eher, daß Tom Silkwood und seine Leute noch ihr blaues Wunder erleben werden.

Sir John: Nun malen Sie mal nicht den Teufel an die Wand, Higgins.

Ann Pattison: Sie sollten sich nicht so viele Sorgen machen, Sir John.

Sir John: Sie haben leicht reden, Kindchen. Die Morde des Jokers, der Überfall auf Shorts Juweliergeschäft, und nicht zu vergessen der Anschlag auf Higgins, wissen Sie, Higgins hat bisher noch jeden seiner Fälle gelöst, und Miss Lane ist eine sehr tüchtige Mitarbeiterin.

Ann Pattison: Ja, sehr tüchtig.

Sir John: Aber ich fürchte, daß Higgins im Joker seinen Meister gefunden hat. Und wissen Sie, Ann, ein Gedanke beunruhigt mich zu tief.

Ann Pattison: Welcher, Sir John?

Sir John: Daß er sich diesmal irrt, daß keine der Personen, die er verdächtigt, der Joker ist, daß es jemand völlig unbekanntes ist, oder, was noch schlimmer wäre, daß es jemand ist, der unter uns weilt, jemand, den wir alle kennen.

Higgins: Guten Abend, Sir John.

Sir John: Ah, guten Abend, Higgins, daß Sie sich auch mal wieder blicken lassen, ja, gibt’s was Neues?

Higgins: Ja, das Telex aus Hongkong.

Sir John: Telex? Hongkong?

Higgins: Ich hatte in Hongkong Auskünfte über Goldmann eingeholt, hier ist die Antwort und ein Bild von ihm.

Sir John: Na, Ann, dann machen Sie uns bitte mal zwei Whisky, oder sagen wir besser drei, ich spendiere ihnen auch einen.

Ann Pattison: Vielen Dank, Sir John.

Sir John: Na, nun zeigen Sie schon her, Higgins, machen Sie es doch nicht immer so spannend. Anton Goldmann, geb. am 4. März 1921 in London, Goldmann liquidierte Industries Hongkong im Januar 1982, Verkaufserlös wahrscheinlich nach Europa transferiert, genauer Aufenthaltsort von Anton Goldmann unbekannt, vermutlich noch Hongkong. Weitere Daten nicht verfügbar.

Higgins: Ja, und das ist sein Foto.

Sir John: Ja und? Ist das identisch mit dem in Tanners Büro?

Higgins: Zweifellos, das ist er.

Sir John: Na sehen Sie.

Ann Pattison: Ihr Whisky, Sir.

Sir John: Danke.

Ann Pattison: Ohne Eis. Bitte Higgins.

Higgins: Danke.

Sir John: Ich habe Ihnen doch gleich gesagt, daß das nichts bringt, Ihre Wahnideen mit dem alten Tanner können Sie ein für alle mal begraben.

Higgins: Trotzdem hatte ich das Gefühl, daß an der Sache etwas faul ist, die Informationen aus Hongkong waren nicht gerade sehr ergiebig, und deshalb habe ich das Foto vorhin durch unseren Computer laufen lassen, zur Identifikation.

Sir John: Ja und?

Higgins: Das Foto zeigt nicht Anton Goldmann, sondern Guliano Montaldo.

Sir John: Guliano Montaldo?

Higgins: Geboren 1931 in Neapel.

Sir John: Ja was soll das heißen, Higgins?

Higgins: Das heißt, daß der Mann, dessen Bild in Tanners Büro hängt, nicht Anton Goldmann ist, und das heißt weiter, der Mann im Rollstuhl ist möglicherweise doch der Bruder des Eigentümers der Garage. Cheers.

Rogers: Sir John, Inspektor, würden Sie bitte mit mir kommen.

Higgins: Schießen Sie los, Rogers.

Rogers: Wir haben insgesamt 5 Tote. Einer von ihnen ist zweifelsfrei Tom Silkwood, den hat’s hier vorne erwischt.

Sir John: Ist ja grauenhaft.

Rogers: Die anderen vier dahinten, das waren höchstwahrscheinlich seine Komplizen. Wir konnten Sie aber noch nicht identifizieren, zwei von ihnen sind bis zur Unkenntlichkeit verkohlt.

Higgins: Sagen Sie, Rogers, weiß man schon, welche Waffe verwendet wurde?

Rogers: Alles deutet auf ein Maschinengewehr der Marke Rammington hin, ein älteres Modell, wie es auch von den Amerikanern im Vietnam verwendet wurde, Kaliber 7,9 mm, Reichweite 4000 Meter bei 1000 Schuß pro Minute. Und so was eingesetzt aus einer Entfernung von nicht einmal 150 Metern. Die Leute wurden regelrecht abgeschlachtet. Der Wagen ist auch dementsprechend zugerichtet.

Higgins: Ich war Tom Silkwood zwar auf den Fersen, aber ein so grauenvolles Ende hätte ich ihm trotz allem lieber erspart.

Rogers: Ganz recht, Inspektor. Ich kann mich nicht erinnern, daß in England eine Waffe dieser Größenordnung bei einer Gangsterfehde je zum Einsatz kam.

Higgins: Wie hat dich das ganze Ihrer Meinung nach abgespielt im Detail?

Rogers: Also, Silkwood und seine Leute hatten hier, auf dieser Waldlichtung offenbar mit einer uns unbekannten Person ein Treffen vereinbart, eine Geldübergabe oder etwas ähnliches, wir haben neben Silkwoods Leiche einen leeren Koffer gefunden. Sie gerieten dann alle in den Kugelhagel einer Person, die mit einem Wagen, offenbar schon früher, da vorn hinter dem Gebüsch postiert war, in diesem Wagen muß sich auch das MG befunden haben. Ein weiterer Wagen muß aber vorne am Waldweg gestanden haben, sonst wäre nicht erklärbar, wieso Silkwood ausgerechnet an dieser Stelle erschossen wurde.

Higgins: Sonst irgendwelche Anhaltspunkte?

Rogers: Ja, also zunächst etwas sehr merkwürdiges. Bei dem Koffer neben Silkwood fanden wir diese Spielkarte.

Sir John: Aha, ein Jolly Joker, also doch, hätte mich ja gewundert, und sonst noch was?

Rogers: Ja, die Reifenspuren natürlich.

Higgins: Gibt es schon Hinweise auf die Fahrzeugtypen?

Rogers: Der hinterm Gebüsch war wahrscheinlich ein Jeep.

Higgins: Vielleicht ein Range Rover?

Rogers: Durchaus möglich.

Higgins: Und der andere?

Rogers: Ist im Moment schwer zu sagen.

Higgins: Könnte es ein Jaguar gewesen sein?

Rogers: Ich möchte es nicht ausschließen. Genaueres werden wir aber erst später wissen.

Higgins: Gut, Rogers, vielen Dank fürs erste, machen Sie hier weiter mit der Spurensicherung, und wenn’s die ganze Nacht dauert, informieren Sie mich umgehend, wenn Sie etwas neues haben.

Rogers: OK, Sir.

Sir J

Hörspielfan

29. Juni 2025

Roter Stern (BR/SFB 1992)
Hörspiel von Simone Schneider

Liebste Lilina, 50.000 Tonnen schwer und höher als das Warenhaus Die Welt des Kindes in den Himmel über Moskau ragt, Lilina, mein erster Wolkenkratzer naht. Vor den Ufern Sewastopols schwimmt New World New York, zwei Klassen und zwei Schornsteine, bunt geflaggt zu Blasmusik auf schwarzem Meer tanzt Roter Stern. Pack deine Tränen in einen Sack und schick Sie mir nach Amerika. Ozean der Fanatiker, reißt sich die blaue Bluse auf, um mich in eine andere Welt zu schaukeln, Lilina, adieu, dein Hündchen.

Wladimir auf dem Weg in seine Bordkabine.

Tief ist der Ozean. Der Ozean ist eine Sache der Vorstellung. Was unterscheidet ein Ufo von einer schwebenden Ikone? In Moskau setzt man ganze Häuserblöcke auf Räder. Auch das ist eine Sache der Stadtplanung. Im 30. Jahrhundert sind wir die Metropole im Kosmos. Bis dahin wird gearbeitet. Haben Sie Metropolis gesehen? Ich träume oft von Grenzüberschreitung. Zur linken der Nordpol, zur rechten der Südpol, vor uns eine neue Welt und unter uns das versunkene Atlantis. Diese Vorstellung heißt Ozean. Gibt es hier Ungeziefer? Ohne das Wasser wäre es fad. Ich sehe lange Wellen, kurze Wellen, lange Wellen. Wanzen sind wasserscheu. Man wird sich die Zeit vertreiben müssen. Kotzen zum Beispiel. Die erste Klasse kotzt wohin sie will, das ist ja klar. Die zweite kotzt auf die dritte und die dritte bekotzt sich selbst. Seit wann gibt’s hier Klassen?

Ja bitte?

Ein Brief für Wladimir Bombrowitsch.

Vielen Dank.

Liebster Freund, durch dieses Loch betrachtet sieht unser Rußland so klein aus. Wer schwimmt hier eigentlich? Ich oder der Kontinent? Ja, ich bin ein Schwärmer, wenn’s ums Reisen geht. Mit einer Schiffsreise ist selbst die Reise durch den Tod bei weitem nicht zu vergleichen. Wie unbeschreiblich schön muß erst die Reise zu den Sternen sein, dorthin, wo der neue Mensch die Fesseln der Schwerkraft auch noch abschütteln kann.

Können Sie mir den Weg ins Bordkasino erklären?

Man sagt, die Kosmofuturologie sei realistische Phantastik. Die Tür zum All sei längst schon aufgestoßen, doch ist der Durchgang noch nicht öffentlich.

Nein.

Wieviel grenzenloser darf sich da bereits die Tierwelt fühlen? Affen, Katzen, Hunden, Meerschweinchen, ist der Weg zu den Sternen von Geburt an frei.

Vielen Dank.

Während die Maschinen arbeiten, fliegen die Tiere durchs All. Fast alle Hunde kommen in den Himmel und wollen aus diesem auch nicht mehr zurück.

Wladimir auf dem Weg ins Bordkasino.

Bei den Aristokraten verhält es sich nicht anders. Auch sie bleiben lieber an der Riviera. Sogar aus Sibirien kommen nicht alle wieder. Die übrigen stehen vorerst über den Wodka in den Tourismus ein. Festlich und glücklich die sorglose Existenz des Menschen im 30. Jahrhundert. Bis dahin werden wir uns die Zeit vertreiben müssen. Ich warte im Bordkasino auf Sie. Ihr Michael Svoboda.

Bitte einen Wodka.

Wir schließen.

Aber all die Leute.

Personal.

Haben Sie sonst noch etwas anzubieten?

Einmal muß der Erlöser kommen. Sein Bild hängt lang genug schon neben der Ikone. Wie so oft bei ähnlichen Anlässen bleibt da die Ernüchterung nicht aus.

Vielen Dank.

Wladimir auf dem Weg in seine Bordkabine.

Davos sucht eine Persönlichkeit. Was ist das? Mit Führungsqualitäten und guten Verbindungen. Lenin kam auch aus Zürich damals. Kein Regentröpfchen weit und breit. Voraussetzungen sind Durchsetzungsvermögen, Verhandlungsgewandtheit und Kreativität. Der Forschungsbereich Schnee und Lawinen umfaßt die Sektionen Wetter, Lawinen und Schnee. Ein Fluß fließt in die Richtung des geringsten Widerstandes, spült weg, was er wegspülen kann, umgeht, was er umgehen kann, selbst wenn es nur ein Misthaufen ist.

Liebste Lilina, sei nicht traurig, ich nehme an.

Was verstehen die unter Persönlichkeit.

Man hat mir vertraglich zugesichert, daß ich nicht zu sterben brauche. Die erste Allunionsversammlung wird in einem schwimmenden Palast vor den Kulissen des Uralsees stattfinden.

Schneedecken, Wetter und Lawinenwarnung sowie Kenntnis in der Physik von Schnee und Eis sind erwünscht.

Wladimir nennt sich erster Präsident des Erdballs. Als Rangabzeichen mag man ihm ein kleines Flugzeug auf die Stirn. Ich, ich werde den Vize machen und male mir ein Hündchen auf die Wange.

Die einzig unverpfuschte Revolution war die Sintflut.

In meinem Antrittsreferat behandle ich zentrale Themen unserer neuen Politik. Punkt eins: Man muß den Hunger in der Welt abschaffen.

Ausgeschrieben von der eidgenössischen Anstalt für Wetter, Schnee und Lawinenforschung.

Dazu sind alle fischreichen Seen zum Kochen zu bringen und die Suppe wird im eingefrorenen Zustand in die ganze Welt verschickt. Punkt zwei: Die Affen müssen in die Menschenfamilie eingegliedert werden mit vollem Bürgerrecht. Ja bitte?

Ein Brief für Wladimir Bombrowitsch.

Vielen Dank.

Liebster Freund, ich ließ Sie warten, das tut mir leid. Auf dem Weg zu Ihnen traf ich Anne Kellermann und ihre Nixen, doch die Begegnung war im speziellen Fall auch eine bittere Enttäuschung. Diese Amerikanerinnen. Aber die Freiheitsstatue ist ja auch keine Frau. Aus ihren Augen kann man sich bestenfalls hinunterstürzen.

Möchten Sie einen Wodka?

Ich hörte allerdings, daß den wirklich mutigen Sekunden vor dem Aufprall aus Dollarscheinen Flügel wachsen. Mit jeder Leiche steigt der Kurs.

O ja bitte.

Man sollte auf Liberta setzen.

Ohne Wodka wäre Rußland ein Land ohne Lächeln.

Ich für meinen Teil halte mich vorerst an das Duplikat, ein reizendes Geschöpf, mit einem Variete reist sie als Statue of Liberty durch die Allillusionsländer, so nennt sie unseren neuen Staat.

Ja. Können Sie mir sagen, wie ich zur Kabine von Dr. Svoboda komme?

Sie redet wie eine Maschine und ist dabei anhänglich wie der Lieblingshund von Dr. Pavlo, das verrückte Tier.

Nein.

Kommen Sie mich besuchen. Ich warte in meiner Bordkabine auf sie.

Vielen Dank.

Ihr Michael Svoboda.

Wladimir auf dem Weg in die Bordkabine von Dr. Svoboda.

Gehen Sie ins Hypodrom. Eine Million Dollar im Jahr. Chaplin verdient mehr. Sucht man dort Persönlichkeiten. Ein Riesensaal, 5000 Menschen, die Bühne ist breiter als die Rampe im Theater der Nationalen Volksarmee. Wie viele 100.000 Dollar kostet so eine Show? Für Provinzler ist es billiger. Die berühmte Schwimmerin Anne Kellermann zeigt mit ihrer Truppe das Unterseereich. Die Bühne wird in ein riesiges Aquarium verwandelt und in grünes Trikot gekleidete Frauen stellen spielende Nixen dar. Danach kommt die Nummer mit den gelehrten Hunden. Die hat Sladilaswki einstudiert.

Entschuldigen Sie, ich glaube, ich habe mich verirrt.

Na so was.

Von außen sieht es aus wie ein Zementwerk. Aber drinnen, da tobt das pralle Leben. Mit unserem Sowjetclub ist das gar nicht zu vergleichen.

Ich suche die Bordkabine von Dr. Svoboda.

Realistisch betrachtet habe ich den Anschluß da schon verpaßt. So richtig ungezwungen kann ich mich eigentlich nicht mehr freuen.

Wer sind Sie denn?

Wladimir Bombrowitsch.

Horrende Eintrittspreise, denk ich mal.

Ich bin der Heizer.

Sind Sie nicht der Kellner?

Manchmal wird die Bühne auch in eine alpine Eisbahn verwandelt. 4 bis 5000 Arbeiter zeigen ihre Meisterschaft im Schlittschuhlaufen, Rodeln oder Skifahren.

Sie sind hier in der Bodenversenkung Nummero 15, stellen Sie also keine Fragen.

Wie bitte?

Vor der Wirklichkeit gibt es die Symbole. Sie verstehen schon? Alles falscher Zauber.

Ach so.

Kennen Sie die berühmte Melodie der amerikanischen Soldaten: Its a long way to Tipperary?

Alles läuft nach Plan. Wenn Ilan Illnitsch die letzten Takte seiner Heimatschnulze abgepfiffen hat, ertönt das Nebelhorn und der Inspizient gibt den Jungs auf der Seitenbühne das rote Zeichen, die stürmen von links und besetzen die Rampe, währenddessen fährt mein Podest hoch und von der Brücke fällt ein roter Lichtkegel auf mich, Wladimir wirft mir vom rechten Portal aus eine Schaufel zu, sie fliegt im hohen Bogen durch die Luft, im Orchestergraben ertönt ein Trommelwirbel, ich fange die Schaufel auf und eine Sekunde lang herrscht Totenstille, dann gebe ich den Auftakt zur 38. Heizerinternationale.

Hello, bourgeois, nice to see you, you volkstümlicher Spießer.

Träum ich? Wer bist du denn?

Wladimir folgt der Amerikanerin. Ihm folgt der Kellner.

Zwischen Erlöserturm und Kathedrale kriecht eine Schlange über den roten Platz. Hipp Hipp Bolschewik. I’m a Bolschewik. Hipp Hipp. Alle Macht den Sowjets. Ein gewürfeltes Wort des Herrn unter der Tribüne wie König Mauselos von Halikanas, die Zukunft im Reich der roten Sternchen, kein Mensch zahlt hier Wegzoll, die Welt ist groß genug für alle Lebenden, einschließlich der Toten. Die Moskauer Metro saust um die Erdball, sieben Quader ineinander gesteckt um daraus den babylonischen Turm zu bauen, 400 Meter plus 70 Meter, Lenin hieß es später dann, der Anfang war fast ebenerdig, roter Granit, rosa Marmor, schwarzer Labrador, aus Armenien Karfunkelstein, davon steht Wache Nummer Eins. Adamsäpfel hüpfen zwei Treppen in die Tiefe hinunter ins Grab. Hipp Hipp Bolschewik, I’m a Bolschewik. Hipp Hipp. Woher kommt das Licht? Aus Wachsen Pergament ein Kopf, Triumph der Technik an dem die Schlange vorbeikriecht.

Darf ich Sie ein Stück begleiten?

Woher nur dieses Leuchten? Ha, die Kleine war.

Haben Sie einen Brief für mich?

Ein Kopf und zwei Hände über einer dunklen Decke, fordern die strikte Einhaltung aller Temperatur und Feuchtigkeitsfaktoren.

Nein, ich folge Ihnen ganz privat.

Die Schlange kriecht durch das Gewebe, irgendwas zwischen gelb und grau.

Warum?

Die Mumifizierung des Mussek. Die Methode der Konservierung ist Staatsgeheimnis. Kein über das Gesicht gelegtes Brustbild, ganz ohne Eingeweide wird er täglich zur Ikone gespritzt. Wo also ist dein Herz, Genosse Parteiführer? Hipp Hipp Bolschewik, I’m a Bolschewik. Hipp Hipp. Im roten Trauerzug marschieren schon Hammer und Meisel, der Steinhauer schnauft, da freut sich der Steinmetz, Bulgarien, Kuba, Smolensk, Boltera, Kimeroko, Berbia und in der Ukraine, 9 Meter hoch, 12 Meter breit, und 6 Meter tief, aus weisem Granit, dassehrseht.

Irgendwann muß der Erlöser kommen.

Über die kleinen redet er erst gar nicht.

Das sagten Sie bereits.

Alle aus weißem Marmor und ähneln einer Sphinx mit ausgebreiteten Flügeln, das Bilestal aus Bronze, blicklose Augen und schattenhaftes Lächeln, das Lächeln verwittert.

Sind Sie sicher, daß Dr. Svoboda Sie heute noch treffen?

Rotarmist vor Sonnenaufgang. An einer Brust klingeln die Orden, auf dem Schreibtisch zwei Telefone. 8 Meter hoch, 8 Meter breit, und 9 Meter tief.

Ich betrachte die jetzige Lösung nicht als endgültig.

Ich fürchte, mein Marx wird das nicht überleben.

Bald stirbt der Apparat. Was wird nach ihm kommen?

Im Kirchenschiff aus weißem Marmor riecht es nach Weihrauch und Knoblauchzehen, nach gerechtem und nach Ungerechtem Gewinn, am Kiosk verkauft der Pope Weihwasser, wir haben schwer gesündigt.

Trägheit, Schlendrian und Sabotage vielleicht.

Am Horizont die Wohnmaschinen der Vorstädte.

Denken Sie, ich bekämpfe das Kapital.

Vor ihnen blüht der Stammbaum der Romanows.

Das ist falsch.

Die Schlange windet sich wund um diese grauen Äste.

Ich begreife es nicht.

Da knallt der eiserne Rollvorhang im Kongreßpalast runter, Parteiführer und Goldgrund blicken in die Zukunft, ohne Gnade, wir leben nicht im Paradies, nur im Wunschland gibt es Ordnung, Reichtum, Zivilisation.

Dem Christus Dostojewskis gehört das nächste Jahrtausend.

Ihre Sorgen möchte ich haben. Auf den roten Läufern herrscht Geschäftigkeit, wie eh und je. Etwas kann ganz plötzlich verschwinden.

Auch ich nehme kein Trinkgeld.

Daraus schlagen die Devotionalienhändler Gewinn. Die Schlange kriecht so lange zu Boden.

Gibt es hier einen Postkasten?

Seit Rosengedenken haben wir noch nie einen Gärtner sterben gesehen, rufen die Rosen.

Meine Seele wurzelt in jener Tiefe, die nicht rechnet.

Und wer schnitt sich die Adern auf, um mit seinem Blut das Beet zu tränken? Ich bin ich, weil mein Hund mich kennt, sagt da die Dame aus Amerika und gleichzeitig stellt sich die Frage: Hat irgendein Franklin Roosevelt irgendeine Identität?

Und was machen Sie hauptberuflich?

Nebenan wird gehämmert, ein arbeitendes Parlament, kein Dokument belegt den Wunsch nach Einäscherung, wir enthüllen täglich Fälschungen.

Revolutionär. Kellner mach ich nur als Aushilfe.

Zwölf Bände in roten Leder gleich neben der großen Allillusionsausstellung, in der der Mensch das Maß aller Dinge ist.

Was unterscheidet ein Ufo von einer schwebenden Ikone?

Lenin hat es am Anfang auch nicht abgelehnt.

Der Treibstoff, nehm ich an.

Damals tagte hier die Kommintern. Zwei Molotowcocktails für eine Leiche, der Mann war nicht geistesgestört, sagt Prawda. Arme aller Länder, vereinigt euch. Hipp Hipp Bolschewik, I’m a Bolschewik, Hipp Hipp. Exuntropia liegt in einem gläsernen Sarg an der Kremlmauer, über die Bühne des Mausoleums jagt die Führung fluchtartig, wer spielt schon gern auf einem Totenschrein Theater. Wachablösung auf dem roten Platz, Blondinen mit knatternden Fahnen.

Sie wirken schlecht ernährt und unterbezahlt.

Hinter ihnen torkelt die Maiparade. An goldenen Schnüren hängen die flaschengrünen Uniformen.

So als hätten Sie schon lange keinen guten Film mehr gesehen.

Schwankend tanzen sie den Trauermarsch. Einmal zu jeder vollen Stunde, seit 1924 bis die Glocke vom Erlöserturm endlich die letzte Stunde schlägt, seit 37 Jahren 24 mal täglich bleibt die Leiche eine halbe Sekunde unbewacht, 112 Tage im freien Totenbett nach neuer Zeit, och was sollen mir die roten Sterne auch.

Auch der Sputnik hat der seelischen Perspektive der allgemeinen Weltsicht nichts geändert.

Auf einer gerippten Säule steht in 46 Meter Höhe der erste Mensch im Kosmos, ganz Titan, zu seinen Füßen der Müllcontainer.

Ganz im Gegenteil.

Stehen die Denkmäler vergangener Epochen.

Sie verstehen mich.

Bald reiten Blauhelme den Labrador, das ist das 30. Jahrhundert.

Ich suche einen Postkasten.

Die Gottesdienstzeiten sind an der Tür angeschlagen, soweit die Kirchen arbeiten, dahinter fliegende Ikone auf mehreren Etagen der Erde, Rolltreppen in Überschallgeschwindigkeit, aber auch wunderbar erhaltene Bären und Mammuts aus der Eiszone werden gezeigt.

Wladimir schließt sich dem roten Trauerzug an. Es endet in einer Katastrophe.

Die Schlange steht vor dem Lebensmittelmagazin. Hier herrscht der wahre Kommunismus. Die Straßen werden von 20 auf 60 Meter verbreitert, und auf dem Marx-Prospekt endete der Trauerzug in einer Katastrophe, mit Tausenden von Toten und Verletzen, und die Schlange frißt sich durch den göttlichen Supermarkt. Hipp Hipp Bolschewik, I’m a Bolschewik, Hipp Hipp.

Liebste Lilina, die Dreharbeiten richten hier größeren Schaden an als die Revolution selber. Es gibt Tote und Verletzte, die umliegenden Hospitäler sind überfüllt. Heute fing die Arbeit mit einem Radrennen über die Dächer Moskaus an, danach brachte ich eine Zarenstatue mit Stricken und Seilen zum Umstürz, die sich aber wenig später von selber wieder in ihrer ursprünglichen Gestalt aufrichtete, der Gulag schnarcht auf seinem Lager, währenddessen verhungert die Kuh, und ich spanne mich selber vor den Pflug. Später schlendern Wladimir und ich durch die Zurareska-ja, der Zauberverkäufer begegnet uns wieder und stellt erneut eine Denkaufgabe.

Haben Sie den letzten Film mit Selinski gesehen?

In seiner kleinen Flasche sitzt jetzt ein großer Affe.

Das Leben eines Hundes.

Wie ist er wohl hineingekommen?

Die Szene mit den Würstchen rührte mich zutiefst.

Endlich muß ich sagen: Dieses Rätsel wird Geschichte machen. Da werden wir auf dem Weg zum Kreml von einem roten Leichenzug überfallen.

Der echte Chaplin ist um Klassen besser.

Gefesselt wachen wir im Lesesaal der Rotarmisten wieder auf.

Aber zu teuer.

An der Wand hängt als hölzernes Relief die Karte Europas. Dreht man an einer Kurbel, so leuchten in chronologischer Reihenfolge rot die Punkte auf, an denen Lenin gelebt hat.

Danach grub er die von den Räubern vergrabene Brieftasche aus. Zum Glück.

Doch der Apparat funktioniert nicht, alle Punkte leuchten gleichzeitig.

Die Regierung kauft nur Ramsch ein. Alles Verschnitt.

Das ist der Geist der Revolution. Sagt der Kellner. Ja bitte.

Ein Brief, für Wladimir Bombrowitsch.

Aber zum Beispiel dieser Film über die Torfgewinnung als Sieg über den Brennstoffhunger.

Vielen Dank.

Sieh da, wie der Zug mit den rebellierenden Gefangenen nach Überschreiten der sowjetischen Grenze senkrecht nach oben durch das Bild fährt, direkt in die Sonne? Das ist aus Die Schöne und der Bolschewik. Ach ja, als der dekadente Graf seiner Geliebten nachts die Zähne in die Halsschlagader haut, zünden die Bauern sein Gut an. Moskau steht in Flammen.

Liebster Freund, sahen Sie den Walfisch an uns vorbeiziehen?

Ja, der kleine Hund verteidigt seine Knochen also mutig kläffend gegen die anderen Arbeitslosen.

Auf seiner Atemfontäne tanzte eine Funkelfee. Ihr weises Haar legte sich wie ein Schleier vor meine Perspektive, der Horizont verlor seine Umrisse und ich steckte im dicksten Nebel.

Es endet jedenfalls damit, daß drei sowjetische Bürger zum Mars fliegen und dort eine Revolution auslösen. Dort fand ich ein altägyptisches Rezeptbuch, es enthält eine Anleitung zur Mumifizierung der Pharaonen.

Billigste Exportartikel.

Drei blies das Horn und über den roten Stern zog ein Sternenbanner, ich sah die Sinfonie der Welten.

Aber danach fällt der kleine Hund dann leider selber in die Wurstmaschine.

Als der Himmel wieder klar war, erreichte mich ein Funkspruch aus Moskau, der Erdball ist rund, willkommen in der Steinzeit, lautete die verschlüsselte Botschaft. Vergessen Sie Hollywood, kommen Sie in den Funkelraum, unser Sternenreich ist doch die schönste reinste Illusion, beeilen Sie sich, ihr Michael Svoboda.

Wladimir auf dem Weg in den Funkelraum.

Halt, keinen Schritt. Hier sind Sie im Maschinenraum.

Ach ja, Sie sind der Heizer.

Ich bin Schauspieler.

In welchem Stück?

Ich bin ein Diener des Proletkults, unser Stück heißt Geschichte, ich spiele die Rolle der Zeit.

Kommt in ihrem Stück ein Postkasten vor?

Wenn Moskau in Flammen steht, brennen auch die Briefe.

Moskau in Flammen?

So heißt unser Stück.

Fackeln Sie die Bühne ab?

Wir spielen auf einem gläsernem Sarg, vier Personen treten auf, auf ihren Gewändern liest man die Leuchtziffern 1 9 0 und 5.

Hipp Hipp Bolschewik.

Sie nehmen nebeneinander Aufstellung und bilden so das Jahr 1905.

Sie ruft mich. Liberta, Süße.

Über die Längsseite des Sarkophags marschieren Soldaten auf und tragen eine der Länge nach gestreckte Rose, das Band ohne Ende verschwindet im Schloßportal. Darüber die Aufschrift: Waschfrau seiner Majestät. Auf der Szene erscheint ein überaus musikalischer Clown mit einer großangelegten, schief aufgesetzten Krone.

Hipp Hipp, Bolschewik.

Er singt, auf einer leeren Wodkaflasche klimpern. Den Clown verdeckend erscheint ein Manifest, von Gottes Gnaden, Wir Nikolaus der zweite usw. Polizeigeneral.

Sie folgt mir, will sich mit mir verabreden.

Der Justizminister schwingt seine riesenhafte Tatze und stempelt mit allen fünf Fingern übers Manifest. Auf dem Sarg spielt sich ein Tanzfest ab. Die Militärkappelle schmettern, Studenten, Fräuleins, Frauen, Weiber, Krankenschwestern, Serviererinnen, Amerikanerinnen, haben Sie nicht einen Termin bei Dr. Svoboda?

Dr. Svoboda kennt meine Prioritäten.

Wie Sie meinen. Zwei Tische voller Weinflaschen sind so aufgestellt, daß zwischen ihnen ein Zug von Häftlingen samt Eskorte hindurchmarschieren kann. Die Gesichter der Begleitsoldaten sind Hundeschnauzen. Die Häftlinge ziehen vorbei, wieder spielt die Musik, dann stellen sie die Gläser ab und bauen aus Kartonmanifesten ein riesiges Kartenhaus.

Was sagt sie nur?

Auf der ganzen Sargeslänge erscheinen Polizisten. Es zeigen sich der zwergenhafte Zar, die Zarin, und etliche Minister. Alle blasen die Backen auf und beginnen aus Leibeskräften zu pusten. In diesem Moment fliegt eine Bombe auf die Szene. Die Bombe explodiert und streut Flugblätter mit einer Proklamation, von verschiedenen Ecken und Enden laufen verschiedene Leute auf verschiedene Art durcheinander.

Ich bin ich, weil mein Hund mich kennt?

Ein Arbeiter klebt dem Schutzmann ein Flugblatt auf den Rücken. Gelächter. Die Polizisten klettern plump mit Säbeln und Revolvertaschen. Auf langen mageren stelzenhaften Beinen kommt riesenhaft ein Arbeiter heran. Flügelartig sind an seinen Ärmeln breite Bänder befestigt, mit der Aufschrift Streik. Die Maschinen stehen still.

Wau? Wau? Wau? Wau Wau Wau Wau Wau. Wau Wau Wau Wau Wau Wau Wau...

Streik. Die Maschinen stehen still. Nur die Amerikanerin spricht. Moskau in Flammen. Ganz Rußland spielt Theater. Von links nach rechts bewegen sich alle zwischen den stelzenhaften Beinen des Arbeiters hindurch. In der Mitte die Büste Napoleons, das Bett der Zarin ist überfüllt von bewaffneten Rotgardisten: unterste Lage der in Ketten gelegte Arbeiter, zweite Lage, das habgierige Beamtentum, dritte Lage die Popen, Mullas, Rabbiner, vierte Lage die Regierung, fünfte Lage Bourgeoisie und Grundbe-sitzer, an der Spitze der zwergenhafte Zar und einer riesenhaften Krone, darauf tanzt die Gestalt des Intelligenzlers, das Pferd galoppiert neben einem fahrenden Eisen-bahnzug, dahinter raucht eine Fabrik, der Arbeiter hebt die Hand, völlige Finsternis. Und noch eine Salve. Über dem Sarg erschient nur die Karte des Fünfjahreplans, da-rüber das Bild von Waldimir Illisch Juloanow, später genannt Lenins Gestalt mit weg-weisend ausgestreckter Hand. Auf den Ausrufern blühen jetzt die Leuchtziffern 1917. Riesenhafte Schatten eines Händepaars, das seine Fesseln zerbricht. Wir haben nichts zu verlieren. Auf dem Diwan räkeln sich Liberale mit ihren Teetassen, sie hal-ten Resolutionen bereit, der Pope segnet Gummiknüppel, Holzknüppel, Schlagringe, Maschinenpistolen der Schwarzhundertschaften. Rings um seine Werkbank Patro-nen und Waffen, der Passionsplatz in Moskau, hinter dem kümmerlichen Kirchlein kauern die Schauspieler, mit vergoldeten Zwiebeltürmen statt Köpfen, rundherum Betrunkene in Form von schwankenden Flaschen. Von beiden Seiten nähern sich Bergleute mit Lämpchen, Grubenhacke, Hammerschmiede und dem Vorschlagham-mer, 2000 Schneidereiarbeiter tragen 1 Nähnadel, 5000 Holzfäller 1 Axt, unter ihren Schritten flüchten die Kirchlein und die Flaschen nach allen Seiten auseinander. Auf dem Sarg erscheint der Sowjetclown, hinter ihm zieht ein Arbeiter mit Radau und Ge-klapper die Denkmäler Rußlands an einem Halfterband, in der Mitte das Puschkin-denkmal, die Volksmenge überflutet den Platz, ein Arbeiter mit einem Knaben bahnt sich einen Weg zum Monument und erklimmt es, berittene Kossacken springen auf den Sarg, die letzte Kugel trifft den Knaben, ein Gulack mit dem Tragbrett kommt herein, sein Bauchladen klappt auf und klafft blutig, die Arbeiter schließen sich in Rei-hen zusammen, die Werkzeuge ebenfalls, in einer Lücke zwängt sich Traktor, allen voran das Reiterbild Peter des Großen mit einem großangelegten Siegeskranz, er gleitet vom Kopf, hinter ihm die steinerne Katarina, Zar Paul der Erste springt vom Postament herunter und sichert sich einen großen Abgang, aus den Häusern fliegen Matratzen, Stühle, Tische, Passanten auf die Straße, sie reißen die Geschäftsschil-der herunter, sie sägen die Leitungsmasten ab, die Gegenstände häufen sich zur Barrikade, auf der Barrikade wird eine rote Fahne gehißt, von Ferne härt man die Marseilles. Dem in Bedrängnis geratenen Gulacken kommen vier Mann zur Hilfe: der römische Papst, McDonald, Peter Stewesant, Jicky der Platase und Beate Ude bil-den einen Kreis, die Männer des Enteuzirkels entblößen ihre Schwänze und zeich-nen mit Säbeln und Revolver Hakenkreuze in die Luft, ihnen folgt Alexander der zweite, statt des Reichsapfels trägt er seinen Kopf auf dem Zepter. Der winzige Niko-laus sitzt auf einem störrischen Gaul. Senkt das Tier den Kopf, so erfolgt eine Deto-nation von hinten, Gaswolken und Schlammfluten überziehen das Reich, schließlich und endlich an den Schwanz des letzten zaristischen Hengstes geklammert, die Zarin, angeführt von schnurbärtigen Generalen, strömen marschierend parade-strammgedrillte Oberbefehlshaber auf den Sarg, zu beiden Seiten der militärischen Formation Marketender und Schnapsflasche, die Dornenkrone aus Würsten gebun-den windet sich singend um den Hauptmann voll Blut und Wunden. In den Kreis fällt eine Bombe, der Kreis bricht auseinander, die Bombe verstreut bunte Flugzettel mit Proklamationen, der ganze Zug setzt sich in Bewegung, die Fabrik brennt, die Kinder zählen die Kanonen, getroffene Arbeiter fallen, die ganze Rossaherde ab, voran der Führer mit dem Sprachrohr, ein Arbeiter schwing an einem Stab ein weißes...

Wladimir endlich im Funkelraum.

Hipp Hipp Bolschewik, I’m a Bolschewik, Hipp Hipp. Hello. Nice to see you.

Sind Sie der Sohn Schliemanns, auf den wir warten?

Wer sind Sie?

Die Admiralin.

Ich sehe vier.

Wir sind eins.

Ich suche einen Postkasten.

Schliemann hinterließ in Rußland einen Sohn, dem war es verboten, über den Atlantik zu reisen.

Warum?

Im Besitz des Knaben fand man eine Ikone, darauf war der Tempel Poseidons abgebildet. Sie trug die Inschrift: Die Ruinen von Atlantis sehen aus wie das Stadtzentrum von Nowosibirsk.

Ein Brief für Wladimir Bombrowitsch.

Jetzt nicht. Was machte der Arme in Punkto Atlantiküberquerung dann?

Er schwamm.

Verstehe.

Vier herrliche Wochen. So viele glückliche Stunden, und wir haben noch so viele vor uns. Wir dürfen und nicht verlieren.

Schon gut.

Ein Stern erlosch und zog das Sterben nach sich, der Mittelpunkt unserer Erde wurde von einem riesigen Planetoiden versenkt, hinter ihm die Reißnaht in der Atmosphäre, 4000km lang, 3000m breit und über 1000m tief trennt sie die alte und die neue Welt, der Himmel verfinsterte sich, jahrelanger Regen mit Schlamm vermischt, die Erde to-rkelte und jedermann lachte. Die Verhältnisse waren schon von der Sintflut bekannt. Und dennoch, der Planet hat ein Loch in die Erinnerung der Menschen geschlagen.

Das tut mir leid.

Bald bildete sich eine neue Sozietät. Ausgangspunkt des neuen Reiches ist eine großartige Metropole, von außen fast unüberwindlich, konzentriert sich alle Macht in ihrem innersten Kern, im Sitz des obersten Sowjet. Dort gibt es neben dem religiösen Zentrum auch eines der astronomischen und nautischen Wissenschaft. Das Reich war schon im Ursprung vielgestaltig. Man kolonisierte die Anrainer und errichtete so das erste Gebilde menschlicher Weltallmacht, in dem die Sonne nicht mehr untergehen kann.

Was bleibt dann noch zu wünschen übrig?

Ja. Doch bewegen sich die Aale bei ihren Leichzügen im Saragossameer so, als sei Atlantis nicht versunken, und auch die Vögel kennen kein Vergessen. Auf ihren Luftwanderungen umgehen sie unsichtbare Berge.

Der Brief.

Still.

Flugzeuge schützen die Fundstelle vor Neugierigen. Die UNO-Sondersitzung verlangt den freien Zugang für die Blockfreien. Doch haben moslimische Fundamentalisten bereits das Untersuchungszentrum in die Luft gejagt, und drohen mit einem Anschlag auf die Radiostation. Eine europäische Trophäenkommission versucht, die Fundstücke vor dem Paul-Ghetty-Museum zu retten. Die Satelliten übertragungsrechte hat ein Berliner Sender vor Jahren zu einem symbolischen Preis erworben. Sie hörten die letzte Meldung des enzyklopädistischen Weltfunks. Vergeßt die Apokalypse, beginnen wir mit der Genesis.

Liebster Freund, der Funkelraum ist besetzt, von Meeresjungfrauen. Da erreichte mich ein Telegramm. Der Parteiführer ist tot. Was passiert mit seiner Leiche? Die Witwe besteht auf Beisetzung, doch unser neuer Staat braucht Zeit.

Ich muß zurück nach Moskau.

Tief bewegt schaue ich auf die Gipfel des versunkenen Atlantis. Auch ist das Liebesspiel der Seepferdchen mit keinem menschlichen Akt an Poesie vergleichbar. Wie sie sich an den Schwänzen haltend, taumelnd auf den Meeresgrund sinken lassen. Ich warte auf dem Sonnendeck auf Sie. Ihr Michael Svoboda.

Jetzt können Sie funken.

Liebste Lilina, hört du die Wellen an den Seiten zupfen, die wie ein Netz gespannt sind, zwischen Europa und Amerika. Der Ozean sinkt, wir sinken, Trennung ist Dehnung. Und ehe das Band zwischen uns zerreißt, verschwinden Kontinente.

Back in the USSA.

Wladimir, die Amerikanerin, der Kellner und die Revolutionäre in der Menschenschlange.

Moskau-news. Science oder Fiction. Die Schlange kriecht über die Mitte des roten Platzes, wie immer pünktlich, Herr Gorbatschow schaut auf die Uhr, aus seinem Mantelfutter strickt Nikita Chrutschow das Haupt voll Blut und Wunden, und in einem Dorf im Gebiet Welograd umarmt Genosse Lenin ein rotbäckiges Mädchenkind. Unter ihm zwei Uhren und ein kleiner Enkel, die Ikone am Herzen. In Sarago bei Moskau stehen bärtige Orthodoxe zur Tausendjahrsfeier der Taufe Rußlands an einer langen Tafel. Die Schlange kriecht über das Abendmahl, während ein junges Paar aus Leningrad sich zärtlich in die Arme fällt, und das Arbeiterwohnheim für Zwangserholung in Gorki das Testbild auf Farbe schaltet. Auf dem Rücken des Mannes eine bunte Tätowierung. Christus am Kreuze, links die Engel, besonders rechts, auf kleine Wölkchen, darüber kyrillisch das Banner des Herrn.

Ich habe eine Botschaft.

Dank der Heimat für die glückliche Jugend. In Jerewan trägt der Milizionär den Schutzhelm über seiner Pelzmütze.

Ja, es ist wahr.

Seinen dicken Mantel schützt die kugelsichere Bleiweste. Und das Plexiglasschild widerspiegelt einen Stahlpfosten. Die Demonstranten sperren vor der russischen Stadt die Mäuler auf wie hungrige Jungvögel, und der offizielle Kandidat für den Posten des Generaldirektors blinzelt über die Ränder seiner Brille in zwei Mikrophone.

Mir ist der Heilige Rochus erschienen.

Die Mode von Tschernobyl.

Ich sah ein wundersam erleuchtetes Amphitheater.

In langer Gummikutte streckt ein Schwarzbebrillter das rote Lotsenfähnchen in den strahlenden Himmel. Die Räder des Lastkraftwagens sind mannshoch.

Auf einem Holzbrett stand er in seinem roten Pilgerkleid.

In Block vier stützt sich Mütterchen Rußland schon vor der Revolution auf einen Stock und Hauptplatz der Stadt Pripjad ist heute bereits ein Denkmal.

Darüber trug er einen goldenen Königsmantel.

Neun Meter hoch, zwölf Meter breit und sechs Meter tief.

Schaute ein kleines Hündchen hervor.

Das Aussichtsfernrohr blickt zurück auf Tschernobyl.

Auf der Kommandobrücke wütete der Ozean gegen eine Wasserwand mit Luftlöchern. So stark war der Regen.

Weiterhin optimistisch streckt der Kran den Arm in den Fünfjahresplan. Pelzbemützte Bauern beugen sich über einen Suppentopf. Auch Traktor steht an mit rauchendem Schornstein. Im Hintergrund versinkt vom Strommast kaum gehalten das Elektrizitätswerk im Schlamm. Im 30. Jahrhundert 50 Millionen Glühbirnen.

Der heilige Rochus wurde mit dem roten Kreuz auf der Brust geboren. In Rom heilt er Pestkranke.

Ein weißer Wolga besetzt mit 5 Personen transportiert zwei schwarze Särge auf seinem Dach, vor ihm die Kurve. Dezember.

Und ich sah lange Wellen.

Tage später ist es umgekehrt.

Kurze Wellen.

Särge im Überfluß.

Lange Wellen.

Nicht alle Opfer kann man bergen. Eine Frau schiebt einen Kinderwagen mit gebündeltem Inhalt über eine aufgeweichte Straße und der Säugling schwenkt seinen Blechnapf aus dem geschlossenen Sarg. Auf dem Fußballfeld des Stadions von Spitasx suchen die Menschen nach Angehörigen. Über den Rasen gebeugt hält sich ein Lebendiger das Haupt voll Blut und Wunden.

Als er selber von der Krankheit befallen war, flüchtete er in den Wald.

Die Kinderkadaver sind weiß, in einem bunten Kopftuch hält die zahnlose Frau in ihren Händen die zehn Brote, hinter ihr geht die Treppe bergab und mehrere Stockwerke sind ineinander gestürzt. Die Schlange kriecht durch die Trümmer.

Plötzlich dieses Wellental. Eine seltsame Vertiefung.

Der Militärhubschrauber in warmen Kinderkleidern streift die Hochspannungsleitung.

Wie die Aushöhlung eines Steinbruchs.

70 Millionen Glühbirnen bereits heute in Amerika. Gebrochen steht der Propeller in der verschneiten Landschaft, aus schlohweißen Engelshaarnestern blicken Altgläubige vorsichtig hervor, wir bestenfalls Geduldeten. Jelena streichelt über den kahlen Kopf des toten Sacharows.

Bald war er dem Hungertod nahe.

Alle Hunde kommen in den Himmel. Eine schwarze Schlange mit Pelz oder Strickmütze folgt einer rollenden Blechdose. Links außen der Mann mit dem Funkgerät, während zwei Träger den Verstorbenen im Rahmen halten, hält ein unbemützter Mensch einen Regenschirm über den offenen Sarg.

Aber dieses Licht.

Nagorni Karabach in folkloristischen Bleischürzen.

Stufen blinken unzählige Lichtchen übereinander, leuchteten lebhaft, sie blendeten mich.

Über ihre Pelzmützen trägt die Miliz Helme und ihre Salutschüsse treffen den Bärtigen direkt ins Gesicht. Ach, wie er so da liegt im Schnee, unter den Kettenrädern der Panzer.

Da schnappte ein sonst wohlerzogener Hund ein Brot vom Tisch des Herrn und lief davon.

Eskortiert von der Armee gelingt dem armenischen Dorfwang der Transit der Schafböcke, dem Soldaten wachsen stählerne Hörner und durch rote Sehschlitze blickt er auf das Ende seines Geweihs. Hinter dem Strommast detoniert die Blockade aus Glühbirnen.

Das wundersam erleuchtete Amphitheater schaukelte wie ein Luftschiff durch die Wogen.

In Kusbas streiken die Bergarbeiter. Schlafend träumen sie vom verschollenen Genossen. Über die Toten streckt Lenin den Arm vom Sockel. 14 Meter hoch, 12 Meter breit, 10 Meter tief. Rettet den Stalinismus.

Und am nächsten Tag wiederholte der Hund seinen Diebstahl. Machte sich glücklich mit der Beute auf den Weg.

Ein Mann in einer Pelzmütze hält rechts das Kreuz und links die Ikone.

Am dritten Tag schließlich folgte der Herr seinem Hund heimlich.

In Estland eine Kundgebung.

So entdeckte er den sterbenden Rochus unter einem Ahornbaum.

Ein junger Mann hält links das Hakenkreuz und rechts die Faust, ein altes Gemälde, die Kunstschätze Europas sichert die Trophäenkommission. Plakate brennen auf dem Scheiterhaufen.

Und was mich noch mehr verwunderte, war, daß die Lichter nicht etwa stillsaßen, sondern hin und wieder hüpften.

Zwei Kinder drehen sich um. Die halten runde Augen und lange Rüssel gegen den Ruß, aus dem Orenburger Kombinat tritt Gas aus, und Bagger walzen Ziegelhäuser nieder. Im Schattenriß galoppiert ein Pferd neben einer Lokomotive. Wer ist der schwarze Reiter, auf dem Fluß läßt sich die Schwerindustrie treiben. Bergarbeiter tragen den auf der Bahre gefesselten Barfüßler durch das Donezbecken.

Bunt bemalt wurde Rochus zum Heiligen der Pestkranken ernannt.

Auf einer Demonstration auf dem Puskinplatz berieten die Bürger mit der Miliz ihre Standpunkte, während am Kursker Bahnhof die Schlange durch Moskau kriecht für die Wurst.

Es blinkte wie aus einem Raumschiff. Mit einer Besatzung aus lauter leuchtenden Gestalten.

Das ist kein Straflager, nur die Kantine von Kolchos. Is the tragedy of reality.

Und er sagte: Heller als der rote Stern scheint mir der Sichelmond wahrhaftig.

Unter ihm sah ich Wladimir leibhaftig. Mit wegweisend ausgestreckter Hand zeigte er wie Pitomkin auf seine blühenden Dörfer, ganz Herr im Feldzug der fantastischen Täuschung. Der Liebhaber der Luftspiegelung gab so seine eigene Vorstellung. Noch bevor der rote Stern glühen konnte, war schon das rote Kreuz in die Erde gebrannt, und nach dem Engel Sibiriens zogen bald die internationalen Hilfsorganisationen durch das Land. Ich blicke auf die Ruinen von Atlantis. Sie sehen aus wie das Stadt-zentrum von Novosibirsk. Utopia ist fest in den Händen der Katastrophendienste. Das wundersam erleuchtete Amphitheater verschwand und mit ihm Wladimir, danach war mir, als würde ich im Stehen schlafen. Lilina, wo bist du, wo ist unser Sternen-städtchen?

Aus blauen Freizeitkleidern tritt Mütterchen Rußland mit einem Huhn unter dem Arm hervor.

Das Kino entführt uns nach anderswo.

Hoch lebe Wladimir Majakowski.

Tief darin wurzelt das Wesen ritueller Wiederkehr.

Unter ihr die Stiefel der Soldaten. Am Baikalsee liegt eine alte Frau im Tuch auf einem staatlichen Kopfkissen.

Wo bin ich?

Die weise Greise rollte Strümpfe über ihre Strümpfe. Unter ihr der numerierte Nachttopf.

Im Inneren der Kathedrale mit den 46 Sarkophagen. Darin haben 54 Zaren, Großfür-sten und Fürsten ihre letzte Ruhestätte gefunden, wie die bunten diamantbesetzten Eier, die den Zarenkindern in die Osternester gelegt wurden. Auch in die Mütze des Monarchen.

Zwei Milizen führen in Milisee eine Frau unterm Arm ab, barfuß am Morgen nach den Ausschreitungen kommt sie den Stiefelschritten gar nicht nach. Die Verletzten reißen sich den Verband vom Kopf, damit die Wahrheit ans Tageslicht kommt.

Ein sozialistisches Wunder. Man filmt die Filme mehrmals von der Leinwand ab, und stellt in den entsprechenden Szenen neue Gesichter vor die alten Köpfe. Die Massenszenen kann man meist behalten.

Kreuzförmig schwebt über der Menschenschlange ein weißer Sarg. Der Leichnam wechselt im Verlauf von drei Tagen mehrmals die Farbe. Ein Katholikus hält die Totenmesse für eine Heilige, und der Milizionär streckt die Hände schuldlos in den Himmel, der Platz in Baku wurde aus hygienischen Gründen um 4 Uhr morgens geräumt. Tote gibt es keine. In schwarzen Stein gehauen streckt Lenin wegweisend die Hand von seinem Sockel, über die städtische Reinigungsequick. 19 Meter hoch, 14 Meter breit, 12 Meter tief.

In Amerika gibt es ein Kino für Automobile. Im Kreml gibt es weiße Wölfe.

In kugelsicheren Westen erfolgt die Wachablösung der Milizen vor dem Müllcontainer.

Der erste Panrussische Kongreß der Zukunftsrapsoden. Die Brüste der Frauen werden von Luftballons gehalten. Die Männer tragen Sprungfedern unter ihren Schuhen.

Hach, was sollen mir Sichermond und rote Sterne auch. Hungerstreikende zelten unter einem Puschkinzitat.

Aber was passiert mit den Analphabeten?

Laßet uns beten.

Eine weiße Schwester schüttelt fassungslos den Kopf und ein anderer Mann kann gar nicht hinsehen. Der abgeschlagene Arm steckt noch im Mantel. Das Innenfutter ist aus reiner Schafwolle gegen die Kälte, zwischen Marx, Engels und Lenin nimmt die Haarpracht zunehmend ab, und ein Junge mit einem Fahrrad hütet die Gänse unter der strengen Aufsicht der Zentralregierung.

Schließlich hat Kino etwas mit Reisen zu tun. Nur gehen nicht wir auf Reisen, sondern über die Leinwand kommt die Reise zu uns. Immenser Materialbedarf denk ich mal. Gibt es da keinen Rohfilmzufuhrmangel?

Die Arme des beinamputierten Vaters stützen sich auf zwei Krücken. In seiner Hand trägt er das Einkaufsnetz. Der Sohn trägt die Kalaschnikow über die Schulter. Der große vaterländische Krieg war das Erlebnis seines Lebens.

Landschaft ist ein Strahlenbündel, das Universum eine Bühne der Planeten, und der Staub der Stadt verwandelt sich in einen hundertfarbigen Regenbogen.

An der Brust des Alten haften circa 30 Orden. Die Schlange kriecht zur 1000Jahrfeier der Taufe Rußlands in ein Kloster.

Och, der Radiotrust strahlt bis exantrope. Silberstaub.

Auf der Lacktasche der pilgernden Genossin tanzt ein Husar.

Neuerdings haben Kurzfilme Konjunktur. Der kürzeste war: Proletarier aller Länder, vereinigt euch.

Gottes Narren haben unter jedem Regime ein hohes Ansehen. Vitorta Landsbergis hält an jedes Ohr einen Telefonhörer und marschiert über die erste Strophe der Nationalhymne nach Hause. Er hat die Melodie im Kopf. Räumung des Leninplatzes.

Wo ist Dr. Svoboda?

Seit 1925 bleibt das Kloster am Baikalsee den Kühen überlassen, sich selbst die Jugend in Leningrad, Hände umklammern den Rand eines Gullys.

Marx in einem gotischen Lehnstuhl vor einer Europakarte sitzend. Bei uns gibt es die breitesten Leinwände der Welt. Die in Amerika sind breiter.

Im Stollen der Fernheizung wärmen sich die Kinder in der Tripperbar. Die neuein-gelieferten Säuglinge erstarren hinter den Gittern vor dem numerierten Nachttopf.

An den Küsten leben die Futuristen. Wie sie sich in die Brandung stürzen.

Jetzt darf der Stacheldraht allerdings nicht mehr fotografiert werden.

Hoch hebe Wladimir Majakowski.

Reißt ihm nicht die Gasmaske vom Gesicht. Mit runden Augen und langen Rüssel hebt der Mensch auf der städtischen Müllhalde Schneehöhlen aus, als Heizung dient ihm die Wärme des sich zersetzenden Abfalls.

Filme über die Geschichte der Sowjetunion sind dafür um so länger. Der Trauerzug der Bevölkerung vor dem toten Lenin endete mit einem Kilometer langen schwarzen Klebestreifen.

Auf dem Aralsee sitzen die Karakalpaken-Kinder im Trockenen.

Im Sternenstädten der Revolution ist sogar die Zeit rückläufig.

An der afghanischen Grenze sitzt ein Vater, vor ihm auf einem Pappschild die Zahl 51 8 63. Die letzten Einheiten ziehen vorüber, sein Sohn ist nicht dabei.

Und weil das Kino eine Reise ist, halten die Paare auch in den Sesseln Händchen. Was sie im Theater beispielsweise nicht tun.

Aus dem Hals des Mannes kriecht eine Schlange, ohne Gehirn hielt er 6 Tage durch.

Sie halten Hündchen?

In seinen Taschen steckte tonnenweise Kriegsgerät. Darunter auch ein Bündel Briefe. Hipp Hipp Bolschewik, I’m am Bolschewik. Hipp Hipp.

Ich suche einen Postkasten.

Wir spannen ein Segel vor das Planetensystem mitsamt Zentralgestirn und werden unser Erde wie ein Schiff im Sonnenwind durch das Universum schaukeln. Eine jahrmillionenlange Reise dorthin, wo ein neuer Stern Licht und Wärme für das Weiterleben spendet.

Wieviel Tonnen Tuch, wieviel Meter Nähmaterial?

Still.

Und hier eine Meldung des enzyklopädistischen Weltfunks. Das Erbe des sozialistischen Trojas ist gefunden.

Eine Explosion.

Augenzeugen berichten von der Landung einer prähistorischen Flugmaschine auf dem roten Platz. Die Trophäenkommission hat unter der Oberaufsicht der roten Armee den Schatz des Priamos sichergestellt. Das Gold Schliemanns befindet sich jetzt im staatlichen Museum der schönen Künste. Auf einer Bergwiese im Zweistromland wurde der Flügel einer sowjetischen Fliegerbombe entdeckt. Heller als der rote Stern scheint hier der Sichelmond wahrhaftig. Vier herrliche Wochen und so viele glückliche Stunden und wir haben noch so viel vor uns.

Ulrich Matthes Wladimir Bombrowitsch
Michael König Doktor Michael Svoboda
Krista Posch Die Amerikanerin
Gustl Halenke Die Admiralin
Traudl Haas Nixen
Gunter Berger Der Kellner
Joachim Höppner Der Lautsprecher
Detlef Kügow 1. Berufsrevolutionär
Hans Wyprächtiger 2. Berufsrevolutionär
Lorenz Meyboden 3. Berufsrevolutionär
Jan Eberwein 4. Berufsrevolutionär

Hörspielfan

29. Juni 2025

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